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Entscheidung fällt zwischen den Großen

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„Ich habe jetzt wieder vier Jahre geschwiegen.“ Mit dieser Formulierung meldete sich kurz vor dem Wahlkampf-Schlußpfiff jener Mann zu Wort, der 1966 mit seiner Regierungs-Mannschaft den Schritt von der Großen Koalition zur ersten Alleinregierung Österreichs gewagt hatte: Altbundeskanzler Josef Klaus.

Was er seinen Zuhörern in Tuttendorf! bei Korneuburg am 26. April zu sagen hat, klingt sehr ernst: „Ich möchte die Frage beantworten, warum ich für eine Konzentrationsregierung eintrete: Wir haben derzeit einen Notstand. Es wird in der nächsten Periode vor allem um die Budgetsanierung, um die Konsolidierung und Stabilisierung der Wirtschaft gehen. Daher sollten wir nach dem Muster der Schweiz einmal für vier Jahre eine Konzentrationsregierung versuchen. Wir haben ja auch damals die Neutralität nach dem Muster der Schweiz gemacht.“

Damals, Ende der sechziger Jahre, so Klaus, hätten viele gemeint, die siebziger Jahre würden für die Menschheit so etwas wie eine „Gnadenfrist“ darstellen. Weltweit habe sich manches gerührt; etwa in der Abrüstungsfrage, im Nahen Osten sei die Entwicklung weitergegangen, die europäische Integration habe Fortschritte erzielt.

Und Österreich? „Bei uns ist eine schleichende Systemveränderung vor sich gegangen“, spielt Josef Klaus auf Straf- und Familienrechtsreformen an: „Es gab neun Jahre nie dagewesener Defizitwirtschaft, neun Jahre steigenden Steuerdrucks, der Aushöhlung der Eigenkapitalbasis der Wirtschaft.“ Wenn am 6. Mai die Regierungspolitik auf die „Waage gehoben und hoffentlich für zu leicht befunden wird“, dann werde man in vielen Dingen dort anfangen müssen, wo wir 1970 aufgehört haben. Ich habe echte Sorge um den österreichischen Weg in die achtziger Jahre!“ *

Inzwischen breitet sich unter den Sozialisten knapp vor Wahlkampfschluß so etwas wie Zufriedenheit und Zuversicht aus. „Derfs a bisserl mehr sein?“ ist vielen das Motto für den Zugewinn eines 94. Mandats. Auch ÖGB-Chef Benya gibt sich auf einer Gewerkschaftsversammlung betont optimistisch.

Im Kampf um Wien macht sich Benya Sorgen. Alle müssen zur Wahl gehen. Dann kommt der Leistungsbericht, Standardteil jeder sozialistischen Wahlrede: der Telefonausbau, mehr Fernsehgeräte, Vollbeschäftigung, Inflation, die Familienbeihilfen und viele Dinge mehr. Monotone Stimmlage und Sprechtempo erinnern ein wenig an einen Rosenkranzbetenden.

In der letzten Phase des Wahlkampfs, der nach Zeitungs-Be-schlagnahmungen, Lkw-Demonstra-tionen, gegenseitigen Fälschungsund Manipulationsvorwürfen etwas härter geworden ist, lassen es aber auch Sozialisten nicht bei ihren Leistungsberichten bewenden. Daß die anderen Parteien ein Programmjiät-ten, stellt Benya plump in Abrede: „Wenn sich die beiden anmaßen, (Taus und Götz, Anm. d. Red.) in Österreich Bundeskanzler werden zu wollen, dann haben die beiden die Pflicht, zu sagen, wie sie sich die Zukunft vorstellen ... Aber das hab' ich von beiden nicht gehört!“

Ein paar Passagen weiter kommt Benya selbst auf das Programm der ÖVP zu sprechen, allerdings um einen Lacherfolg zu landen: Was kosten die Forderungen der ÖVP? Laut Taus kosten sie sechs Milliarden. Die volkswirtschaftliche Abteilung des ÖGB sei aber auf 23,5 Milliarden gekommen. Aber das müsse der frühere Generaldirektor einer Bank doch rechnen können, fragt sich Benya selbst: „Aber geh', sag ich da immer, den haben's eh net zum Geldladl glassen.“ Donnernder, dankbarer Applaus belohnt Benya.

„Zigeuner, fahr deinen Wagen“, ein für aufreibende Wahlkampf-Tourneen gar nicht so unpassendes Volkslied, klingt Josef Taus noch in den Ohren, als er in Salzburg nach einem bunten Senioren-Nachmittag bei Mercedes Betriebsbesuch macht: Wie hoch ist hier der Mindestlohn, was verdienen die Leute, wie sind sie eingesetzt, was gibt's sonst für Probleme? erkundigt sich der ÖVP-Spit-zenkandidat immer wieder. Zielsicher steuert er insbesondere auf die jungen Leute im Betrieb zu. Auf die kommt's am 6. Mai besonders an.

Im Kongreßhaus der Mozartstadt führt Taus auch den Salzburgern vor Augen (oder besser: vor Ohren), was er inhaltlich und rhetorisch zu bieten hat: Mit den Versprechen ist er zurückhaltend, strahlt aber dennoch ein gewisses Maß an Selbstsicherheit aus:

„Wenn wir eine Mehrheit kriegen, wird es eine Jugendarbeitslosigkeit nicht geben ... Wir werden in der nächsten Legislatur-Periode keine Steuern erhöhen, keine neuen Steuern erfinden!“ Wir werden dem Staat wieder lernen, was er unter den Sozialisten verlernt hat: Sparen werden wir ihm wieder lernen!“

Als Alternative zur SPÖ-Regierung bietet Taus eine christlich-demokratische Volkspartei an, weil „ich ein fanatischer Anhänger dafür bin, daß niemand zuviel Macht hat! Es geht nicht um Posten und Pöstchen, nicht darum, daß wir an den Futtertrog kommen. Es gibt kein anderes Korrektiv zum Marxismus in Österreich als die Volkspartei!“ Wer die Parole „Alles oder nichts“ anbietet, der müsse schon aus Gründen der Demokratie-Sicherung die Mehrheit verlieren.

„Wir werden wieder gewaltige Beträge zum Bau von Wohnungen und Straßen zur Verfügung stellen, Bahn und Post sollen weiter modernisiert werden, und wir werden Milliarden in die Wirtschaft pumpen, damit sie den Anforderungen gewachsen ist und die Arbeitsplätze gesichert sind.“

Bruno Kreisky wirbt als Vorsitzender der Sozialisten ganz für Kontinuität und Fortsetzung des bisherigen Weges, was für eine Partei, die sonst überall für Veränderung und Reform eintritt, zwar bemerkenswert, aber aus der Sicht einer Mehrheitspartei auch wieder verständlich ist.

„Wir haben Österreich reicher gemacht. Noch nie ist es so vielen Menschen so gut gegangen wie jetzt“, versichert Kreisky in jeder seiner Wahlreden. Die Prophezeiungen „der Konservativen“ oder „der anderen“, wie sich Kreisky ausdrückt, wenn er die Volkspartei meint, seien nicht eingetreten. Etwa, daß die Sozialisten die Kirchen zusperren würden oder daß sie den Bauern die letzte Kuh aus dem Stall treiben würden. Im Gegenteil: Heute müsse Österreich die Milch exportieren, weil so viel da sei, meint Kreisky ätzend.

Ansonsten kann sich Kreisky überall breiter Zustimmung gewiß sein, wo er als Redner auftritt. Zu Wahlversammlungen kommen ohnehin fast nur deklarierte Wähler. Die Internationale singende Juso-Gruppen bei Taus-Auftritten oder Ranger-Störversuche bei SPÖ-Ver-anstaltungen sind wohl auch in diesem Wahlkampf die ganz seltene Ausnahme.

*

Um nur ja kein Werbemittel weniger als die ÖVP zu besitzen, bringen nun in den letzten Tagen die Sozialisten in Analogie zu den ÖVP-Blu-mensamen ihrerseits Radieschen unters Volk. Unter dem Motto: „Die Umwelt schützen - die Heimat lebenswert gestalten.“

Die Radieschen sind laut Beschreibung in Töpfen oder Balkon-kistchen problemlos heranzuziehen. Wer seinen Topf regelmäßig feucht hält, kann im September ernten: „Große, runde, leuchtendrote Knollen“, die „trotz der Größe nicht pelzig werden“.

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