"Ein schlechter Populist gewesen"

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Der erste und einzige Bundeskanzler einer ÖVP-Alleinregierung (1966 bis 1970) feiert am 15. August seinen 90. Geburtstag.

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Der erste und einzige Bundeskanzler einer ÖVP-Alleinregierung (1966 bis 1970) feiert am 15. August seinen 90. Geburtstag.

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Dem demokratischen Österreich-Bewusstsein hat er einen starken Schub gegeben, und die Fenster Österreichs zur Welt hat er weit aufgemacht." Mit diesen Worten würdigte Bundespräsident Thomas Klestil seinen Lehrmeister, Altbundeskanzler Josef Klaus, beim Empfang in der Hofburg zu Klaus' 90. Geburtstag. "Heute würde man sagen, dass du ein schlechter Populist gewesen bist, und für den Machterwerb und Machterhalt keine ausreichende Kaltblütigkeit mitgebracht hast. Gerade das aber ehrt dich!" fuhr Klestil in seiner Laudatio fort.

Manches, was von der heutigen Bundesregierung angekündigt wird, hat Klaus vor über 30 Jahren schon erreicht: ein ausgeglichenes Budget, die Überwindung des Parteienproporzes in der Politik und Strukturerneuerungen in der Wirtschaft.

Als Sohn eines Kärntner Bäckermeisters geboren, wurde Klaus nach dem Kriege Rechtsanwalt in Hallein. Von dort fand er den Weg in die Politik. Mit nur 39 Jahren wurde er Landeshauptmann von Salzburg, wo er sich bei seiner Antrittsrede im Dezember 1949 zu Versöhnlichkeit, Toleranz, Sachlichkeit und zur Demokratie bekannte - Grundsätze, denen er treu geblieben ist. Als Verfechter des Rechtsstaats sieht Klaus in der Politik nicht Machtgenuss, sondern Ordnungsaufgabe. Das erwies sich auch, als er 1963 unter Alfons Gorbach nicht weiter Finanzminister blieb, weil er sich den Forderungen des sozialistischen Koalitionspartners nach übermäßigen Ausgaben nicht beugen wollte. Noch im gleichen Jahr wurde der Reformer Josef Klaus ÖVP-Bundesparteiobmann und ein Jahr später Bundeskanzler. Der Gärungsprozess bei der SPÖ unter Vizekanzler Bruno Pittermann (Habsburg-Frage, Fussach-Affäre, Olah-Krise, Rundfunkvolksbegehren) führte dann zur Nationalratswahl von 1966, bei der Klaus die absolute Mehrheit errang und Kanzler der ÖVP-Alleinregierung wurde.

Klaus begann ein ambitioniertes Programm: die große Steuer- und Wohnungsreform, die ORF-Reform mit Gerd Bacher, die Siemens-Privatisierung, das Südtirol-Paket, die ersten Verhandlungen mit der damaligen EWG, wirtschaftliche Strukturmaßnahmen. Noch ein Novum brachte die Ära Klaus: die erste Frau im Regierungsteam, Sozialministerin Grete Rehor. Freilich musste Klaus auch innenpolitische Rückschläge hinnehmen. Das Auf und Ab der zwei Jahrzehnte seines politischen Lebens habe ihn oft schwer belastet, räumt er im Gespräch mit der furche ein. In seiner "Aktion 20" bemühte sich Klaus um die Verbindung von Politik und Wissenschaft. In ihrem Rahmen zog er junge Mitarbeiter heran, die später erfolgreiche Politiker wurden. Thomas Klestil, war unter ihnen, ebenso Alois Mock, Heinrich Neisser, Josef Taus, Karl Pisa und Peter Marboe. Deren Erfolg und politisches Schaffen sei aber nicht sein Verdienst, meint Klaus, sondern "fortuna in eligendo"; wie der humanistisch gebildete alte Herr auch sonst gelegentlich lateinische Wendungen in das Gespräch einfließen lässt.

Auf Vortragsreisen in die damals noch kommunistischen Länder Europas bahnte Klaus Kontakte jenseits des Eisernen Vorhangs an. Beim Bau des europäischen Hauses dürfe man den Ostflügel nicht vergessen, sagte er einmal. Der Einmarsch sowjetischer Truppen in die CSSR (1968) brachte seine Regierung in eine heikle außenpolitische Phase, die jedoch gut bewältigt werden konnte.

Befürchtungen, dass sich die Gewerkschaften bald gegen die VP-Alleinregierung auflehnen würden, bewahrheiteten sich nicht. Das lag am redlichen Bemühen des Bundeskanzlers, im Rahmen der Sozialpartnerschaft auch mit den Arbeitnehmervertretungen gut auszukommen - eine Einstellung, die auf seine frühe Tätigkeit in der katholischen Arbeiterbewegung, dann in Kärnten im Gewerkschaftsbund und in der dortigen Arbeiterkammer zurückging.

Im Erinnerungsbuch "Macht und Ohnmacht in Österreich", das er den "amicis ubique" - den Freunden in allen Lagern - gewidmet hat, berichtet Klaus von einem Vortrag in Graz über das Thema: Der Mensch - Maß und Mittelpunkt im politischen Geschehen. Er wolle eine Politik für alle machen, lautete sein Leitsatz. Mit den Freiheitlichen, unter Friedrich Peter, hatte Klaus korrekte, aber weitgehend formale Beziehungen. Das lag vorwiegend an innerparteilichen Widerständen gegen ein engeres Zusammengehen mit der FPÖ, deren Führung sich 1966 eine Annäherung erhofft hatte. Ein Zusammengehen der Volkspartei mit den Freiheitlichen war überdies von der SPÖ seit langem als Bürgerblock verteufelt worden. Nach der Wahlniederlage von 1970 lehnte Klaus eine "Koalition der Verlierer" ab, obwohl die beiden Parteien eine Mehrheit gegenüber der SPÖ gehabt hätten.

Man müsse mit Anstand und ohne Schmerz von der Macht Abschied nehmen, sagte der Bundeskanzler im März 1970. Nach seinem Rückzug aus der Politik fand Klaus Erholung auf Gran Canaria, wo er genügend Zeit zum Lesen hatte, denn vom Elternhaus an war er ein eifriger Bücherleser. Die alten römischen Autoren sind ihm geläufig, Geschichtswerke und die Schriften der Kirchenväter gehören zu seiner Bibliothek, ebenso Goethe und Grillparzer. Aus jüngerer Zeit sind ihm Bücher von Reinhold Schneider, Friedrich Heer, Wolfgang Kraus vertraut. Bildung kann dazu beitragen, so betont er, das Zusammenleben fruchtbarer, harmonischer und friedvoller zugestalten. Seit Jahren ist er aufmerksamer furche-Leser.

Mit Kardinal König und Bischof Stecher ist Klaus befreundet. Er und seine in letzter Zeit leider sehr geschwächte Frau Erna wissen es zu schätzen, dass sie sonntags und mittwochs die heilige Messe in ihrem Seniorenheim in Wien feiern können. Von ihrer Wohnung genießen sie einen prachtvollen Blick auf den Wienerwald, vor allem auf den Kahlenberg und den geliebten Leopoldsberg, für Klaus ein "mons sacer".

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