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ÖAAB: Die Hoffnung auf Erneuerung

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Es kam alles anders. Praders Abgang freilich als Obmannkandidat des Hoffnungsbundes der ÖVP schien bereits einige Tage vorher unvermeidlich: Fieberhafte Verhandlungen hinter den Kulissen, ein Getuschel über Kandidaturen. Dann aber platzte es: Der „unheimliche Steher“ Pr ad er brachte es noch einmal fertig, alle zu überrumpeln, so daß man fast vergaß, daß es sich dabei ja um einen von der Öffentlichkeit mehr oder weniger erzwungenen Rückzug gehandelt hatte. Diesen „unheimlich starken Abgang“ soill jemand Praeter - nachmachen! Fradiers Meisterstück kostete freilich etwas. Denn einmal mußte er dlie Unwahrheit gesagt haben. Am Freitag, nachdem er den Bundesvorstand des ÖAAB mit der Mitteilung überrascht hatte, er lege seine Kandidatur zugunsten des Niederösterreichers Alois Mock zurück, erklärte er den Journalisten gegenüber, er plane diesen Schritt schon seit langem, spare ihn aber auf den letzten Augenblick auf, denn er wolle nicht,, daß ein frühzeitig genannter Mock inzwischen, wie er, in der Öffentlichkeit „zerzaust“ werde. Diese Aussage Praders steht aber zu seinen vorherigen Aussagen in krassem Widenspruch; früher sagte er nämlich, er stehe zu seinem am 24. März dem ÖAAB-Vorstand gegebenen Wort und sei im übrigen „kein Kasperl“, der einmal so, dann wieder anders rede.

Nun ist Prader auch jetzt kein Kasperl. Er hat sich aber einen Spaß geleistet: gegenüber der Öffentlichkeit, und gegenüber seinen Parteikollegen, von denen viele aufrichtig und mit Vehemenz für ihn waren. Diese Freunde hat er auch getäuscht und ein klein wenig lächerlich gemacht. Er hat darüber hinaus dem ÖAAB und damit auch der Gesamtpartei zweifellos nicht genützt, denn was soll man von einem Bund mit 300.000 Mitgliedern und von einer Partei mit mehr als zwei Millionen Wählern denken, die ihren Spitzenpolitikern solche Späße erlaubt? Prader hat aber auch der ganzen Politikergilde keinen guten Dienst erwiesen, wo doch das Ansehen der Politiker in der Öffentlichkeit ohnehin schon ramponiert ist. Am meisten geschadet hat aber der so opferbereite Obmannkandi- dat seinem Schützling, dem jungen Dir. Mock selbst. Hat er ihn doch als ein armes, schultzbedürftiges „Hascherl“ hingestellt, das er, der noch immer starke Prader, vor den Konkurrenten und natürlich auch vor den Journalisten abschirmen mußte, damit er die Stadtsäle zu St. Pölten noch heil erreiche.

So hat denn der neue Bundesobmann des ÖAAB, nicht zuletzt dank Prader, einen ungemein schwierigen Start. Der 37jährige Niederösterrei- cher Alois Mock, derzeit Abgeordneter zum Nationalrat und Bürgermeister der Gemeinde Euratsfeld, bringt freilich Eigenschaften in sein schweres Amt mit, die ihm einige Chancen sichern. Mock war schon als Beamter des Unterrichtsministeriums und des Außenamtes durch Fleiß, rasches Auffassungsvermögen, Anpassungsfähigkeit und Offenheit aufgefallen. Diese Eigenschaften haben ihm während der kurzen Zeit, während er Unterrichtsminister war, gute Erfolge gebracht. Als neugewählter ÖAAB-Obmann betonte Mock seine Absicht besonders stark, seine neuen Aufgaben in Teamarbeit anzugehen. Das entspricht wohl auch seiner Auffassung vom Weisen der modernen politischen Arbeit. Er wird aber auch wissen, daß er in seinem neuen Aufgaben kreis zum Teil noch ein Neuling ist. Er wird die loyale Unterstützung seiner sieben Stellvertreter, unter denen sich Potenzen wie der Sozialpolitiker Kohlmaier und der Wirtschaftspoli- tdker Tam befinden, unbedingt brauchen. Da ihm diese Unterstützung zugesichert wurde, kann man erwarten, daß der ÖAAB mit Alois Mock nicht nur einen jungen und dynamischen, sondern auch einen kooperativen und aufgeschlossenen Bundesobmann bekommen hat, der diesen Bund neuen Zielvorstellungen zuführen und für neue Zielgruppen öffnen kann. Mock hat bereits in seinen ersten Äußerungen diese Bereitschaft, ja Absicht zur größtmöglichen Öffnung gegenüber einer jungen Intelligenz, aber auch seine Aufgeschlossenheit gegenüber der gewerkschaftlichen Arbeit (ohne die ja der ÖAAB bald zu einem Debattierklub werden würde) besonders hervorgehoben. Wie er dm Gesamtrahmen der Partei, im Verlauf des vielgerühmten Interessenausgleichs, wird agieren können, das wird erst die Praxis zeigen. Der mit 259 von 309 Delegiertenstimmen, also mit 84 Prozent der Stimmen gewählte neue Bundesobmann wird wohl bald audh die Tücken einer solchen Einheit zu spüren bekommen. Es war ein unglaubliches Phänomen, daß nach einer solchen Intrige, wie sie am Vortage stattfand, dm Plenum in St. Pölten kein einziger ÖAAB-De- legierter aufstand, um auch nur andeutungsweise eine kritische Meinung zu äußern. Alle Meinung kam vom Präsidialtisch. Diskussion im Plenum ist in diesem Bund anscheinend unbekannt. Es wurde nur stürmisch bejubelt am stürmischesten freilich Prader, der sich für seinen verspäteten Einzug nicht sehr taktvoll die Zeit aussuchte, als gerade der scheidende Obmann seine Rede hielt.

Allerdings wurde auch der zum Ehrenobmann gewählte bisherige Bundesobmann Dr. Alfred Maleta, stark gefeiert. Niemand aber nahm sich die Mühe, die Verdienste dieses Mannes in einer dem Niveau seiner Rede nur annähernd entsprechenden Art zu würdigen. Aber vielleicht tat dies Maleta selber, indem er, wie es hieß, „die Erfahrungen einer 40jährigen politischen Tätigkeit zusammenfaßte“. Maleta will seinen freiwilligen Rücktritt nicht als die Flucht eines Spitzenpolitikers aus der Verantwortung verstanden wissen. Die beißende Satire, mit der er die Akteure aller drei Parteien bedachte, war der Beweis, daß er nicht nur die „Partitur“ für seine Partei schreiben, sondern nach wie vor auch mitspielen will. Sein Gewicht verlagert sich aber nun zum Programmatischen: als Vorsitzender des Programmausschusses der ÖVP und künftiger Präsident der Politischen Akademie wird Alfred Maleta bestimmt richtungweisend wirken können, Das, was er als die notwendige „Durchforstung der Werte“ be- zeichnete, wird darüber entscheiden, ob die ÖVP nooh im großen Kräftespiel über die tagespolitischen Rivalitäten hinaus eine Zukunft hat. Allerdings wäre dazu der Beitrag des neuen Bundesobmannes wie eines erneuerten ÖAAB unerläßlich.

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