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Parlament und Kontrolle

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Alois Mock, mit „volksdemokratischer Mehrheit“ bestätigter Bundesobmann des schwarzen Arbeitnehmerflügels und neuer Besen, der auf der Ebene der parlamentarischen Auseinandersetzungen recht gut kehrt, schilderte kürzlich vor dem Akademikerbund einige Marginalien seines Konzeptes als ÖVP-Klub-obmann: Da die Volksvertretung insgesamt ihrer Aufgabe als Kontrollorgan der Regierung in nur sehr unzureichendem Ausmaße nachkomme, falle es der Opposition zu, die Kontrolle durch parlamentarische Auseinandersetzungen mit der Regierungspartei auszuüben.

Die Abgeordneten sollen und müssen „zum Fenster hinausreden“, um die Öffentlichkeit zu informieren und zu überzeugen. In dieser Funktion, fügt Mock hinzu, sei die Opposition auf die unabhängigen Medien angewiesen. War das als Aufschrei zu verstehen, die Hilflosigkeit und Ohnmacht der Oppo-

sitionsrolle darstellend? Ein Eingeständnis dessen, daß die ÖVP nach acht Jahren oppositionellen Daseins noch immer nicht die „Ideallinie“ gefunden hat? Oder spricht Mock die ohnehin selbstverständliche Tatsache an, daß auch eine ihrer selbst bewußter gewordene Oppo-sitions-ÖVP noch manches dazu-lernen wird müssen?

Schon als Unterrichtsminister, der erst nach seinen Lehrmonaten in der Regierung ins große Halbrund des Nationalratsplenums übersiedelte, war Mock überrascht, mit „welch skandalös bescheidenen Mitteln“ Abgeordnete ihre Kontrolltätigkeit ausüben müssen: Was können gegenüber einem Heer von 40.000 Beamten (ohne Post und Bahn) und mehr als 200 Milliarden Schilling - von denen mehr als 100 Millionen der Regierung „relativ leicht“ zur Disposition stehen - 90 Oppositionsabgeordnete, die oft auch noch einen „zivilen“ Beruf ausüben, ausrichten?

Alois Mock verlangt für jede Machtposition eine entsprechende Kontrollposition, da mit steigender Machtkontrolle die Freiheit des Einzelnen zunehme.

Die Opposition habe aber auch über die Kontrolltätigkeit hinausgehende Aufgaben und Pflichten, meint Mock zu einem alten VP-in-ternen Streitpunkt: Es gelte, auch politische Ideen und Lösungsvorschläge vorzustellen, da nur jene Partei erfolgreich sein könne, der der Wähler auch eine grundwertorientierte Politik zutraue. Der „AUe-Parteien-sind-die-gleichen“-Mentalität tritt Mock energisch entgegen: „Es soll ein Unterschied sein.“ Die ÖVP dezentralisiere Macht, nehme auf den Einzelmenschen Bedacht, sei weniger bürokratisch: Sie vertraut mehr dem Menschen.

Der neue und energische Klubobmann läßt es aber nicht beim Pläneschmieden auf rein parteipolitischer Ebene bewenden. Er stürzt sich auch auf Gebiete wie die Wahlrechtsreform, wo er ähnlich wie seinerzeit auch Leopold Gratz für eine Personalisierung des Wahlrechts (deutsches oder Südtiroler Modell) eintritt: Machtverwalter müssen gefährdet und Ablösen potentiell immer möglich sein.

Auch für die Parteiorganisation müsse man sich parallel dazu neue Kontrollmechanismen überlegen. Ein heißes Eisen für jede Partei, wirft es doch auch die Frage nach der Kontrollinstanz für die Kontrolleure auf. Daß aber die Kontrolleure in einer der Parteien zu mächtig würden, darf wohl kaum erwartet werden, schließlich ist die Praxis der Parteien seit Jahr und Tag auch eine andere als das schöne Wort vom Verbot des Ämterkumulie-rens...

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