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Digital In Arbeit

Nur bitter ist die Krisenmedizin

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Das grafische Gewerbe und die Zuckerindustrie sind Vorreiter der Arbeitszeitverkürzung in Österreich. Die FURCHE fragte Firmenchefs und Belegschaft nach ihren Erfahrungen.

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Das grafische Gewerbe und die Zuckerindustrie sind Vorreiter der Arbeitszeitverkürzung in Österreich. Die FURCHE fragte Firmenchefs und Belegschaft nach ihren Erfahrungen.

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„Bis jetzt hat unserem Betrieb die Arbeitszeitverkürzung kaum etwas gebracht. Außer, daß die Belegschaft mehr Uberstunden macht als früher und die Kosten für die 38-Stunden-Woche kräftig an der Substanz des Betriebes zehren. Denn Preiserhöhungen aufgrund von weniger Wochenstunden akzeptieren die Kunden einfach nicht.“

Das sagt Peter Berger von der Druckerei Ferdinand Berger & Söhne GmbH in Horn im nördlichen Niederösterreich, als ihn die FURCHE nach den Erfahrungen mit der 38-Stunden-Woche befragte.

Die Firma beschäftigt 200 Mitarbeiter. Für 85 Prozent gelten seit 1. April 1985 die Neuregelungen einer kürzeren Arbeitszeit für das grafische Gewerbe. Das heißt: zwei Wochenstunden weniger Arbeit, aber auch weniger Lohn. Der Wochenlohn für einen grafischen Facharbeiter, der „nur“ mehr 38 Stunden arbeitet, beträgt derzeit 3.339,- Schilling brutto. Bei seinen Kollegen in Betrieben, die weniger als 20 Arbeitnehmer haben und es sich nach geltender Regelung aussuchen konnten, ob 40 oder 38 Stunden pro Woche gearbeitet werden soll, macht der Wochenlohn 3.424,— Schilling brutto aus.

Die Druckerei Berger produziert Endlosformulare für EDV-Anlagen bzw. druckt Bücher und Zeitschriften. Die Auslastung ist durch den Konjunkturaufschwung der letzten drei Monate gut. Warum dann Uberstunden für die Arbeiter, anstatt neue Mitarbeiter einzustellen? Die lapidare Antwort des Firmenchefs: „Es ist sehr schwierig geworden, gelernte Facharbeiter zu finden. Im Moment ist es büliger, Uberstunden zu machen, als einen neuen Mann einzustellen, falls man überhaupt einen findet.“

Und was sagt die Belegschaft? Edgar Führer, Betriebsratsobmann bei der Firma Berger und Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Druck und Papier, gibt sich vorsichtig optimistisch: „In einer Urabstimmung hat sich der Großteil der Mitarbeiter für die Variante entschieden, am Freitag zwei Stunden weniger zu arbeiten. Vor allem die Frauen sahen diese Lösung positiv, weil sie verbunden war mit der Aussicht auf ein längeres Wochenende, mehr Zeit für die Familie... Viele klagen aber schon über die innerbetriebliche Hektik, speziell am Freitag. Die Druckereien müssen sich bekanntlich an fixe Termine halten, und da macht sich der Streß schon bemerkbar.“

Als arbeitsplatzsicherndes Instrument habe die Verkürzung der Arbeitszeit aber auf jeden Fall gegriffen. Gerade beim grafischen Gewerbe sei noch mit weiteren Rationalisierungsmaßnahmen durch die technische Entwicklung zu rechnen.

Also Arbeitszeitverkürzung bestenfalls als Maßnahme zur Erhaltung von Arbeitsplätzen, aber kein Instrument, um neue zu schaffen? Franz Murmann, Zentralsekretär der Gewerkschaft Druck und Papier (24.000 Mitglieder), gibt es unumwunden zu: Längst schon sei die Beschäftigungseuphorie verblaßt. Jetzt ist die ganze Verkürzung mehr eine defensive Strategie, „wo hie und da vielleicht ein Arbeitsplatz anfallen kann“.

Wie ist es aber dann erklärlich, daß beispielsweise beim Arbeitsamt Grafik und Papier derzeit 350 Leute als arbeitslos gemeldet und 130 offene Stellen angeboten sind? Sind die Klagen der Unternehmer, im grafischen Gewerbe gebe es zuwenig Arbeitskräfte, nicht übertrieben?

Das ist von Wien bis Vorarlberg das gleiche Problem, bekräftigt Franz Murmann. Früher konnte man innerhalb der Branche beliebig wechseln. Heute bei den neuen Methoden, den neuen Anlagen usw. sei alles viel schwieriger für Arbeitsplatzsuchende geworden. Und einige lassen sich dann auch wirklich „schwer vermitteln“.

Trotzdem sei die Gewerkschaft Druck und Papier eins mit den Wünschen des Sozialministers

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