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“Rüstungsexporte sind keine Lösung“

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Die Privatisierung ist für die SPÖ eine Notlösung, sagte Ewald Nowotny (FURCHE 27/1987). Solche Äußerungen sind eine Doppelstrategie, kontert der WB-Generalsekretär.

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Die Privatisierung ist für die SPÖ eine Notlösung, sagte Ewald Nowotny (FURCHE 27/1987). Solche Äußerungen sind eine Doppelstrategie, kontert der WB-Generalsekretär.

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FURCHE: Staatssekretär Johannes Ditz meinte kürzlich, alle ideologischen Differenzen zwischen den Koalitionspartnern in Sachen Privatisierung seien beseitigt. Finanzminister Ferdinand Lacina sprach gleich darauf von einem erfolgreich abgewehrten „Privatisierungsanschlag“ der ÖVP. Sind das alles nur taktische Maßnahmen, um die Basis zu beruhigen?

WOLFGANG SCHUSSEL: Ich glaube, daß man hier in einem hohen Maß die Innen- und die Außenwirkungen von Äußerungen trennen muß. Viele Erklärungen, die jetzt von sozialistischen Vertretern abgegeben werden, sind nur nach innen bestimmt. Wenn Finanzminister Lacina meint, man hätte „einen Anschlag“ abgewehrt, so ist das nicht mehr als eine Beruhigungsdroge für die Parteibasis, die offensichtlich Probleme hat mit dem, was die Koalition beschlossen hat. Dabei wurde der Verkauf von Staatseigentum nicht aus ideologischer Rechthaberei beschlossen, sondern aus einer bitteren Notwendigkeit. Und dieser Schritt stand doch ideologisch außer Streit, denn sonst wäre es nicht möglich gewesen, daß wir am 2. Juli 1987 einen wirklich historischen Schritt gemeinsam gesetzt haben. Die Regierung wird sich überlegen müssen, ob so eine Doppelstrategie sinnvoll ist, die die Din-

ge verschleiert oder beschönigt Ich halte das für sehr ungeschickt.

FURCHE: Hat es bei der Diskussion um die neue Elektrolyse auch so eine Doppelsprache gegeben? Man wußte zwar, daß das Projekt nicht zustande kommt, hat aber anders geredet.

SCHUSSEL: Minister Rudolf Streicher war sicherlich davon überzeugt, daß die neue Elektrolyse kommen muß, und wahrscheinlich auch Franz Vranitzky. Ich glaube nicht an ein abgekartetes Spiel.

FURCHE: Spricht aus Ihrer Sicht überhaupt nichts mehr für eine verstaatlichte Industrie?

SCHUSSEL: Natürlich leidet die SPÖ daran, daß hier ein Tabu gebrochen wurde. Aber es gibt einfach keine ökonomischen Gründe mehr für die Aufrechterhaltung einer Phüosophie des Staatseigentums. Selbst die Ma-

nager in den Staatsbetrieben - und die meisten sind ja sozialistische Manager —, selbst die sprechen ganz offen davon, daß ihre Betriebe sich bei Konkurrenzdruck und im Wettbewerb bewähren müssen, und daß sie auch möglichst effizient und kostenminimierend arbeiten müssen.

FURCHE: Und ideologisch?

SCHUSSEL: Es gibt auch kein ideologisches Argument für die Aufrechterhaltung von Staatsbesitz. Er kann kein soziales Schaufenster mehr sein, denn besondere Erträge sind nicht mehr erwirtschaftbar. Es gibt auch keine Führerschaft im ökologischen Bereich, im Gegenteil, wir haben dort die größten Verschmutzungspotentiale. Und auch beim Beteiligungs- oder Mitbestimmungsmodell gibt es keine Argumente mehr. Sämtliche Sonderre

gelungen etwa in der Mitbestimmungsfrage sind jetzt stillschweigend beseitigt worden, und heute gilt das Arbeitsverfassungsgesetz für alle Betriebe gleich.

FURCHE: Wer dann trotzdem noch für Staatseigentum plädiert, tut dies nur mehr aus Gründen der Machtpolitik?

SCHUSSEL: In Sachbereichen haben wir im Parlament immer relativ vernünftige Lösungen zustande gebracht, während es die härtesten Konflikte im Machtbereich gegeben hat. Wenn man zum Beispiel hernimmt, was sich bei der Bestellung des ATW-Gene- raldirektors abgespielt hat, so ist das unverständlich. Und daß in der ÖIAG der letzte ÖVP-Vor- stand entfernt wurde, ist auch bemerkenswert. Man sieht, im Machtbereich spießt es sich tatsächlich.

FURCHE :lnlhren eigenen Rei

hen gibt es keine Gegner der Privatisierung?

SCHUSSEL: Hoffentlich bin ich nicht zu unkritisch, aber in unseren Reihen gibt es eine bemerkenswert einheitliche Linie. Vor zwei Jahren, das muß ich aber dazu sagen, habe ich schon noch wesentlich größere Schwierigkeiten in der eigenen Partei gehabt als jetzt.

FURCHE: Verschiedene Äußerungen von Politikern lassen vermuten, daß es auch der ÖVP eher um die Budgetsanierung als um Zurückdrängung des Staates geht.

SCHUSSEL:Das stimmt nicht und unterscheidet uns sicherlich von der SPÖ. Grundsätzlich tritt die ÖVP im Zweifelsfall für mehr Privateigentum ein, aber die SPÖ würde diese These nicht unterstreichen …

FURCHE: … für Ewald Nowotny (FURCHE 27/1987) ist Privatisierung eindeutig eine Notlösung …

SCHUSSEL: … für die Sozialisten ist sie eindeutig eine Geldbeschaffungsaktion …

FURCHE: Was heißt „die Sozialisten“?

SCHUSSEL: Na, wahrschein-

lieh für alle, die an diesem ideologischen Trauma leiden. Für uns hingegen hat die Aktion zwei Elemente. Das grundsätzlich wünschenswerte Ziel und die pragmatische Durchführung, die Geld bringt.

FURCHE: Jetzt sagt man, man will über die kürzlich beschlossenen Finanzierung serf or demisse nicht hinausgehen. Die Situation hat sich aber drastisch verschärft, und es zeichnet sich eine Radikalisierung der Belegschaft ab.

SCHUSSEL: Das ist genau das Problem der Tagespolitik, daß man versucht hat, nach innen anders zu reden als nach außen. Man sollte endlich ehrlich mit den Leuten reden und ihnen sagen, daß es nicht mehr möglich ist, durch politische Willenserklärungen Arbeitsplätze, Standorte und so weiter zu garantieren. Jetzt müssen die Unternehmen selbst handeln.

FURCHE: Gehört dazu auch die Vorstellung, die Verstaatlichte könnte durch Rüstungsexporte mitsaniert werden?

SCHUSSEL: Davor kann ich nur warnen. Und zwar schon aus ökonomischen Gründen. Ich kann

mir so etwas nur schwer vorstel-- len, denn der Rüstungsexport ist einer der härtestumkämpften Märkte der Welt. Da kann Österreich auf Sicht gesehen und noch dazu als neutrales Land nur Schiffbruch erleiden. Um den Eigenbedarf des Bundesheeres abdecken zu können, wird man sicherlich einiges produzieren können. Dazu muß aber das Heer diese Produkte auch brauchen und nicht gezwungen werden, sie zu kaufen. Aber die Vorstellung, daß die Rettung der Verstaatlichten im Rüstungsexport liegt, wird mit einem Fiasko enden, das hat man bei den Panzergeschäften von Steyr schon gesehen.

FURCHE: Zurück zur Privatisierung. Wie sehen Sie im Zuge der Privatisierung die Unterbringungschancen für einen derart hohen Betrag wie etwa die ÖMV- Aktien?

SCHUSSEL: Ich sehe da überhaupt keine Probleme. Ich glaube nicht, daß der Kapitalmarkt eine Beengung der Emmissionen darstellt. Wir haben 1600 Milliarden gespartes Kapital, und wenn es gelänge, davon einen Bruchteil in Aktienkäufe umzulenken, wäre viel gewonnen. Natürlich schafft erst das Angebot die Nachfrage, auch bei den Genußscheinen wurde ein großer Anteil relativ schnell verkauft. Daher sehe ich keine Probleme, wenn man es geschickt angeht.

FURCHE: Wird hier in Österreich der Gang an die Börse professionell vorbereitet? Sind wir nicht eher ein wenig hinten?

SCHUSSEL: Es gibt die drei konkreten Privatisierungsaktionen Creditanstalt und Länderbank sowie die ÖMV. Bei der Länderbank wird es kaum Probleme geben, bei der CA ist Steyr ein Fragezeichen. Bei der ÖMV ist die Emmission Neuland, weil es hier noch keine Kurse gibt, und die Bewertung der Anteile ist auch noch offen. Wie der-Ausgabekurs sein wird, ist auch noch nicht erkennbar. Es wird noch heftig über alles diskutiert.

FURCHE: Auch von einer Werbekampagne merkt man herzlich wenig.

SCHUSSEL: Da muß auch noch einiges geschehen. Den Österreichern muß man sicherlich noch die Distanz zu dieser anderen, völlig fremden Anlageform der Aktien nehmen. Für diese Informationsarbeit wird man sehr viel Geld investieren müssen. 20 oder 30 Millionen Schilling, schätze ich. Weiters darf man die Emmissions- kurse nicht zu hoch ansetzen. Da riskiert man gerade am Anfang, daß die Aktien liegen bleiben, und das wäre unklug.

FURCHE: Sie plädieren also dafür, daß am Beginn der Börseeinführung sogar ein gewisses

„underpricing“ unternommen wird? Ewald Nowotny zum Beispiel warnt vor solchen Spekulationskäufen.

SCHUSSEL: Ich halte das überhaupt nicht für negativ. Natürlich darf man die Aktien nicht verschleudern, aber diese Gratwanderung muß eben sehr geschickt gemacht werden. Und vor allem muß bei der Vorbereitung auf die Bedürfnisse und Erwartungen der zukünftigen Aktionäre eiuge- gangen werden.

Mit Wolfgang Schüssel sprachen Hans Peter Halouska und Elfi Thiemer.

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