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Warten auf die Konjunktur

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Österreichs Wirtschaftspolitiker orientieren sich an klassischen Konzepten. Finanzminister Dr. Schmitz möchte getreu dem Modell antizyklischer Budgetpolitik das Budgetdefizit des nächsten Jahres auf sechs Milliarden Schilling anwachsen lassen, wobei dieser Betrag vornehmlich der Finanzierung eines massiven Investitionsstoßes dienen soll. Doktor Koren, ursprünglich zur Lösung strukturpolitischer Fragen berufen, hat zwar noch kein definitives Konzept für seine künftige Tätigkeit vorgelegt, hat aber verschiedentlich zu verstehen gegeben, daß er den Hauptgrund für die Verlangsamung der wirtschaftlichen Entwicklung mehr noch als in strukturellen Schwächen darin sieht, daß schon seit längerem die Anforderungen an das Sozialprodukt über den Produktivitätszuwachs hinaus gestiegen seien. So läßt seine künftige Arbeit eine stärkere Beschäftigung mit einkommenspolitischen statt mit struk-turpolitischen Fragen erwarten.

Aber alle diese Bemühungen werden gleichsam relativiert und in ihrer Bedeutung beeinträchtigt durch die Tatsache, daß der nächste Konjunkturaufschwung vermutlich stärker als von diesen Bemühungen davon abhängt, wann der Aufschwung im westlichen Ausland eintritt.

Nun wird sicherlich bei allem, was in Sachen Wirtschaftspolitik unternommen wird, eine Art politischen Zugzwanges wirksam, der gebietet, irgend etwas zu tun, weil sich auch die bloße Anstrengung ersatzweise in politischen Erfolg ummünzen läßt. Man kann deswegen die Bemühungen um die Konjunkturbelebung nicht einfach als Regenzauber abtun, der ein Ereignis herbeiführen will, das von menschlichem Verhalten ungefähr ebenso stark abhängt wie das Wetter. Aber es hat den Anschein, als ob die maßgeblichen Männer, statt die Grenzen ihrer Möglichkeiten der Konjunkturbeeinflussung zu akzeptieren und sich der zwar bescheideneren, aber auf die Dauer doch wertvolleren Chance zuzuwenden, die Weichen der künftigen Entwicklung zu stellen, von monokausalen Erklärungs- beziehungsweise Wirkungsmechanismen geradezu fixiert werden, damit aber zugleich verabsäumen, der Vielschichtigkeit der Konjunkturproblematik gerecht zu werden.

Den wohl einfachsten Weg hat die Nationalbank in dem für sie besonders deutlichen Dilemma zwischen Geldwert, Stabilität und Wirtschaftswachstum gefunden: Nämlich nichts zu tun, was besondere Wirkungen dieser oder jener Form auslösen könnte.

Ein solches Verhalten ist freilich nur an politisch nicht umkämpfter Stelle möglich. Dr. Koren und Dok-

tor Schmitz haben es schwerer. Aber Dr. Koren bedient sich eines monokausalen Erklärungsmechanismus, wenn er in der Überforderung des Sozialproduktes die Hauptursache der Stagnation sieht, und er begibt sich mit einem etwaigen einkommenspolitischen Versuch auf gefährliches Terrain. Denn bei der Suche nach Leitlinien für eine solche Politik bieten sich neben der Geldentwertung nur Kriterien an, die sich direkt oder indirekt am Wirtschaftswachstum orientieren. Ist aber eine Einkommenspolitik mit den politischen Realitäten vereinbar, die sich an Kriterien orientiert, die von vornherein keine Zunahme erwarten lassen? Wie ist dann aber eine Einkammenspolitik zu beurteilen, die sich so oder so am Wirtschaftswachstum orientiert, deren Erfolg aber erst als Basis für ein solches Wachstum angesehen wird?

Und es ist ein monokausaler Wirkungsmechanismus, auf den die Vorstellungen des Finanzministers hinauslaufen, wenn durch ein Budgetdefizit von sechs Milliarden Schilling die Konjunktur angekurbelt werden soll.

In so ziemlich jeder Stellungnahme wird offen oder zwischen den Zeilen zum Ausdruck gebracht, daß das eigentliche Problem der gegenwärtigen Investitionsunlust und damit der Konjunkturschwäche bei den zu geringen Gewinnerwartungen der Unternehmer liege. Aber sollen diese Gewinnerwartungen steigen, wenn zwar angenommenerweise die Kostenseite der Unternehmen stabilisiert werden kann, aber in der Ertragslage keine Änderungen eintreten?

Im Herbst soll sich ein eigenes Ministerkomitee mit Fragen der Konjunktur und Wachstumspolitik auseinandersetzen. Es ist nicht zu erwarten, daß dieses Komitee über die Anregungen von Dr. Schmitz und Dr. Koren hinaus wesentliche zusätzliche Impulse erhält. Vielleicht ist das auch gar nicht nötig. Etliche Nachrichten aus dem Ausland und auch die Auftragslage mehrerer österreichischer Großunternehmen lassen in absehbarer Zeit eine spürbare Konjunkturbelebung denkbar erscheinen. Aber kann man sich damit zufrieden geben? Die Diskussion anläßlich des diesjährigen Alpbacher Wirtschaftsgespräches hat zur Ver-anschauiichung der Strukturproblematik das Beispiel von den Klippen im Flußbett aufgegriffen, die immer dann sichtbar werden, wenn das Niveau des Stromes sinkt. Ähnliches gilt aber auch für das gegenwärtige konjunkturpolitische Instrumentarium. Sobald die KJonjunkturwelle nachläßt, werden seine Schwächen sichtbar.

Die Konjunkturbelebung soll vom materiellen Erfolg konjunkturpolitischer Maßnahmen bestimmt werden, und nicht der politische Erfolg solcher Maßnahmen von der Konjunkturbelebung. Politisch mag die Frage der Richtung der Kausalbeziehungen in dieser Relation sekundär sein, sie ist es aber nicht für die Frage der Leistungsfähigkeit des wirtschaftspolitischen Instrumentariums. Fachmann sein heißt, für die Anforderungen der Wirklichkeit besser gerüstet zu sein, es heißt aber nicht, mit undifferenzierten Modellvorstellungen arbeiten zu müssen, die in dieser Vereinfachung nicht einmal mehr in der Theorie legitim sind. Ändert sich daran nichts, so wird bald wieder der Ruf nach den Pragmatikern zu hören sein.

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