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ÖIAG-Kapitän: Experte und Parteisoldat

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Am Donnerstag dieser Woche wird mit Beschluß des Aufsichtsrates der österreichischen Industrieverwal-tungs-Aktiengesellschaft (ÖIAG) ein neuer Mann an die Schalthebel der Macht eines 120.000 Arbeitsplätze umfassenden Verstaatlichten-Imperiums herangelassen: Der aus der Arbeiterkammer kommende Theoretiker Oskar Grünwald wird nach dem Abgang von Franz Geist in den Stuben und Produktionshallen der republikseigenen Industrie als neuer Generaldirektor für neuen Geist sorgen.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger wird Grünwald von seinen Mitarbeitern als Mann geschildert, der keine spektakulären Aussagen trifft, der eher einen „Weg der ruhigen Entwicklung“ suchen wird. Während der hochqualifizierte Praktiker und Manager Franz Geist sich nur zu gerne utopischen Schwärmereien hingab und abgesehen vom Austro-Porsche-Projekt auch noch ein starkes Weisungsrecht gegenüber den nachgeordneten verstaatlichten Unternehmungen verlangte, scheint Oskar Grünwald mehr Realpolitiker zu sein: Er ist in erster Linie nicht für ein neues Weisungsrecht gegenüber den Unternehmungen, er möchte vielmehr zuerst sämtliche Möglichkeiten des österreichischen Aktienrechts ausschöpfen und auf diese Art seine eigene Position stärken.

Am Donnerstag löst aber nicht nur ein Technokrat den Praktiker ab: Dem parteiunabhängigen Bürger Geist folgt ein roter Grünwald.

Nun ist es sicherlich richtig, daß man nicht immer gleich die Haare aufstellen kann, wenn ein guter Fachmann gleichzeitig Parteimann ist, wie es der in den Ruhestand tretende Geist kürzlich nicht ohne Spitze gegen seinen Nachfolger gesagt hat. Es sollte aber bei verantwortlichen Fachleuten stets so sein, daß sie zuerst Fachleute und dann erst Parteileute sind, wie Geist ebenfalls gesagt hat. (Wo beim neuen ÖIAG-Chef wirklich die persönlichen Präferenzen liegen, wird sich erst weisen.)

Da Grünwald aber schon bisher als Finanzmann dem vierköpfigen Vorstand angehörte, kann nun auf den freiwerdenden Vorstandssessel ein zusätzlicher Mann nachrutschen: Walter Brauneis, Nationalratsabgeordneter der SPÖ und Zentralbetriebsratsobmann in der VÖEST-Alpine. Fortan sitzen den beiden schwarzen Parteibüchin (Franz Derdak und Kurt Fröhlich) im ÖIAG-Vorstand zwei rote gegenüber. Die Entbürgerlichung der Verstaatlichten nimmt ihren Lauf.

Daß der ÖVP-Pressedienst in dieser Personalrochade eine weitere „Parteibuchbesetzung“ an den Pranger stellen würde, war abzusehen: „Die Bestellung von zwei deklarierten Sozialisten zum Vorstandsvorsitzenden und in den Vorstand der ÖIAG bedeutet das Ende der vom Bundeskanzler selbst angeblich verfolgten liberalen Personalpolitik für- hochqualifizierte Managerposten“, wettert ÖVP-Wirt-schaftssprecher Otto Keimel erwartungsgemäß.

Erwartungsgemäß deshalb, weil man manchmal den Eindruck hat, die Volkspartei habe seit der Geburtsstunde der Zweiten Republik ihr stiefmütterliches Verhältnis zur Verstaatlichten noch immer nicht neu geordnet. Das verkrampfte Verhältnis der Volkspartei zur Idee der Verstaatlichung der nach dem Krieg großteils schwer beschädigten Schlüsselindustrien hat freilich auch seine politische Ursache: Bruno Kreisky hat erst kürzlich wieder erklärt, man habe nach dem Krieg die großen Unternehmungen verstaatlichen müssen, weil sie zu vor immer ein Hort des Faschismus oder des Konservativismus gewesen seien.

Während die Sozialisten also mit der verstaatlichten Industrie eine gehörige Scheibe Macht auf der linken Seite an Land zogen, verbiß sich die ö VP mehr und mehr in eine fast undifferenzierte Gegnerschaft, mit der vielleicht seltenen Ausnahme des von Staatssekretär Josef Taus redigierten öl AG-Gesetzes, womit die verstaatlichten Unternehmungen aus der direkten Verwaltung durch die Ministerialbürokratie herausgenommen wurden.

Ging es aber um eine der Fusionierungen, war die ÖVP meist mit ablehnenden Stellungnahmen vertreten (während sie etwa die Stahlfusion heute etwas differenzierter sieht); ging es um gefährdete Arbeitsplätze in der „Verstaatlichten“, brachte die Volkspartei oft wenig Verständnis für notwendige Maßnahmen auf, wobei sie selbst einen guten Teil der Schuld an der Strukturschwäche der „Verstaatlichten“ nicht leugnen kann: In den Aufbaujahren der verstaatlichten Industrie war die ÖVP stets auch dafür, sie auf den Grundstoffbereich festzunageln und die zukunftsträchtige Produktion der höherentwickelten (intelligenten) Güter der privaten Seite zu überlassen.

Der Volks partei wird nun die Rechnung in besonderer Form serviert: Die Tatsache, daß sie der „Verstaatlichten“ stets die kalte Schulter zeigte, konnte nicht ohne Auswirkungen auf die Personalpolitik bleiben. Ihre Kritik an Parteibuchbesetzungen der Sozialisten wird ihr nicht viel nützen, zumal sie selbst nie bestrebt war, qualifizierte „Schwarze“ in die Führungsgremien der „Verstaatlichten“ hineinzubringen.

Im gesamten ÖIAG-Bereich hat die ÖVP nur noch mit ÖMV-General Ludwig Bauer eine starke Bastion. Aber auch die wird vermutlich fallen, wenn es eines Tages doch noch zur letzten noch ausstehenden größeren Fusion zwischen Chemie Linz und ÖMV kommt: Der der SPÖ angehörende Linzer Chemie-Chef Hans Büchner wird schon heute als neuer Chef dieses Erdöl-Chemie-Giganten genannt.

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