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,Weisungen von oben waren unzumutbar'

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FURCHE-Gespräch mit dem langjährigen ÖlAG-Generaldirektor Fran\Geist

Wie haben die Parteien ihren Einfluß in der VOEST und ÖIAG gesichert? Was bringt das angekündigte Ende der Parteibuchwirtschaft? Ist Privatisierung eine Lösung?

FURCHE: Im Zusammenhang mit dem VOEST-Debakel hat es durch die Entlassung der Führungsspitze personelle Konsequenzen gegeben. Ein staatliches Unternehmen setzt aber auch in Zukunft — im Gegensatz zu einem Privatbetrieb — eine kollektive Führung voraus. Daraus ergibt sich die Frage: „J£ann der Staat ein guter Unternehmer sein?"

FRANZ GEIST: Eine kollektive Führung gibt es in jedem großen Konzern. Wichtig ist die Organisationsstruktur, um so ein Riesenunternehmen wie die Verstaatlichte Industrie führen und kontrollieren zu können. Ein Führungskonzept, das von erstklassigen Leuten auch umgesetzt werden muß. Man braucht sich ja nur vergleichbare Konzerne im Ausland anzuschauen. Es gibt international gesehen zwei Modelle, ein Unternehmen solcher Größenordnung zu führen. Eines sieht einen funktionalen Vorstand vor. Die Mitglieder setzen sich zusammen aus einem Kaufmann, einem Techniker, einem für Rechtsfragen zuständigen Vorstandsmitglied etc. Diese kollektive Führung trägt auch die Gesamtverantwortung.

Nach dem anderen Modell sind neben dieser Führungsspitze auch noch die Vorstandsvorsitzenden der einzelnen Tochtergesellschaften vertreten, die die Eigenverantwortung für diese Gesellschaft, aber auch für das gesamte Unternehmen tragen.

FURCHE: Welches wäre den österreichischen Verhältnissen entsprechend?

GEIST: Die Vorstandsvorsitzenden der großen Tochtergesellschaften müssen als Vorstandsmitglieder in den Vorstand der ÖIAG geholt werden. Nur so kann eine stetige Information von oben

nach unten und umgekehrt gewährleistet sein. Das ergibt zwar Streitereien und Reibereien, aber andererseits kann es so groteske Vorfälle wie in der Vergangenheit nicht geben, daß eine Tochtergesellschaft der ÖIAG über große Investitionen und Finanzaufwendungen eigenständig entscheidet und diese erst dann dem Vorstand und Aufsichtsrat der ÖIAG zur Genehmigung vorlegt.

FURCHE: Das setzt aber ein Weisungsrecht des ÖIAG-Vor-standes voraus?

GEIST: Dieses Recht wurde immer durch politischen Einfluß verhindert. Von damals maßgeblichen Politikern wie Bruno Krei-sky oder Anton Benya, aber auch unter anderem von Josef Taus. So sollte der Einfluß der Parteien gesichert werden.

Seit Beginn meiner Tätigkeit als ÖIAG-Generaldirektor habe ich immer wieder darauf hingewiesen, daß diese Mißachtung des Weisungsrechtes negative Folgen haben wird. Immer wieder wurde jedoch argumentiert, daß Weisungen „von oben" unzumutbar seien für die Vorstände der Tochtergesellschaften. Diese Forderung von mir wurde immer „mißverstanden". Man wollte absichtlich nicht zur Kenntnis nehmen, daß nur dieses Recht Kooperation und Abstimmung langfristiger Ziele gewährleisten kann.

FURCHE: Welche Auswirkungen hatte diese Mißachtung?

GEIST: Diese Unklarheiten und

Informationsprobleme führten zu einigen Auswüchsen. So war es auch zu meiner Zeit als Generaldirektor üblich, daß Bruno Krei-sky als Bundeskanzler seine Informationen nicht von der ÖIAG-Spitze oder vom Vorstand einholte, sondern sich sozusagen außerhalb des normalen Dienstweges von Leuten wie Betriebsrat Franz Ruhaltiger oder ähnlichen berichten ließ. An diesen Mißachtungen hat sich offensichtlich nichts geändert.

Auch der Brief der Chemie Linz-Tochtergesellschaft „Merx" an Minister Ferdinand Lacina im März des vergangenen Jahres, wo die Gesellschaft ihre Geschäfte begründet, ist eine solche Vorgangsweise.

FURCHE:Hat das angekündigte Ende der Parteibuchwirtschaft eine Chance?

GEIST: Warum sollen ein Vorstandsmitglied oder ein Manager auf einmal kein Parteibuch mehr haben? Es kann doch nur darum gehen, daß in Zukunft die Lösungskapazitäten von der Politik ins Management übersiedeln und nicht, ob jemand ein Parteibuch hat oder nicht.

FURCHE: Wie bekommt man nun die guten Leute ohne Parteibücher nach Österreich, nachdem wir offensichtlich wenig Führungsleute im Land haben, die bereit sind, in der VOEST zu arbeiten?

GEIST: Ich bin sicher, daß es in der VOEST innerhalb des Betriebes gute Leute — etwa in der zweiten Führungsebene — gäbe. Aber sie bekommen keine Möglichkeit, sich zu bewähren. Entweder weil sie keine Protektion haben oder bei keiner Partei sind...

Andererseits gibt es sicherlich einige qualifizierte Auslandsösterreicher in Spitzenpositionen bei internationalen Konzernen, die Interesse haben.

FURCHE: Welche Rahmenbzw. Arbeitsbedingungen müßten sich unbedingt ändern?

GEIST: Für diese Interessenten ist das wichtigste, in welcher Hinsicht das ÖIAG-Gesetz tatsächlich reformiert wird. Wie sieht beispielsweise die Kompetenz-verteüung aus? Oder ist tatsächlich fallengelassen worden, daß der Aufsichtsrat nach Parteien besetzt wird.

FURCHE: Und der finanzielle Rahmen? Ist er ausreichend?

GEIST: Die Manager, die in Frage kommen, wissen, daß sie in

Österreich keine dem internationalen Standard entsprechenden Gehälter bekommen können. Aber Geld ist ja nicht ausschlaggebend. Meist sind es familiäre Gründe, warum Spitzenleute zurückkehren.

FURCHE: Wie sah Ihr Gehaltsschema in der Bundesrepublik aus?

GEIST: Ein Manager in der Position wie hier ÖIAG-Generaldirektor Oskar Grünwald verdient in der BRD umgerechnet 2J5 bis 3 Millionen Schilling im Jahr und erhält noch dividendenabhängige Prämien. Als Vorstandsmitglied waren das bei mir beispielsweise für die ersten sechs Prozent Dividende je umgerechnet 140.000 Schilling und für die weiteren je

70.000 Schilling. Ausgeschüttet wurden jährlich zwischen acht und zwölf Prozent.

FURCHE: Nun kommt aber bei der Verstaatlichten-Misere noch dazu, daß es gravierende regionale Interessen gibt.

GEIST: Die muß man mitberücksichtigen. Es ist klar, daß man Donawitz nicht zusperren kann, auch wenn das Werk jährlich Millionenverluste macht. Das ganze Problem liegt in den versäumten Gelegenheiten zu Umstrukturierungen, Konzepte, die es seit langem gibt, sind meist an den Landespolitikern gescheitert, die nur in Wahlperioden gedacht haben.

FURCHE: Angesichts von Budgetlöchern einerseits und denMil-liardenverlusten andererseits, die

auch irgendwie abgedeckt werden müssen, drängt sich die Frage nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten auf. Ist Privatisierung eine Lösung?

GEIST: Diese Diskussion um Privatisierung ist - auch seitens der ÖVP - bloßes Ablenkungsmanöver. Das sind Fragen, um die es in Wirklichkeit gar nicht geht. Die Strukturprobleme müssen gelöst werden. Und dann kann ein verstaatlichtes Unternehmen genauso arbeiten wie ein Privatbetrieb. Immer nur auf den fahrenden Zug aufzuspringen wie das bei der Chips-Produktion geschieht, hat keine Zukunft. Erfolgreich sich am Markt behaupten kann nicht heißen, sich am Verkauf der als Massenware immer billiger werdenden Chips zu beteiligen. Wir müssen selbst Produkte entwickeln.

FURCHE:Hält da unsere Intelligenzkapazität einem Vergleich mit dem Ausland stand?

GEIST: Nach meiner langjährigen Tätigkeit kann ich sagen, daß einerseits unsere Ausbildung besser ist als die in der Bundesrepublik. Anderseits ist die Patentprüfung für Erfindungen in Österreich eine der strengsten in Europa. Gute Ideen sind wirkliche Neuheiten und könnten genützt werden.

Das Gespräch mit Franz Geist führte Elfi Thiemer.

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