6818132-1973_20_04.jpg
Digital In Arbeit

Arme Mutter

19451960198020002020

Österreichs verstaatlichte Industrie kommt nur schwer zur Ruhe. Nachdem sie jahrelang im Mittelpunkt des tagespolitischen Streits zwischen den Partnern der großen Koalition gestanden war, hat sich dieses Schicksal im Zeitalter der EinParteien-Regierungen nur wenig gebessert. Wohl hat die Regierung Klaus mit dem ÖIG-Gesetz einen neuen Gedanken in die Wahrung der Eigentümerrechte des Bundes getragen, aber die Frage, ob die Zielsetzungen dieses Gesetzes verwirklicht werden konnten, bleibt offen.

19451960198020002020

Österreichs verstaatlichte Industrie kommt nur schwer zur Ruhe. Nachdem sie jahrelang im Mittelpunkt des tagespolitischen Streits zwischen den Partnern der großen Koalition gestanden war, hat sich dieses Schicksal im Zeitalter der EinParteien-Regierungen nur wenig gebessert. Wohl hat die Regierung Klaus mit dem ÖIG-Gesetz einen neuen Gedanken in die Wahrung der Eigentümerrechte des Bundes getragen, aber die Frage, ob die Zielsetzungen dieses Gesetzes verwirklicht werden konnten, bleibt offen.

Werbung
Werbung
Werbung

Was sollte die ÖIG bzw. auf Grund der Novelle zum ÖIG-Gesetz die ÖIAG? Der Bund wollte nach Willen des Gesetzgebers seine Eigentümerrechte einer funktionierenden Gesellschaft mit ebenso funktionierenden Organen übertragen, die den Be-

\$?h ^\feS*tS<toWhen Ge“ '•Slchtspuiikten fuhren sollten: zuge-

Idee.

Doch wie sieht das in der Praxis aus? Ähnlich wie in den fünfziger Jahren die IBV konnte sich auch die ÖIAG gegenüber ihren Töchtern nicht durchsetzen; die dominierende Stellung der Politiker in den Aufsichtsräten bzw. Vorstandspositionen konnte nicht wesentlich eingeschränkt werden.

Der erste Auftrag des Gesetzgebers, nämlich jerfer zur branchenweisen Zusammenführung, steht vor seinem Ende. Aber was ist daraus geworden? Die Chemiefusion, so umstritten sie gewesen sein mag, ist heute ein Stück unbewältigter Geschichte, die gemeinsame Tochter zwischen ÖMV und ÖSW (nunmehr Chemie-Linz AG), die Petrochemie Schwechat Ges. m. b. H., umfaßt nur einen geringen Teil der chemischen Aktivitäten der beiden Konzerne. Die Eisen- und Stahlfusion wurde ja in den letzten Monaten geradezu zerredet, sie ist inzwischen zustande gekommen, aber mit einem eigenen Gesetz, das die ÖIAG mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen stellte. Die Fusion im elektrotechnischen Sektor ist zwar durchgeführt, ob sie geschäftlich erfolgreich sein wird, muß sich noch zeigen. Für den Buntmetallbereich hat Bundeskanzler Kreisky inzwischen ebenfalls ein eigenes Gesetz angekündigt — aber auch hier scheint der Einfluß der Mutter ÖIAG gering zu sein.

Stellt sich also die Frage, was die verbliebenen Aufgaben der ÖIAG sind und welche Möglichkeiten sie hat, sich durchzusetzen. Der Traum von einem dominierenden Konzernbetrieb, den ÖIAG-Generaldirektor Geist im Vorjahr veröffentlichte, scheint nicht mehr als ein Traum gewesen zu sein. Auf Grund der Vorgänge der letzten Monate ist die Einrichtung eines allgewaltigen ÖIAG-Vorstands und ihm unterstehender 5 „Divisions“ mehr als je zuvor in die Ferne gerückt worden.

Bleibt also neben koordinierenden Aufgaben in der Verwaltung die Forschung. Denn in der Finanzierung und Gebarung kann die Konzernmutter den Töchtern ohnehin nicht hineinreden. Wie anders wäre es zu

erklären, daß die letzte ÖIAG-Auf-sichtsratssitzung sich mit der Einführung einer ÖIAG-Umilage bei den Töchtern beschäftigen mußte, da die Abführung von Dividenden an die ÖIAG nicht mehr gesichert und damit die einzige Finanzierungsquelle verloren zu gehen schien?

Der vorerst zurückgestellte Plan sieht eine Abgabe in der Höhe von 1 Promille der Bilanzsumme an die ÖIAG vor. Damit sollen die laufenden Aufgaben der Konzernmutter bestritten werden, falls die Dividenden ausbleiben. Und die Dividenden der ÖIAG-Betriebe sehen alles andere als rosig aus. Die Stickstoffwerke haben bereits zwei Jahre keine Dividende an die ÖIAG gezahlt, Generaldirektor Koller von der VÖESt-Alpine hat inzwischen angekündigt, daß auch sein Konzern heuer kaum eine Dividende an die Dachgesellschaft abführen könne. Die ÖMV, einer der bravsten Zahler der letzten Jahre, ist durch verschiedene Vorgänge in der Mineralöl-

branche arg in Ertragsschwierigkeiten gekommen; die Höhe ihrer diesjährigen Dividende ist noch offen.

Da die Dachgesellschaft offensichtlich nicht in der Lage ist, sich gegenüber ihren Töchtern durchzusetzen, soll also jetzt die Umlage eingeführt werden. Ein Meilenstein auf dem Weg zur immer geringeren Bedeutungslosigkeit der seinerzeit mit großen Hoffnungen ins Leben gerufenen ÖIAG.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung