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Kumpel an der Werkbank

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Wenige Tage nachdem die Kündigung von tausend Personen bekanntgegeben worden war, trat der Schmalfilmgeräte-Hersteller Eumig (Wiener Neudorf) an die Öffentlichkeit und präsentierte das neue Werk Fohnsdorf an einem „Tag der offenen Tür“. Fazit: Das Experiment, Bergarbeiter in kurzer Zeit zu Werkzeugmachern umzuschulen, kann als gelungen bezeichnet werden. Das zeig-

Eumig KG (1977)

Geschäftszweige: Herstellung von Schmalfilmgeräteh und Hi-Fi-Kassettengeräten

Besitzverhältnisse: In den Händen der Gründerfamilien Vockenhuber und Hauser

Beschäftigte: über 6.000, davon zwei Drittel Frauen

Umsatz: ca. 1,5 Mrd. S

Gesellschaftskapital, Gewinn: Keine Angaben.

ten nicht nur positive Äußerungen von Bundeskanzler Kreisky oder dem Obmann der Angestelltengewerkschaft, Daliinger, auf dem Rundgang durch die neuen Anlagen am vergangenen Freitag, sondern auch die Stellungnahmen der ehemaligen Kumpel selbst: „Wennst einmal 33 Jahr' im Berg bist, bleibst lieber dort“, meint ein Eumig-Mann, dem man die Jahre unter Tag kaum ansieht.

Als angenehm vermerken die Bergleute, deren Grube schon seit Beginn der sechziger Jahre zur Schließung anstand, den Umstand, daß man ihnen hier „Zeit läßt zum Einlernen“. Die Fabrik arbeitet mit ihren derzeit rund 300 Mann auch noch nicht auf vollen Touren, der Startschuß für die Akkordarbeit soll später erst fallen.

Allerdings ist die vorher notwendige Umschulung in eigenen Lehrwerkstätten, die sich das Sozialministerium 120 Millionen Schilling an Errichtungsaufwand und 32 Millionen für die Umschulungsmaßnahmen selbst kosten ließ, um so schneller abgespult worden: Knapp eineinhalb Jahre hatten die Bergleute Zeit, die normalerweise vierjährige Ausbildung zum Werkzeugmacher zu absolvieren.

Aber: „In 14 Monaten ist man halt noch kein fertiger Werkzeugmacher“, meint einer an der Drehbank,

„In 14 Monaten ist man halt noch kein fertiger Werkzeugmacher“

der es umso positiver vermerkt, daß die Einarbeitung in den neuen Betrieb nach der Umschulung in den Lehrwerkstätten nicht gleich mit der Stoppuhr abgewickelt wird. Immerhin gab es beim Wechsel von der Lehrwerkstätte in die Produktionshallen auch Umstellungen von vergleichsweise alten Maschinen auf ganz moderne, überwiegend numerisch gesteuerte Automaten zu bewältigen.

Ob es sich finanziell ausgezahlt habe, bei Eumig einzusteigen? „Na ja“, heißt es zumeist, von den Betrieben die den Kumpel zur Auswahl gestanden wären, sei dieser nicht nur wegen der vergleichsweisen guten Bezahlung zu bevorzugen, sondern auch, weil er nahe dem ehemaligen Arbeitsplatz hege und man nicht nach Zeltweg oder Donawitz pendeln müsse. Nicht zuletzt fühlen sich die Leute auf ihren neuen Arbeitsplätzen sicher, denn allein „die Kosten der Umschulung der ehemaligen Bergarbeiter vor Eintritt bei Eumig sind mit ca. 90 Millionen Schilling veranschlagt und werden vom Sozialministerium über die Arbeitsmarktver-

waltung getragen“ (eine Eumig-Bro-schüre über Fohnsdorf).

Das Werk hat allein an Errichtungskosten 400 Millionen verschlungen - angesichts dieser Riesenbeträge muß das Experiment mit den -Bergarbeitern einfach funktionieren, zumal der ursprünglich vielfach erhobene Einwand, Leute, die ihr Leben lang körperlich schwer gearbeitet hätten, könne man nun nicht zu Fabriksarbeitern machen, von den Kumpel selbst wiederlegt worden ist. „Uns kündigen? das können die sich gar nicht leisten!“ formuliert einer laut, was viele denken.

Die Kündigungen in den zwei größten der insgesamt fünf Eumig-Wer-ken, Wiener Neudorf und Fürsten-

„Uns kündigen? Das können die sich gar nicht leisten!“

feld, stellen unter den Mitarbeitern gegenwärtig das Gesprächsthema Nummer eins dar. Bisher sind 130 Leute bereits ausgeschieden, der letzte der insgesamt 1040 zu Kündigenden soll Mitte Februar 1979 das Unternehmen verlassen. Bei knapp 50 Personen geht es lediglich um die NichtVerlängerung der dreimonatigen Probe-Dienstverträge.

Was einige Gewerkschafter der Firma übel anrechnen, ist die Tasa-che, daß seit Jahresbeginn ebenso-viele Leute aufgenommen worden sind, wie jetzt abgehaut werden sollen. Dazu kontert Eumig: Dann könnte man nur noch vollkommen risikolose Geschäfte abschließen. An Exporte wäre nicht mehr zu denken, weil man ja nicht weiß, wie der Dollar bis zum Versand der ersten Lieferung stehen wird. ^Neue Entwicklungen wie das Sofortfilmsystem Polavision, dessen Geräte Eumig für Polaroid erzeugt (dessen schlechter Verkauf ist der Hauptgrund für die Kündigungen) dürften überhaupt nicht mehr in Angriff genommen werden.

Eumig arbeitet schon seit Mitte der fünfziger Jahre nur 40 Stunden in der Woche, es gibt ausschließlich Angestellte in dem Unternehmen (in beiden Fällen mußten sogar Widerstände der Gewerkschaft überwunden werden) und seit 1951 gibt es grundsätzüch keinen Frauenlohn mehr, der ja immer geringer ist.

Fast 4000 Bankfilialen

Die Versorgung Österreichs mit Filialen von Kreditinstituten wurde im vergangenen Jahr schlagartig intensiviert, da das Finanzministerium seit 1977 sehr freizügig in der Zulassung von Neubauten ist. War das österreichische Geld-Institutennetz 1973 noch um 133 Stützpunkte erweitert worden, brachte die Expansion des Jahres 1974 nur noch 72 neue Filialen. In den nächsten beiden Jahren vermehrten sich die Filialen um 34 bzw. 21.1977 erfolgte der große Sprung auf 211 neue Zweigstellen. Anfang 1978 standen 3965 Geschäftsstellen von Banken und Sparkassen sowie anderen Instituten zur Verfügung.

Industrie: Schlechte Aussichten

Erste Anzeichen einer Konjunkturbelebung in Österreich könnten noch keinen echten Aufschwung signalisieren, heißt es in der Industrie. Ihre im Vergleich zu manchen Wirtschaftsforschern eher pessimistische Einstellung begründet die Industriellenvereinigung mit der Tatsache, daß die Erwartungen der österreichischen Industrie für die nächsten drei bis vier Monate deutlich schlechter seien als bei vergleichbaren Unternehmungen im Ausland.

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