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Rat von Bouteflika

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Vor einigen Wochen besuchte SPÖ-Vorsitzender Kreisky als Leiter einer Delegation der Sozialistischen Internationale den Nahen Osten; in Libyen wurde die Parteireise in einen offiziellen Besuch des österreichischen Bundeskanzlers umfunktioniert, eine Kohorte der Sozialistischen Internationale fungierte als Ehrengarde. Nach diesiem „Staatsbesuch“ teilte Bundeskanzler Kreisky der versammelten Presse mit, daß Österreich einen neuen Freund gewonnen habe: Libyens Staatschef Ghadafi, selbst im arabischen Baum als ein zumindest versponnener Politiker mit ausgeprägtem Haß auf Israel umstritten. Kreisky sprach auch davon, daß in Libyen Millionenaufträge auf Österreichs Wirtschaft warteten.

Vor wenigen Tagen griff der Kanzler wieder in die Außenwirtschaftspolitik ein. Er unterband als zuständiger Ressortchef für die verstaatlichte Industrie ein 7-Milliarden-Schilling-Geschaft zwischen dem österreichischenStahlgiganten

VÖESt-Alpine und dem südafrikanischen Isocor-KonEern „aus moralischen Gründen“, wie erst Außenminister Bielka-Karltreu feststellte, aber auch deshalb, so Bruno Kreisky, weil sich die VÖESt-Alpine mit diesem Geschäft möglicherweise übernommen hätte. Das Bielka-Karltreusche Argument von der „politischen Moral“ wollte Kreisky, wie er ausdrücklich feststellte, gelten lassen.

Für die österreichische Wirtschaft bedeutet der Entgang dieses Geschäftes zweierlei: Inmitten deutlich spürbarer Flautearscheinungen im intemaitöaraafen Stahlgeschäfit wurde der VÖESt, die immerhin für rund 70.000 Arbeitnehmer Aufträge hereinbringen muß, ein Milliarden-Auftrag entzogen. Das bedeutet aber nicht nur Gefahr für die Arbeitsplätze in der verstaatlichten Industrie ünd-Jär einig^^ZtMefefittÄä-= • %tWeh?mdern ^KiÄßW^Ä --' Hinblick auf die Versorgung der österreichischen' Industrie mit Rohstoffen von eminenter Bedeutung — auch die Aufgabe eines wichtigen Rohstofflieferlandes, möglicherweise auch starke Marktartteilseinbußen der österreichischen Exportwirtwirtschaft im dynamischen südafrikanischen Raum. Die stark exportabhängigen Firmen Böhler, Elin, Kohmeier, Plasser haben auf diese Gefahr jedenfalls schon nachdrücklich hingewiesen.

Weder VÖESt-Alpine-General-direktor Koller noch die Belegschaft der verstaatlichten Industrie wissen, wie ihnen geschieht. Jetzt will man sechs Wochen „nachdenken“.

Schon kursiert nicht nur in der Belegschaft der verstaatlichten Industrie das harte Wort, man müsse die Sicherheit der Arbeitsplätze vor Interventionspolitik „schützen“. Mittlerweile wurde bekannt, daß sich der algerische Außenminister Bouteflika gegen das Südafrikaprojekt Österreichs wandte — auf jener Nordafrikareise, die Kreisky angeblich nur im Auftrag der Internationale machte. Tatsächlich dürfte sich der algerische Ratschlag an Kreisky, kein kommerzielles Engagement in Südafrika einzugehen, nicht bezahlt machen. Denn selbst auf hartnäckiges Befragen in der Sonntag-TV-Diskussion mit Journalisten wich der Bundeskanzfler konkreten Angaben über mögliche Geschäftsabschlüsse nrit Staaten der Dritten Welt aus. Diesmal scheulte er sogar davor zurück, von Chancen für die österreichische Exportwirtsohaft in dieser politischen Region zu sprechen.

Das wirklich Entscheidende aber ist, ob sich ein neutraler Staat — von wem auch immer — Auflagen für seine Politik machen lassen kann. Österreich hat sich, man erinnere sich nur an die leidigen EWG-Verhandlungen — selbst von den Großmächten stets verbeten, „Ratschläge“ für seine Außen- oder Außenhandelspolitik zu erhalten. Jetzt bestimmen offenbar die Algerier, wie Österreich seine Politik gestaltet

Die ÖVP-Parlamentsfraktion bringt nunmehr eine dringliche Anfrage an den Bundeskanzler im Nationalrat ein. Dabei wird es darum gehen, Licht in die unglückliche Verquickung von Geschäft und Politik zu bringen. Wie man hört, wird Bundeskanzler Kreisky sich unter anderem damit verteidigen, daß auch UNO-Generalsekretär Waldheim gegen das VÖESt-Beteiligungsprojekt in Südafrika sei. Ihm geht es offenbar um gutes Wetter in den Staaten der Dritten Welt, damit seine Neukandidatur im Jahr 1977 für das Amt des UNO-Generalsekretärs gesichert ist.

Billiger kann man sich Ausreden allerdings gar nicht machen. Exportaufträge und die Sicherung der Arbeitsplätze in Österreich sind eine, Waldheims Wiederkandidatur für die Leitung des UNO-Geheralsekee-tariats die andere Sache. Waldheim war und wird nie in der Lage sein, aus dieser 'Position das Exportgeschäft seines Heimatlandes anzukurbeln. Das ist auch gar nicht seine Aufgabe. Gleichzeitig wäre gerade Bruno Kreisky nicht der beste Anwalt einer Wiederkandidatur Waldheims, nachdem man dem österreichischen Bundeskanzler eine persönliche Präferenz flür seinen mexikanischen Freund Echeverria nachsagt, der aus dem Präsidentenamt der Republik Mexiko direkt an die UNO-Spitze am Hudson-River übersiedeln möchte.

In dieser Woche soll auch der ÖIAG-Auisichtsrat die politische Entscheidung gegen das Milliardengeschäft zwischen VÖESt und dem südafrikanischen Isocor-Konzem sanktionieren. Wer die Druckmittel Kreiskys auf dieses Gremium kennt, weiß, daß es genau nach dem Wunsch des Kanzlers gehen wird. Wenn auch mit Zähneknirschen und wider besseres Wissen.

Nun werden andere Staaten, die sich keinen Deut um ideologische Bedenken kümmern, versuchen, das 7-Milliarden-Projelot zu ergattern. Ein COMECON-Staat kommt für dieses Geschäft geradeso in Frage wie Frankreich oder Deutschland. Nicht nur in diesen Ländern war man stets bestrebt, Außenpolitik und Exportwirtsohaft auseinanderzuhalten.

Im Ausland lacht man über die doppelte Geschäftsmoral Österreichs, das nun plötzlich offenbar das Libyen des Oberst Ghadafi für einen besseren Geschäftspartner hält als die Südafrikanische Union. So spricht die bundesdeutsche „Wirtschaftswoche“ in ihrer jüngsten Ausgabe von einer totalen „Kapitulation“ Österreichs. Die Freude des Auslands „an den sohlechten Sitten am Balühauspiatz“ (so urteilte das südafrikanische Außenamt über Kreiskys einseitige Entscheidung) ist das Leid der ohnedies unter einem Starken Nachlassen der Exportgeschäfte laborierenden Wirtschaft. Die Sorge um die Arbeits-platzsacherung in Österreich ist nach diesem außenwirtscteaftspolitisehen Alleingang gewiß nicht kiemer geworden.)

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