6767859-1968_42_04.jpg
Digital In Arbeit

NR Benya: Initiative aus den Betrieben

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Was veranlaßt den Gewerkschaftsbund zum jetzigen Zeitpunkt zu einer Initiative zur Einführung der 40-Stunden-Woche?

BENYA: Die Frage der 40-Stun- den-Woche oder die Frage der Herabsetzung der Arbeitszeit von 45 auf 40 Stunden pro Woche ist nicht neu. Es hat sich der Bundeskongreß im Jahre 1963 damit beschäftigt und die Forderung auf schrittweise Herabsetzung autfgestellt, und es hat sich der Bundeskongreß im Jahre 1967 neuerlich mit dieser Frage beschäftigt und den Beschluß wieder bestätigt. Wenn wir nun im Jahr 1968 diese Forderung neuerlich an die Öffentlichkeit herantragen, dann deshalb, weil wir nun in der neuen Konjunkturwelle, die begonnen hat, eine Chance sehen, die Verkürzung in Etappen durchzuführen.

FURCHE: Der Zeitpunkt wurde also deshalb gewählt, weil Sie der Ansicht sind, daß eine neue Konjunkturwelle anläuft.

BENYA: Es ist schon bestätigt, daß eine neue Konjunkturelle im Anlaufen ist, und Wir glauben, daß damit verbunden es möglich ist, die Arbeitszeit zu verkürzen.

FURCHE: Sie wissen ja, daß von der Bundeswirtschaftskammer sehr massive Einwände gegen eine solche Verkürzung erhoben wurden. Man kann von einer eindeutigen Ablehnung von seiten der Kammer und der Industriellenvereinigung sprechen.

BENYA: Diese beiden Institutionen haben sich wohl * gegen die Durchführung der Herabsetzung im gegenwärtigen Zeitpunkt ausgesprochen, ich habe aber das Gefühl, daß man bei dem Hinweis auf eine entsprechende technische Entwicklung darüber verhandeln kann. Es bleibt nur eine Frage zu klären: Wann ist der Zeitpunkt für die Industrie gegeben und wann glauben wir, daß der Zeitpunkt für die Herabsetzung richtig ist? Wir sind der Auffassung, daß jetzt der richtige Zeitpunkt gegeben ist. Ich will hoffen, daß darüber möglichst bald Gespräche stattfinden oder daß die österreichische Bundesregierung, im speziellen Fall die Frau Sozialminister, einen Gesetzentwurf einbringt, der die reichsdeutsche Arbeitszeitordnung außer Kraft setzt und ein modernes Arbeitszeitgesetz mit der schrittweisen Herabsetzung der Arbeitszeit auf 40 Stunden dem Parlament vorlegt.

FURCHE: Wie lange wird es nach Ihrer Meinung dauern, bis es tatsächlich zu einer entsprechenden Änderung kommen könnte?

BENYA: Wenn die Bundesregierung bereit ist, ein solches Gesetz dem Nationalrat vorzulegen, könnte ein solches Gesetz noch in der Herbstsession des Nationalrats beschlossen werden. Vorschläge und Entwürfe gibt es, weil das Sozialministerium schon seinerzeit entsprechende Entwürfe ausgearbeitet hat, sie wurden nur nicht behandelt. Es gibt einen Initiativantrag der Sozialistischen Partei, der im Juni 1966 eingebracht wurde, der ebenfalls sehr konkrete Vorschläge für die Herabsetzung beinhaltet.

FURCHE: Sie glauben nicht, daß, wie es von Präsident Sallinger vertreten wurde, eine solche Herabsetzung eine anlaufende Konjunkiur- welle sofort wieder bremsen würde?

BENYA: Wir hatten 1959, als wir die Arbeitszeit auf einmal um drei Stunden verkürzt haben, keinen Produktionsausfall. Wir hatten im Jahre 1959 gegenüber 1958 trotz Arbeitszeitverkürzung eine Produktionssteigerung von etwa sechs Prozent und wir hatten 1960 gegenüber 1959 sieben Prozent Produktivitätssteigerung. Es wird daher auch jetzt, wenn wir die Arbeitszeitverkürzung in kleineren Etappen durchführen, kein Produktionsausfall in einem Zeitraum von einem Jahr zu verzeichnen sein. Ich gebe zu, daß man einige Wochen lang in den verschiedenen Gruppen und Branchen eine geringere Produktion vorfinden wird. In kürzester Zeit wird aber die gleiche Höhe erreicht sein, und ach glaube, wenn man die Leute nur für kürzere Zeit zu einer Hochleistung einsetzt, daß eine größere Produktion möglich ist.

FURCHE: Ist die Arbeitszeit ln Österreich, verglichen mit anderen Ländern, nicht ohnehin sehr kurz?

BENYA: Wenn wir die Netto- jahresafbeitszeit nehmen, liegen wir bei den westlichen Ländern etwa in der Mitte. In der Bundesrepublik Deutschland haben die Metallindustrie und auch diie chemische Industrie die 40-Stunden-Woche; die Schweizer, die in diesen Fragen sicher nicht weit vorne stehen, haben eine Arbeitszeit, die zwischen 42 und 44 Stunden liegt. Ich bin überzeugt, daß eine Arbeitszeitverkürzung auch in Österreich zu verkraften ist.

FURCHE: Folgt diese Initiative Wünschen, die aus der Arbeitneh- merschaft vorgetragen wurden, oder waren hier auch andere Gründe maßgebend?

BENYA: Die Initiative kommt aus den Betrieben, und wir haben in den vergangenen Monaten gesehen und spüren es heute noch, daß man versucht, nachdem auf der Vertragsebene keine Verkürzungen zustande kommen, in den einzelnen Betrieben die Arbeitszeit um eine Stunde oder mehr zu verkürzen. Es gibt einige Abschlüsse.des Betriebseigene, in welchen das schon durchgeführt wurde: Die Befürchtung, daß wir nicht konkurrenzfähig sein werden, möchte ich auch ablehnen, well wir einen Betrieb haben, der schon mehr als zehn Jahre nur 40 Stunden arbeitet und international nach wie vor konkurrenzfähig ist.

FURCHE: Der Zeitpunkt wurde nicht im Hinblick auf die nächsten Wahlen gewählt, um auf diese Weise 1970 einen Wahlschlager zu besitzen?

BENYA: Diese Forderung ist nicht die Forderung einer politischen Gruppe, sondern beim Bundeskongreß wurde die Arbeitszeitverkürzung im Jahre 1963, als es eine Koalition gab, einstimmig beschlossen, und säe wurde 1967 einstimmig beschlossen, obwohl es nur noch eine Einparteienregierung gibt. Wir haben bei unserer letzten Bundesvorstandssitzung im September wieder mit den Stimmen der sozialistischen und christlichen Fraktion die Forderung der verkürzten Arbeitszeit beschlossen. Es ist dies keine politische Forderung, sondern eine Forderung, die wir als Gewerkschafter eben vortragen. Wir werden und haben uns auf Grund unseres letzten Beschlusses mit dieser Forderung an die politischen Parteien gewendet und werden sehen, welche Partei unsere Forderung unterstützt. Das ist die Aufgabe einer überparteilichen Gewerkschaft, daß sie sich an alle politischen Gruppen wendet und versucht, sie für ihre Wünsche zu gewinnen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung