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Zwei Gefahren: Resignation und Leerlauf

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Völlig unerwartet kam Schleinzer auf tragische Art ums Leben. Nach dem für ihn im Stephansdom gelesenen Requiem machte ich mit Alois Mock, zu dem ich seit seiner Zeit als Unterrichtsminister im letzten Kabinett Klaus ein sehr gutes Verhältnis hatte, einen Spaziergang durch die Innere Stadt.

Ich war gewiß kein ebenbürtiger politischer Gesprächspartner für ihn, aber Mock und einige andere hatten den Kontakt zu mir nie abreißen lassen, da ich in dem nun schon seit mehr als fünf Jahren von der SPÖ regierten Österreich als eines der letzten noch immer deklarierten ÖVP-Mitglieder eine entscheidende kulturpolitische Position innehatte.

Und überdies: beim Ausgang des Stephansdomes hatten ihm die anderen nur sehr flüchtig die Hand gegeben.

Die Situation war nämlich vertrackt. Stephan Koren, der ehemalige Finanzminister und weitaus profilierteste Parlamentarier der ÖVP, hatte wissen lassen, daß er bereit sei, anstelle Schleinzers die Partei als Kanzlerkandidat in den bevorstehenden Wahlkampf zu führen. Im Falle einer abermaligen absoluten Mehrheit der SPÖ wollte er aber zugunsten von Mock, auf den er große Stücke hielt und der dann vom Wahlausgang unbelastet wäre, zurücktreten.

Sallinger, der Präsident des Wirtschaftsbundes, der Koren keinen Erfolg zutraute und Mock nicht mochte, hatte sich aber gegen diese elegante Lösung und für Josef Taus ausgesprochen, einen ehemaligen Klaus-Staatssekretär, der in die Wirtschaft gegangen war und als brillanter Kopf galt.

Ich hielt Taus für eine politische Fata Morga-na und beschwor Mock, sich für die Koren-Lö-sung einzusetzen. Mit Mock hinter sich, mußte Koren auf dem in aller Eile einberufenen Sonderparteitag eine Kampfwahl gegen Taus gewinnen. Aber Mock blieb gegen meine Vorstellungen* taub...

Die Wahlen zum Nationalrat gingen elend verloren. Eine ÖVP unter Koren hätte nur besser abschneiden können...

So beschreibt Peter Weiser, langjähriger Generalsekretär der Wiener Konzerthausgesellschaft und nunmehriger Direktor der Energie-verwertungs-Agentur (EVA) in seinem eben erschienenen Buch „Wien - stark bewölkt" seine Erinnerungen an seine „Gastrolle" bei der ÖVP.

Diese Remineszenzen sind sehr subjektiv gehalten, im Urteil Zweiter über Dritte vielleicht auch irrig, aber jedenfalls bedenkenswert. Der Autor beschreibt später noch ein weiteres Gespräch mit Mock vom Mai 1979:

Wir sprachen lange über das Problem, auf nicht absehbare Zeit zum Opponieren verurteilt zu sein. Angesichts fehlender Macht und fehlender Ämter flüchten viele Abgeordnete einer Opposition in die imaginierte Wichtigkeit von Arbeitskreisen und Ausschüssen, in denen jene Gedankenarbeit und Energie, die nötig wäre, um die Partei wieder nach vorne zu bringen, aufgeboten wird, um den eigenen Existenznachweis anzutreten. Die Gefahr war groß, daß die ÖVP auf Bundesebene allmählich zu einem Motor wurde, der leerlief.

In diesem Zusammenhang warnte ich Mock vor denjenigen Politikern, die sich in die Rolle gewissermaßen pragmatisierter und pensionsberechtigter Oppositionsbeamter einzuleben begannen und eine entsetzlich ansteckende Resignation verbreiteten.

Noch eindringlicher aber warnte ich ihn vor den Machern in seiner unmittelbaren Umgebung. Substanzlos, wie sie waren, also ohne Möglichkeit, aus eigenem kreativ tätig zu werden, würden sie zweifellos versuchen, den leerlaufenden Motor der Bundespartei geräuschvoll durchzustarten; das errege zwar Aufsehen, koste aber nur weitere Energie und führe schließlich zu nichts.

Mock, ein Musterbeispiel an Loyalität und nach unten, verteidigte die von mir Genannten, aber schließlich gab er mir recht. Er wußte, er war nicht von dem Schlag, der mit Machern fertigwerden konnte. Kurze Zeit später machte Mock aus mir unbegreiflichen Gründen die Scharfmacher unter ihnen zu seinen engsten Mitarbeitern...

Aus: WIEN - STARK BEWÖLKT. Von Peter Weiser. Molden. 1982.200 S, Ln.. S 220.-

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