7209373-1992_25_03.jpg
Digital In Arbeit

Vorwärts in die Vergangenheit

19451960198020002020

Die krisengeplagte verstaatlichte Industrie Österreichs hat erneut Probleme. Der geplante Gang der Austrian Industries an die Börse als ein großer Sanierungsschritt in Richtung Umstrukturierung ist durch Ertragseinbrüche gefährdet. Scheitert mit Verstaatlichten-Chef Hugo Michael Sekyra nun der vierte Sanierer der Verstaatlichten?

19451960198020002020

Die krisengeplagte verstaatlichte Industrie Österreichs hat erneut Probleme. Der geplante Gang der Austrian Industries an die Börse als ein großer Sanierungsschritt in Richtung Umstrukturierung ist durch Ertragseinbrüche gefährdet. Scheitert mit Verstaatlichten-Chef Hugo Michael Sekyra nun der vierte Sanierer der Verstaatlichten?

Werbung
Werbung
Werbung

Die Revolution frißt ihre Kinder, die „Verstaatlichte" ihre Reformer. Als erster hatte sich an dem Versuch, den Akzent von „verstaatlicht" auf „Industrie" zu verlegen, Hans Igler als Chef der nach dem ÖVP-Wahlsieg 1956 geschaffenen IBV („Industrie- und Bergbauverwaltungs GmbH"), die Zähne ausgebissen.

Den zweiten Anlauf unternahm während der ÖVP-Alleinregierung Josef Taus, aber viel weiter als bis zur Einfügung eines Buchstabens in den bisherigen Holding-Namen (aus der ÖIG wurde 1970 die ÖIAG) kam auch er nicht. Nach kurzer Zeit frustriert war, von seinem „Entdecker" Bruno Kreisky bald im Stich gelassen, als dritter Reformer Franz Geist. Ist jetzt Hugo Michael Sekyra drauf und dran, das vierte Opfer zu werden?

Wenn die zweite Nennung dieses Namens binnen weniger Tage - erst kurz vorher hatte Sekyra den Medien „News" geliefert, die ejier rar sind, nämlich das Nicht-in-die-Knie-Gehen vor laut demonstriertem Unmut -einen schalen Nachgeschmack hinterlassen hat, so vor allem wegen der Absenderadresse der Rücktrittsaufforderung: So peinlich wie ein Parteisekretariat - und noch dazu das Generalsekretariat der ÖVP - hat sich in Österreich niemand davor zu hüten, auch bloß in den Verdacht zu geraten, in die „Verstaatlichte" hineinregieren zu wollen, denn der Schaden, der just damit den verstaatlichten Industriebetrieben jahrzehntelang zugefügt worden war, geht vermutlich in Dutzende Milliarden.

Genau quantifizieren läßt er sich nicht: Die „principal-agenf'-Theorie hat sich (als Warnung vor einer Teilprivatisierung, bei der die Manager dem Staate geben sollen, was des Staates ist, und den privaten Eigentümern, was des Aktionärs ist, nämlich eine attraktive Dividende) sogar in das funkelnagelneue Handbuch der Öffentlichen Wirtschaft verirrt, aber für eine so profane Berechnung wie die, wieviel die bis in die siebziger Jahre hinein übliche Besetzung führender Positionen mit strammen Parteisoldaten (vulgo „Proporzidioten") die verstaatlichte Industrie gekostet hat, ist sich diese Theorie natürlich zu schade. Insofern sogar zurecht, als die politischen Parteien noch weit mehr als mit dieser Pfründenverteilung den verstaatlichten Industrieunternehmen mit Ideologieauflagen geschadet haben, im Vergleich zu denen die schärfsten Umweltauflagen Streicheleinheiten sind:

Weiterer Parteienstreit

Solange die Märkte ungesättigt waren, hatte die ÖVP-Tabuisierung des Vorstoßes in den Finalbereich und des Ankaufens von privaten Unternehmen die - vorwiegend dem Grund-stoffbereich zuzuzählende - verstaatlichte Industrie am Wachsen gehindert. Sobald die Märkte gesättigt waren, hinderte sie die SPÖ-Tabuisierung von Freisetzungen und Betriebsschließungen am Gesundschrumpfen.

Die - späte - Einsicht, daß die „Verstaatlichte" weder das Reich des Bösen noch das Land der Verheißung ist, brachte erst die Stahlkrise: Obwohl die ÖIAG-Gruppe von 1982 bis 1986 ihren Beschäftigtenstand um 13,3 Prozent (die Industrie insgesamt nur um 3,9 Prozent) reduzierte, wurden die Verluste -allein bei der VOEST 1985: 11,8 Milliarden Schilling - unfinanzierbar, und am 4. April 1986 (also noch vor dem Regierungseintritt der ÖVP!) machte das Öl AG-Gesetz den Weg frei für die Reorganisation der verstaatlichten Industrie, einschließlich der Schließung oder Veräußerung notleidend gewordener Betriebe. Kurz und gut: für die Gestionierung des Konzerns, als ob er nicht verstaatlicht wäre.

Die Anfang 1990 erfolgte Umfirmierung in „Austrian Industries" mit dem erklärten Ziel, die weitere Kapitalaufbringung durch Aktienemission - also (Teil-)Privatisierung - zu bewerkstelligen, bedeutete anscheinend den Endsieg der wirtschaftlichen Vernunft über den Dogmatismus der Parteien.

Anscheinend oder nur scheinbar?

Rein rational war nie erfindlich, warum auch noch den „Austrian Industries" ein Parteienstreit in die Wiege gelegt wurde: Die SPÖ war von Anfang an darauf fixiert, daß das „Going public" der Dachgesellschaft vorbehalten bleiben müsse, die ÖVP verlangte ebenso hartnäckig, daß die Branchen-Holdings Aktien emittieren sollen. Man sollte doch meinen, daß das ausschließlich eine Frage der Zweckmäßigkeit ist: Welche Vorgangsweise hätte mehr Aussicht, das Interesse des anlagesuchenden Publikums zu wecken?

In Unterbringungs- und damit Kapitalzufuhrkategorien denken aber nur Unternehmer und Banker. Politiker haben, wie immer, den weiteren Blick: Sie sehen, je nach Couleur, mit inbrünstiger Hoffnung oder mit panischer Angst, in einem Börsegang der Branchenholdings (oder gar der einzelnen Gesellschaften nach dem Vorbild der ÖMV) eine leichtere Aushöhlbarkeit der Staatsmehrheit als beim „zitzerlweisen" Verscherbeln der Austrian-Industries-Anteile.

Nichtsdestoweniger wird Politikern beider Couleurs die Phrase, daß es unabhängig von den Eigentumsverhältnissen nur „eine" österreichische Industrie gebe, in Sonntagsreden mühelos über die Lippen gehen...

Der Autor ist Wirtschaftspublizist und Herausgeber der „Finanznachrichten".

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung