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Digital In Arbeit

Das nordische Beispiel

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Wenn es in Mitteleuropa keine Beispiele für sozialistische erfolgreiche Wirtschaftspolitik gab und gibt, dann greift der sozialistische Sonntagsredner ebenso wie der Wirtschaftsfachmann in nördlichere Gefilde, nach Schweden.

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Wenn es in Mitteleuropa keine Beispiele für sozialistische erfolgreiche Wirtschaftspolitik gab und gibt, dann greift der sozialistische Sonntagsredner ebenso wie der Wirtschaftsfachmann in nördlichere Gefilde, nach Schweden.

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Zwar hat auch in Schweden ein staatlicher Sachverständigenausschuß den Sprung von der 42,5-Stun-den-Woche zur 40 Stunden währenden Arbeitszeit vorgeschlagen, aber man geht dort recht vorsichtig an dieses Problem heran. So sollen

• die Arbeitszeit in drei Etappen von jeweils 50 Minuten pro Jahr an das Wunschziel herangeführt werden.

• Das neue Gesetz sieht außerdem vor, daß die Sozialpartner die Verkürzung zu einem anderen Zeitpunkt und auf eine andere Weise durchführen können.

• Und außerdem will man einige Feiertage auf Samstage verlegen und damit zusätzliche Stunden pro Jahr für die Arbeit gewinnen.

Die Industrie ist in Schweden ebenso wie die übrigen Arbeitgeber zu dieser Reform bereit, aber wie bei der letzten Arbeitszeitverkürzung soll der Arbeitnehmer auch diesmal entscheiden können zwischen kürzerer Arbeitszeit oder höherem Lohn. Gerade diese Tatsache dürfte den österreichischen Sozialisten en Blick nach dem Norden so schwer gemacht haben. Der schwedische Arbeitnehmer ist natürlich daran interessiert, daß die Kürzungs-periode auf relativ lange Zeit verteilt wird, um die steigende Produktivität nicht in Gefahr zu bringen.

In dieselbe Kerbe, angeregt durch das schwedische Beispiel, hat nunmehr in der vergangenen Woche auch die Bundeskammer geschlagen. Es gebe grundsätzlich nur die Wahlmöglichkeit zwischen höherem Entgelt bei höherer Leistung und damit verbundener Produktivitätssteigerung oder Abgeltung in Form von verlängerter Freizeit.

Der Unterschied — so meint man — liege eben dann darin, daß im ersten Fall die Leistungen tatsächlich erbracht werden und die Entgelte tatsächlich geleistet werden, im zweiten Fall jedoch nicht. Das heißt, man hätte zwar mehr Freizeit, müsse aber, wenn man das zweitere wähit, auf jeden Fall eine Wachstumsminderung in Kauf nehmen. Damit geht die Bundeskammer von der Beiratsstudie zur 40-Stunden-Woche ab, die erklärt hatte, die Wachstumsminderung würde nicht oder nur sehr gering eintreten. Gerade dieser Punkt der Beiratsstudie, die zeigen sollte, daß man in Österreich ohne Verluste an wirtschaftlichem Potential die 40-Stunden-Woche einführen könnte, hat übrigens auch in weiten Kreisen von Wirtschaftstreibenden nicht geringe Zweifel ausgelöst. Denn das Argument, bei einer Arbeitszeitverkürzung würde die in der Zeiteinheit erbrachte Leistung steigen, und durch den Druck auf die Unternehmer würden die betrieblichen Rationalisierungsmöglichkei-ten und die dafür notwendigen Investitionen steigen beziehungsweise schneller genützt werden, wird von der Unternehmerseite angezweifelt. Denn bisher sind diese anderen Mehrleistungen bei keiner Arbeitszeitverkürzung kompensierend in Erscheinung getreten. Die Praxis lehrt vielmehr, daß bei der letzten Arbeitszeitverkürzung mit dem Generalkollektivvertrag von 1959 von 48 auf 45 Stunden die Anspannung auf dem Arbeitsmairkt keineswegs durch eine Leistungssteigerung gemildert oder gar ausgeglichen werden konnte. Vielmehr hat sich der Arbeitskräftemangel gerade im Anfang der sechziger Jahre bis zum heutigen Zeitpunkt im Zusammenhang mit dem ständigen Lohnauftrieb für die Arbeitgeber als starke Form eines Kostendruckes ausgewirkt. Die Konsequenzen daraus hatte aber gerade wieder der Konsument zu tragen, weil für ihn alles teurer wurde.

Was man in Schweden klar vorausgesehen hatte, nämlich daß stärkere Investitionen notwendig seien, um eine derzeitige Kürzung der wöchentlichen Arbeitszeit als permanent richtig erscheinen zu lassen, das trat bei der eher dnvestitionsmüden Wirtschaft in Österreich zumindest bei der letzten Arbeitszeitverkürzung 1959 nicht zutage. Der Investitionsstoß im Gefolge der Arbeitszeitverkürzung blieb aus. Dieselben Erfahrungen mußten aber auch andere europäische Länder machen. Auch hier erwies sich die Hoffnung auf den ausgleichenden Investitionsstoß als verfehlt. So meint man also in der Bundeskammer dazu: „Gerade angesichts der schwachen Eigenkapitalbasis und der noch stark ausbauwürdigen Fremd-finanzierungsmöglichkeiten der österreichischen Unternehmen kann eine durch Arbeitszeitverkürzung ausgelöste Produktionsminderung kaum durch einen vermehrten Einsatz von Kapital kompensiert werden.“

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