Zankapfel Familiensilber

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Was von der verstaatlichten Industrie übrig blieb, wirft heute ordentliche Gewinne ab. Die ÖVP will weiter privatisieren. Der SPÖ reicht's.

Die Österreichische Industrie Holding AG (ÖIAG) ist die Beteiligungs-und Privatisierungsagentur der Republik Österreich, und als solche das Aushängeschild der sich derzeit noch in Staatsbesitz befindlichen Unternehmensanteile. Einst die Speerspitze der sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik, hat die Bedeutung der verstaatlichten Industrie sukzessive abgenommen. Zum Stand 31. August 2006 befanden sich noch folgende Firmenbeteiligungen im Eigentum der Republik: 31,5% OMV, 39,7% Austrian Airlines, 25,4% Telekom Austria und 51% Post AG. Trotz der wenigen verbliebenen Beteiligungen des Staates, hat Noch-Finanzminister Karl-Heinz Grasser die ÖIAG im April 2006 im Zuge der Präsentation der Jahreszahlen 2005 als Juwel bezeichnet. Kein Wunder, flossen doch 225 Millionen Euro als Dividende in die Kassen des Ministers. Von Ende 2000 bis Ende 2005 stieg der Wert der in der ÖIAG verwalteten Firmenanteile von fünf auf 8,3 Milliarden Euro, was vor allem an der Wertsteigerung der OMV-Anteile auf Grund des hohen Ölpreises liegt. Selbst Verkäufe aus dem Portfolio, wie des 14,7%-Restanteils an der VA-Tech mit einen Gesamterlös von 146,25 Millionen Euro, konnten daran nichts ändern.

Auch die Schulden sind passé: Die Holding wies Ende September diesen Jahres eine Liquidität von 400 Millionen Euro aus. Um im Grasser-Jargon zu bleiben, ist die Holding also ein "Asset" (Riesengewinn oder Anlagevermögen in der Finanzwelt, Anm.). Die verstaatlichte Industrie Österreichs ist heutzutage gleichsam gewinnbringend wie modern organisiert. Daher wird die ÖIAG beispielhaft für die Einflussnahme der neuen politischen Machthaber sein. In industriellen Kreisen empfindet man die ÖIAG derzeit als angenehm "unpolitisch". Neben Peter Michaelis, derzeit Sprecher des ÖIAG Vorstandes, wurde auch Ex-Aufsichtsratsvorsitzender Alfred Heinzel (im April wurde er vom früheren Präsidenten der Industriellenvereinigung Peter Mitterbauer nach einem einstimmigen Votum abgelöst) als unpolitischer Akteure innerhalb der ÖIAG gesehen, obwohl die guten Kontakte Heinzels zu Thomas Prinzhorn oft als ein Naheverhältnis zur FPÖ ausgelegt wurden. Aus der Industriellenvereinigung hört man, dass die ÖIAG derzeit von Personen gelenkt wird, die gewöhnt sind eigenständig und ohne politische Gängelung zu handeln.

Politik fern halten

Dies sieht man in den Reihen der Grünen anders. Christoph Chorherr, Gemeinderat in Wien, hält die Einschätzung, dass die ÖIAG derzeit unpolitisch sei, für unkritisch: "Öffentliches Eigentum \0xFEFFbraucht einen politischen Vertreter, aber es muss transparent sein, für welche Politik/Strategie dieser steht." Auch unter der noch im Amt befindlichen Regierung hat laut Chorherr eine massive Vergabe von Posten an "Freunde der Partei" stattgefunden. Chorherr recherchierte mehr als 50 Fälle in den Bereichen Verkehr, Soziales und Forschung, bei denen er eine blau/orange Einfärbung ortet (nachzulesen unter: http://chorherr.twoday.net). Nach Chorherrs Dafürhalten war die ÖIAG von politischen Umfärbeaktionen nicht gefeit, und bei einer Rot-Schwarzen-Koalition ist anzunehmen, dass es wieder von Neuem beginnt. "Wenn schon nicht nach der Qualifikation sondern nach dem Parteibuch gefragt wird, sollte man zumindest einige Frauen auf diverse Posten setzen", sagt Chorherr. Auch die Industriellenvereinigung befürchtet bei einer Großen Koalition eine stärkere Beeinflussung der Arbeit der ÖIAG durch die Politik.

Doch wie frei von Politik kann die Industrie-Holding des Landes sein? Im ÖIAG-Gesetz ist festgelegt, dass der Aufsichtsrat - bestehend aus 15 Mitgliedern - sich selbst ernennt. In keiner anderen Aktiengesellschaft ist dies möglich, denn grundsätzlich bestimmen die Eigentümer das Kontrollgremium einer Aktiengesellschaft. Im Falle der ÖIAG wäre dies der Finanzminister. Gerade der Umstand, dass sich das Kontrollgremium selbst einsetzt, wurde von der Schwarz-Orange-Blauen-Koalition als Möglichkeit gefeiert, die Politik von der ÖIAG fern zu halten.

Die SPÖ traut diesen Auslegungen nicht ganz über den Weg: Wirtschaftssprecher Johann Moser erklärt in einem Gespräch mit der Austria Presse Agentur, dass seine Partei bei einer Regierungsbeteiligung das ÖIAG-Gesetz in puncto Aufsichtsrats-Zusammensetzung umgehend ändern würde. Es sei dies ohnehin nur eine von der alten Regierung eingeführte Scheinentpolitisierung. Tatsächlich habe laut Moser Finanzminister Karl-Heinz Grasser sehr wohl über die Zusammenstellung des ÖIAG-Aufsichtsrates entschieden. Ob ÖIAG-Vorstandssprecher Peter Michaelis seinen Vertrag, der erst im Mai für zwei Jahre verlängert wurde, nach dem Willen der SPÖ erfüllen soll, ließ Moser unkommentiert. Die Einflussnahme der Politik wird sich am deutlichsten an der Ausrichtung der Holding zeigen.

Weg mit der Telekom

Einer weiteren Privatisierung der Telekom Austria (TA) steht man in der Industrie und angeblich auch im Unternehmen selbst positiv gegenüber. Neuerliche Verkäufe von Staatsanteilen an der TA kommen aber für die SPÖ nicht in Frage, sagt Moser. Wo es allerdings Annäherungspunkte mit der ÖVP gibt - die in ihrem Wahlprogramm meint, dass der Staat kein guter Unternehmer ist, und daher über vernünftige Rahmenbedingungen Betriebe im Land gehalten werden sollen und nicht über Beteiligungen - ist die Möglichkeit, die ÖIAG in eine Infrastrukturholding umzubauen. Wichtig ist den Sozialdemokraten hierbei, dass die Republik Kernaktionär in Infrastrukturunternehmen wie Post und Telekom bleibt. Die "neue" ÖIAG soll schlussendlich alle derzeitigen Beteiligungen inklusive Verbund, Asfinag und ÖBB in sich vereinen. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein will sich auf die Verhandlungsstrategie in Sachen ÖIAG noch nicht festlegen. Die Stoßrichtung ist dem Wahlprogramm der ÖVP zufolge jedoch eindeutig der weitere Verkauf von in Staatsbesitz befindlichen Unternehmensanteilen. Finanzminister Grasser setzte sich bereits im Wahlkampf für einen Komplettverkauf der TA und eine Verminderung der Anteile an der OMV ein, bevor die ÖIAG neu ausgerichtet wird. Die Großparteien müssen somit auch in Sachen ÖIAG von gegensätzlichen Standpunkten aus zueinander finden, bevor ein Koalitionsabkommen zu Stande kommen kann.

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