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Ein Wendepunkt?

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Der 31. Jänner ist nicht nur für die österreichische Notenbank ein Termin, der einen Wendepunkt ankündigen kann. An diesem Tag wird auch einer der profiliertesten Notenbankchefs aus seinem Amte scheiden, das er während einer siebenjährigen Funktionsperiode, sowohl der Administration wie auch dem US-Congress gegenüber als Leiter einer unabhängigen Währungsbehörde eindrucksvoll ausgeübt hat: Arthur Burns, international hoch angesehener Konjunktur-und Geldtheoretiker und lebensnaher Praktiker, ein Opfer mehr einer jener Regierungen, die es nicht verstehen wollen, daß eine eigenverantwortliche Notenbank auch ihren eigenen Zielsetzungen nachhaltiger dient. Die überraschende Ablöse Burns ist ein weiteres Symptom für die vielerorts laufenden Versuche mancher Regierungen, ökonomische Probleme mit Hilfe der Notenpresse zu lösen.

Dieses Motiv kann bei der Nominierung Stephan Korens, der den Notenbankleiter ablösen wird, kaum im Vordergrund gestanden sein. Im Gegenteil: Der Bundeskanzler dürfte ins Kalkül gezogen haben, daß die mit (un-)schöner Regelmäßigkeit wiederkehrenden Versuche des Finanzministers wohl ein Ende finden werden, finanzielle Notstände der Regierung durch Verzweiflungsschritte zu lösen, die dem Wort und Geist des Nationalbankgesetzes widersprechen.

Prof. Koren von den gefürchteten Funktionen als Fraktionsführer und Hauptsprecher der großen Oppositionspartei für die Wirtschaft-, Finanz- und Geldpolitik weggeholt zu haben, war wohl ein Handstreich, der seinesgleichen sucht! Daß er gelungen ist, kann nur unter sehr weit gesteckten Gesichtspunkten nicht bedauert werden. Ist die Irritierung bei den Spitzengremien der Volkspartei durch die jüngsten Entscheidungen hoffentlich bald überwunden, so ist die Verwirrung in den unteren Kadern nach wie vor enorm: Der „Fall Koren“ wird weithin als ein zweiter „Fall Nußbaumer“ angesehen,

Diese Fehleinschätzung kommt wohl aus der schiefen Optik, in welche die österreichische Nationalbank auf Grund des Verhaltens ihrer derzeitigen Führung geraten ist - seither wird sie in der Öffentlichkeit als zum sozialistischen Regierungssystem gehörig betrachtet. In der Diskussion um das (sicher nicht einfache) Verhältnis der Währungsbank zum Finanzministerium wurde ihre gesetzliche Verpflichtung, „bei Festsetzung der allgemeinen Richtlinien der Währungsund Kreditpolitik... auf die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung Bedacht zu nehmen“ im zunehmenden Maß so fehlinterpretiert, als ob diese Bestimmung die andere Gesetzesverpflichtung relativieren würde, derzu-folge sie „mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln dahin zu wirken (hat), daß der Wert des österreichischen Geldes in seiner Kaufkraft im Inland sowie in seinem Verhältnis zu den wertbeständigen Währungen des Auslandes erhalten bleibt“.

Diese beiden Aufträge sind jedoch nur so miteinander vereinbar, daß die Nationalbank bei der Wahl der Instrumente, mit deren Hüfe sie dem Stabilisierungsauftrag gerecht werden will, auf die Wirtschaftspolitik der Regierung Bedacht zu nehmen hat. Da für die Festsetzung der allgemeinen Richtlinien der Währungs- und Kreditpolitik ausschließlich der Generalrat zuständig ist, so erstreckt sich die Verpflichtung zur Bedachtnahme auf die Regierungspolitik überhaupt nicht auf die _ zahlreichen geldpolitischen Agenden des Direktoriums! Die Notenbank ist seinerzeit vom Parlament aus guten Gründen als Partner und nicht als untergeordnete Dienststelle des Finanzministeriums geschaffen worden. 1922 war die Unabhängigkeit der neuen Nationalbank der Regierung gegenüber der entscheidende Schritt zur Stabilisierung der österreichischen Währung und in deren Folge zur Schaffung unseres Schillings!

Die Bewegungsfreiheit des österreichischen Notenbankpräsidenten ist zwischen dem sozialistischen Finanzminister, einer linientreuen Generalrats- und Direktoriumsfraktion (mit einem sozialistischen Generaldirektor!) überaus beengt. Koren wird mit dem ganzen Gewicht seiner Persönlichkeit und seiner Stimme sicher ein Maximum an Eigenständigkeit wiederherstellen.

Die personalstrategische Niederlage allerdings, die die Regierung der großen Oppositionspartei bereitet hat, wird nur dann wieder aufgewogen werden, wenn die Nationalbank ihre kritische und warnende Stimme gerade jenen Kräften gegenüber wieder zur Geltung bringen wird, die für die Währungs- und Zahlungsbilanzentwicklung in erster Linie verantwortlich sind - und wenn die Erwartungen erfüllt werden, die sich an die für alle überraschenden personellen Konsequenzen aus dem Ausscheiden des Klubobmannes knüpfen: Alois Mock ist sicherlich ein starkes Zugpferd, dessen Qualitäten in einer über-bündischen Funktion noch wirkungsvoller zum Tragen kommen werden. Erhält der Arbeitnehmerbund wirklich den Abgeordneten Herbert Kohlmaier als geschäftsführenden Obmann, dann käme ein Mann wieder in die Führungsspitze der ÖVP — wenn auch in einer ihm adäquateren Funktion — der sich als Fachmann gerade auf jenem Gebiet erwiesen hat, in welchem sich der Krisenzustand des Wohlfahrtsstaates immer mehr zeigt.

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