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,FPÖ kann mithelfen, den Staat zu tragen’

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FURCHE: Herr Präsident, wie beurteilen Sie heute den Zustand der Minderheitsregierung? Ist die SPÖ ein monolithischer Block oder gibt es, vielleicht gerade was Neuwahlen und Koalitionsüberlegungen betrifft, Flügel und Lobbies? Und wenn es diese gibt, wie sehen sie aus?

BENYA: Ich glaube, nachdem ich ja Funktionär der SPÖ bin und auch in verschiedenen Gremien vertreten bin, daß ich sagen darf, die Partei ist sehr geschlossen in all diesen Fragen. Sie werden diskutiert, und bis jetzt haben wir eigentlich ohne Schwierigkeiten immer einstimmige Beschlüsse zustande gebracht.

FURCHE: Sie, Herr Präsident, haben sich immer für eine große Koalition ausgesprochen. Kreisky hingegen hat erklärt, nicht Kanzler einer großen Koalition werden zu wollen.

BENYA: Wollen wir große gesellschaftliche Probleme lösen, also auch Fragen, die verfassungsrechtlicher Natur sind, dann brauchen wir eine

Zweidrittelmehrheit. Eine Zweidrittelmehrheit erhält man eben nur, wenn die große Oppositionspartei bereit ist, mitzustimmen. Auch Wirtschaftsfragen weitgehender Natur sind mit der großen Partei leichter zu lösen, weil ja dort auch die Wirtschaft und die Landwirtschaft stärker vertreten sind. Das sind eben

Komponenten, mit denen man zu rechnen hat.

FURCHE: Momentan kommt hingegen der FP eine Schlüsselrolle zu. Eine Partei, die nicht einmal eine eigene Fraktion im ÖGB hat. Will man diese Situation noch lange weiterbestehen lassen?

BENYA: Ob eine Partei im ÖGB eine Fraktion hat, ist für das politische Geschehen nicht wesentlich, denn es kann eine Partei keinen Gewerkschaftsflügel haben und trotzdem eine bedeutende Stärke haben. Das ist kein Kriterium, an dem man eine Partei prüfen kann.

FURCHE: Sie haben den Termin für einen zu Neuwahlen führenden Bruch kürzlich sehr genau angegeben. Ist es wirklich nur die Budgetfrage, die diese präzise Prognose ermöglicht?

BENYA: Wenn das Budget nicht zustande kommt, d. h. wenn die Regierung für die Budgetvorlage keine Zustimmung bekommt, dann ist automatisch ein Wahltermin fällig. Das richtet sich wieder danach, ob man nun wartet, bis die Budgetdebatte abgelaufen ist und man keine Zustimmung bekommen hat. Na, dann muß man im Frühjahr wählen. Oder man versucht vorher in Gesprächen zu klären, ob für das Budget bindende Zustimmungserklärungen zu bekommen sind. Wenn das nicht der Fall ist, na, dann eben Wahlen.

FURCHE: Sie sind also, wenn wir richtig verstanden haben, was eine Budgetübereinstimmung betrifft, pessimistisch.

BENYA: Nach den bisherigen Aussagen ist wenig Grund für eine optimistische Haltung vorhanden. Aber das kann auch eine Taktik sein, daß man sich eben hart gibt, aber in Wirklichkeit halt doch bereit ist für ein Budget, das für alle Bevölkerungsgruppen eben Entsprechendes bietet.

FURCHE: Alle diese Überlegungen schließen doch die ÖVP mit ein. Wie beurteilen Sie die ÖVP und ihren neuen Obmann Schleimer? Sind Sie ein Anti-Schleinzer?

BENYA: Ich bin vom Wesen her nicht leicht in eine Antistellung zu

Personen oder Gruppen zu bringen. Wir haben uns mit jedem Funktionär abzufinden, denn es ist Sache jener Partei, ob jemand nominiert wird. Schleinzer war immerhin jahrelang Minister. Zu einer Antistellung wäre gar kein Grund vorhanden.

FURCHE: Halten Sie die ÖVP für wieder konsolidiert?

BENYA: Noch nicht ganz.

FURCHE: Glauben Sie, daß das in nächster Zeit geschieht? Daß die ÖVP wieder zu einem politischen Faktor werden kann, was etwa Bundeskanzler Kreisky verneint hat.

BENYA: Ein politischer Faktor ist die ÖVP ja ohnehin, weil sie im Parlament mit 78 Mandaten vertreten ist. Es ist nur die Frage, ob die innere Festigkeit schon vorhanden ist, daß eben die Spitzenfunktionäre, wenn sie eine Abmachung treffen, auch die Zustimmung im Gesamtbereich der Partei bekommen.

FURCHE: Sie halten also die ÖVP wieder für koalitionswürdig?

BENYA: Meiner Auffassung nach sind beide Parteien koalitionsfähig und -würdig.

FURCHE: In der innenpolitischen Situation der nächsten Monate, wenn wir Neuwahlen implizieren, egal ob sie jetzt im Herbst oder Frühjahr stattfinden, kommt dem ÖGB eine Schlüsselrolle zu. Sie haben sich wiederholt für eine große Koalition ausgesprochen. Kreisky ist eher gegen eine große Koalition. Erlaubt der ÖGB, die Frage ist bewußt provokant gestellt, ein entsprechendes Wahlergebnis vorausgesetzt, eine kleine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ?

BENYA: De? ÖGB, der unabhängig vom Staat und der Regierung zu agieren hat, wird sich mit jeder Koalition abflnden. Von der gewerkschaftlichen Seite her wird es keine Einwände geben.

FURCHE: Und was sagt der SPÖ- Abgeordnete Franz Benya dazu?

BENYA: Ich möchte sagen, daß ein Wahlergebnis anzuerkennen , ist. Also wenn sich bei einem Wahlergebnis eine entsprechende Stärke der beiden derzeit sich in Opposition befindlichen Parteien herausstellt und diese beiden Oppositionsparteien eben dann eine Koalition gegen eine als Einzelpartei stärkste Partei zustande bringen, dann kann auch der politische Gegner dagegen nicht ankämpfen.

FURCHE: Sie, Herr Präsident, haben sich oft gegen eine Koalition der Verlierer ausgesprochen. Sie haben für den Fall einer Koalition zwischen ÖVP und FPÖ erklärt, daß es vielleicht zu sozialen Unruhen kommen könnte. Welche Ereignisse könnten nun einen solchen Unfrieden aus- lösen?

BENYA: Ich möchte das einmal klarstellen: Ich habe gesagt, wenn man ohne Neuwahlen jetzt eine kleine Koalition machen würde, wobei die große Partei, die 81 von 165 Mandaten hat, ausgeschaltet wird, daß das in den Betrieben zu Unruhen führen könnte. Aber die Betonung liegt auf „ohne Neuwahlen“.

FURCHE: Halten Sie die FPÖ für eine staatstragende Partei?

BENYA: Die FPÖ, die im Parlament vertreten ist, ist eine Partei. Staatstragend kann sie mit sechs Mandaten nicht sein. Aber sie kann mithelfen, den Staat zu tragen.

FURCHE: Momentan hat sie aber großes Gewicht.

BENYA: Weil sie als Zünglein an der Waage für beide Parteien in die Waagschale geworfen werden kann.

FURCHE: Ihre Erklärung gegen irgendeine Koalition mit der FPÖ gilt also nicht mehr.

BENYA: Jetzt gilt sie nicht mehr. Denn wenn eine Wahl eiin Resultat bringt, dann wird man eben versuchen, das eigene Gewicht in die Waagschale zu werfen. Ich spreche da aber als Partei, nicht als Gewerkschafter, damit da kein Irrtum entsteht.

FURCHE: Noch einmal: Sie haben wiederholt erklärt, Anhänger einer großen Koalition zu sein. Bundeskanzler Kreisky hat allerdings, und das ist bis heute nicht widerrufen, gegen eine große Koalition Stellung genommen. Sehen Sie eine Konfrontation Benya—Kreisky?

BENYA: Sehe ich nicht, denn als Gewerkschafter werden wir den Weg gehen, den wir aus wirtschaftlichen Überlegungen als den richtigen halten.

FURCHE: Und wie denkt der SPÖ- Abgeordnete Benya darüber?

BENYA: In der Frage einer kleinen oder großen Koalition möchte ich sagen, daß ich bei meiner Auffassung bleibe: Wenn wir große Probleme in Angriff nehmen wollen, und das müssen wir, dann müssen wir das schon mit einer entsprechenden Mehrheit untermauern. Es gibt da Dinge auf der wirtschaftlichen Ebene, wo wir die Zusammenarbeit der großen Wirtschaftsgruppen, die eben noch in der ÖVP beheimatet sind, gewinnen müssen.

FURCHE: Glauben Sie, daß irgendein Block aus der ÖVP herausgebrochen werden kann?

BENYA: Das glaube ich nicht. Die Parteien sind in sich sehr, sehr gefestigt. Große Gruppen herauszuholen, ist in Österreich nicht drinnen.

FURCHE: Sie sind also nicht Doktor Kreiskys Meinung, daß man mit Budgetzuckerln vielleicht die Bauern herausbrechen kann?

BENYA: Ich glaube auch nicht, daß Herr Bundeskanzler Kreisky meint, die Bauern herausbrechen zu können, sondern wenn für die Bauern im Budget etwas drinnen ist, dann kann es natürlich sein, daß es zu freien Abstimmungen kommt, und dann wird eben von einem Teil für diese Frage gestimmt — das ist ja offen.

FURCHE: Das Wahlergebnis vom März hat natürlich auch eventuelle Spekulationen auf mehr Bauemstimmen durchaus ermutigt. Wenn man die Multivariatenanalyse ins Gedächtnis ruft…

BENYA: Bitte, das sind Spekulationen. Persönlich glaube ich, daß die Wähler in Österreich verhältnismäßig stark gebunden sind. Die Beweglichkeit ist, obwohl man sie analysiert hat und sie als bedeutend bezeichnet, meiner Auffassung nach doch nicht so stark, daß es große Gruppen gäbe, die geschlossen einen Wechsel vollziehen.

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