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Zu simpel

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Macht die Kunst im Lauf der Jahrhunderte Fortschritte? Gilt also auch für den Literatur-Darwinismus der selektive Kampf ums Dasein, demzufolge nur die Tüchtigsten überdauern?

Am Ende der zwanziger Jahre versuchten zwei russische Formalisten, Juriy Tynjanow und Roman Jakobson, diese Spannung von Innen und Außen, von Autarkie der künstlerischen Form und geschichtlichem Umfeld zu interpretieren. Auf solchen Erfahrungen aufbauend, unternimmt es Viktor Zmegac, Literaturhistoriker von internationalem Ruf, die Geschichte der deutschsprachigen Literatur vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart darzustellen, ohne die Literatur zum bloßen Illustrationsmaterial der Sozialgeschichte zu degradieren.

Um dem Wandel in Form, Inhalt und Wirkungsweise nachzugehen, wird dem Leser eine Fülle von bisher wenig oder überhaupt nicht beachteten zeitgeschichtlichen Details angeboten. Soll eine solche womöglich gleichmäßig verläßliche Fundierung gewährleistet sein, müssen Mitarbeiter (26!) herangezogen werden. Und da kann es eben geschehen, daß der eine oder andere Autor sich als schrecklicher Vereinfacher betätigt.

Nur ein Beispiel sei von dem 2.200 Seiten umfassenden Text angeführt. Warum scheitert Les-sings Hamburger Sprechtheater? „Bildung und Besitz klaffen auseinander.“ Kein Wort also von der Konkurrenz zur Hamburger Oper, von der „innenweltlichen Askese“, wie sie Max Weber für die Hansestädte analysiert! Es sei zugegeben, daß kein Autor bei dem riesigen Material ohne Verkürzungen und perspektivische Einsparungen auskommt. Aber die Formulierung ist nun wirk-, lieh zu flach und die Wirklichkeit schlicht verfälschend.

Man merkt die Absicht, sollte aber nicht verstimmt sein, weil einem sonst sorgfältige Einzelinterpretationen des Gesamtwerks entgehen.

GESCHICHTE DER DEUTSCHEN LITERATUR VOM 18. JAHRHUNDERT BIS ZUR GEGENWART. Herausgegeben von Viktor Zmegac. Athenäum-Verlag, Königstein 1985. Bd. 1: 1700-1848; 812 Seiten, öS 623,50; Bd. 2: 1848-1918. 544 Seiten, öS 483,60,- Bd. 3: 1918 bis in die heutige Zeit, 900 Seiten, öS 608.40.

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