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Wahlgeschenke post festum?

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Wie lange ist es schon her, daß der Kanzlerkandidat der SPÖ sich standhaft weigerte, wie er sich ausdrückte, „Wahlgeschenke“ in Form von Versprechungen hinsichtlich Steuersenkungen und dergleichen zu machen? Und wer erinnert sich noch, mit welchem überlegenen Spott der ökonomische Berater Dr. Kreiskys, Veselsky, die Steuerreformpläne des Finanzministers Prof. Dr. Koren als „pure Demagogie“ bezeichnete. Damals hat Koren nur etwas durchaus Naheliegendes als Vorhaben der Regierung bezeichnet: die von Zeit zu Zeit fällige Korrektur der Steuerprogression.

Lange, lange ist es her! Heute hört man und liest man es anders. Der designierte Bundeskanzler will aus den voluminösen Programmen seiner „1400 Experten“ ein brauchbares Regierungsprogramm erstellen lassen. Den „Aufhänger“ für dieses Regierungsprogramm soll anscheinend die vorher noch so versehmähte Steuerreform bilden. Denn jetzt reden auch die Sozialisten natürlich von der — von Koren schon längst beabsichtigten — Milderung der Steuerprogression. Nun aber sind schon auch die bisher von Kreisky „ausgehungerten“ Politiker der SPÖ am Werk. Und sie werden, wenn nicht alles täuscht, schwerlich nach der Korrektur im Sinne von Professor Koren aufzuhalten sein, obwohl gerade sie es waren, die seit Jahren

die „katastrophale Verschuldung“ und die „triste Budgetlage“ beklagten. Denn jetzt gelte es, endlich etwas von dem zu verwirklichen, was zum eisernen Bestandteil aller Politikerreden von der linken Seite seit jeher gehörte: Herunter mit den Steuern bei den Kleinen, die Reichen sollen's zahlen... !

Was die damit bezweckte Einkommensumschichtung und Budgetsanierung betrifft: Die Kleinen zahlen schon sowieso kaum noch oder überhaupt keine Steuer, sie können also auch von Steuersenkungen nur sehr wenig, einige Schillinge, profitieren. Aber die Zahl dieser Kleinen ist groß und der Entgang für den Staat daher beträchtlich.

Hingegen gibt es viel weniger Reiche in Österreich, als dies der Normalfernseher und -zeitungsleser ahnt. Denen kann also noch so viel weggenommen werden, herausbekommen wird der Staat insgesamt nicht viel.

Nun scheint aber Dr. Kreisky trotzdem diese Popularitätswelle ansteuern au wollen. Er warnte seine Experten vor der „heroischen Linie“ und warnte noch mehr vor einer Politik des „Gürtelenger-schnallens“. — Aber in einem neuen Wahlkampf wird man schon den Leuten etwas bieten müssen. Etwas, was gut und teuer ist. Gut zum Erzählen, teuer letztlich für alle.

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