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In Opposition zur Schöpfung

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Alternativen anzubieten ist Sache der Opposition. In den einfachen Geschichten Helmut Heißenbüttels stehen die Figuren allesamt in Opposition zur Schöpfung. Die Stellung verdanken sie entweder dem experimentellen Trick ihres Autors oder ihrer äußeren und inne­ren Zwangslage. Jedenfalls führt Helmut Heißenbüttel diese Alterna­tiven mit Präzision und Folgerich­tigkeit bis an ihr eigenes Ende, so daß zu guter Letzt die heile Majori­tät vom Himmel und Erdedoch wie­derum ein wenig aufleuchtet.

So geht zum Beispiel des Ober­postdirektors Wunsch in Erfüllung: Nach seiner Pensionierung wird er physisch immerfortjünger und jün­ger. Seine Innenwelt aber stagniert, seine Umwelt einschließlich seiner Tochter altert weiter.

Sinn einer solchen in Opposition zur Schöpfung denaturierten Natur ist es, Erfahrungen zu gewinnen, welche durch Direktbeobachtung, also durch einen literarischen Rea­lismus, nicht einzubringen möglich wäre. In unserem Falle also: Das Altern ist ein sozialer Prozeß. Da­von ausgenommen zu werden, be­deutet Vernichtung, mag sie sich zu­nächst mit einem Zuwachs an Le­benskraft und mit einer zweiten Ju­gend tarnen.

Ob solche „Erkenntnis“ den ex­perimentellen Aufwand lohnt, dar­über hat bei einem literarischen Werk schließlich der Leser zu ent­scheiden. Und wirklich: der Leser hat flier ein Buch in der Hand, das es versteht, jahrzehntelange Erfah­rung eines Literaturexperimenta­tors so zu nutzen, daß selbst das Ex­periment zum Genuß wird

DAS ENDE DER ALTERNATIVE. Einfa­che Geschichten Projekt 3/3. Von Helmut Heißenbüttel. Verlag Klett-Colta, Stuttgart 1980, 176 Seiten, öS 192.50

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