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„Sentimental Journey“

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Mit Bruno Kreisky „Superstar“ an der Spitze reiste eine siebenköpfige Delegation der Sozialistischen Internationale kreuz und quer durch den Maghreb. Für Kreisky war es aus mehreren Gründen eine „Sentimental Journey“. Weit weg von den zunehmenden Schwierigkeiten in Österreich, von vergangenen und kommenden Wahlniederlagen (am 2. März muß die SPÖ in Kärnten mit dem Verlust von Mandaten rechnen), weit weg von so profanen Dingen wie dem Wahlalter von Jugendlichen, Konkursen in der Steiermark und den ersten Anzeichen einer Jugendarbeitslosigkeit durfte sich Bruno Kreisky als diplomatischer Weltreisender fühlen. Mag sein, daß er dann und wann gedacht hat, was aus den Vereinten Nationen beziehungsweise Wien selbst hätte werden können, wenn er als UNO-Generalsekretär fungieren hätte können.

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Mit Bruno Kreisky „Superstar“ an der Spitze reiste eine siebenköpfige Delegation der Sozialistischen Internationale kreuz und quer durch den Maghreb. Für Kreisky war es aus mehreren Gründen eine „Sentimental Journey“. Weit weg von den zunehmenden Schwierigkeiten in Österreich, von vergangenen und kommenden Wahlniederlagen (am 2. März muß die SPÖ in Kärnten mit dem Verlust von Mandaten rechnen), weit weg von so profanen Dingen wie dem Wahlalter von Jugendlichen, Konkursen in der Steiermark und den ersten Anzeichen einer Jugendarbeitslosigkeit durfte sich Bruno Kreisky als diplomatischer Weltreisender fühlen. Mag sein, daß er dann und wann gedacht hat, was aus den Vereinten Nationen beziehungsweise Wien selbst hätte werden können, wenn er als UNO-Generalsekretär fungieren hätte können.

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Diese Reise Bruno Kreiskys durch Marokko, Algerien und Libyen beweist seinen Sinn für außenpolitische Notwendigkeiten, und auch seine gute Nase, wenn man bedenkt, daß er noch vor Ausbruch des Yom- Kippur-Krieges und des Ölboykotts der arabischen Staaten das Morgenland hofierte. So wurde er schon vor Jahren in arabischen Zeitschriften als Weiser aus dem Abendland gepriesen, was gewiß nicht einer pikanten Note entbehrt. Sicherlich aber hat Bruno Kreisky übertrieben und nur an seine „Kronen-Zeitung“- Fan-Gemeinde gedacht, als er nach seiner Rüdekehr in Wien groß verkündete, nun, nach seinen Gesprächen mit arabischen Potentaten, sei Österreich für alle Zeiten alle ölsorgen los. Da hat der große Zaubermeister wohl sehr tief in die Kiste mit den Requisiten gegriffen, denn keinen Hauch von Realität vermittelt diese Behauptung.

Nach Gesprächen mit dem algerischen Staatspräsidenten Boumėdien- ne hielt sich Kreisky zwei Tage in Libyen auf, und zwar nicht nur als Parteivorsitzender der SPÖ, sondern offenbar auch in seiner Eigenschaft als österreichischer Regierungschef. Welche Rolle in diesem Zusammen hang dann der Generalsekretär der Sozialistischen Internationale, Hans Janitschek, gespielt hat, bleibt unbekannt. Bald nach seiner Ankunft in Tripolis reiste Kreisky in den Heimatort des libyschen Staatspräsidenten Gaddafi, was von einschlägigen Zeitschriften als Ausdruck „höchster Wertschätzung“ bezeichnet wurde. In den Gesprächen mit Gaddafi wollte Kreisky erkannt haben, daß es sich beim Oberst um einen sehr ernsten, reifen und nachdenklichen Mann bandle, der sich für den Sozialismus sehr interessiere. Alles, so Kreisky, was westliche Zeitschriften über Gaddafi schreiben, entspreche nicht dem, was er über ihn herausgefunden habe. Diese Beurteilung Gaddafis stimmt selbst mit Schilderungen in der arabischen Presse nicht überein; und erstaunlich auch, daß Gaddafi der österreichischen Kanzlersuite gleichzeitig bestätige, daß er den Bombenkampf der IRA, Negerguerilleros in den USA, Rebellen in Äthiopien und natürlich auch die Olympiakiller aus Palästina finanziell unterstützte.

Auf einer improvisierten Pressekonferenz in Wien-Schwechat gab der österreichische Regierungschef bekannt, daß er Exportaufträge in der Höhe von rund 100 Millionen Schilling auf seiner Nahost-Tournee sichergestellt habe. Erst vor zwei Wochen befand er sich auf einer erfolgreichen Außenhandelsreise durch Polen. Kommendes Wochenende geht’s nach Westberlin, und zwar wieder zu einer Sitzung der Sozialistischen Internationale. Man darf schon heute gespannt sein, mit welchen Exportaufträgen Kreisky aus der geteilten Stadt zurückkommen wird. Angesichts der sinkenden Exportaufträge der österreichischen Wirtschaft kann man der Handels- reisediplomatie Kreiskys daher gar nicht genug Beachtung schenken.

Auf dem Höhepunkt des Tiroler Wahlkampfes, Anfang Juni, wird in Wien ein europäisch-arabisches „Ölsymposium“ stattfinden, zu dem Bruno Kreisky in seiner Eigenschaft als SPÖ-Vorsitzender Experten und Politiker aus den arabischen Staaten und führende europäische Sozialisten eingeladen hat. Die Frge, wieweit sich die Leute aus Stams, der Wild- schönau und Sillian von diesem Treffen beeinflussen lassen, mag Fritz Marsch interessieren, Kreisky denkt sicherlich nicht in solch banalen Kategorien. Unterwegs zum Superstar der Weltdiplamatie verlieren innerparteiliche, wablpoiitische, ja selbst österreichische Probleme an Gewicht. ‘

Sicherlich ist Bundeskanzler

Kreisky heute so etwas wie ein Doyen der europäischen Sozialdemokratie; sicherlich auch hat er bereits Willy Brandt in dieser Rolle abgelöst. Sein Ansehen nicht nur im sozialistischen Europa ist heute so unumstritten wie es einst das Ansehen von Nobelpreisträger Brandt war. Wenn sich Kreisky in diesem Hochgefühl sonnt, so ist das für einen Mann in seinen Jahren eine durchaus verständliche Sache. Die Frage ist bloß, ob er angesichts einer weltweiten Zustimmung zu seiner Persönlichkeit nicht das Augenmaß für innerösterreichische Probleme und Entwicklungen verliert. Diese Frage wird auch in seiner Partei mehr und mehr gestellt. Dabei wird auch immer häufiger mit dem Gedanken gespielt, ob sich die außenpolitischen Inszenierungen Kreiskys mit dem

Status der österreichischen Neutralität nach Schweizer Muster vereinbaren lassen. Diese Frage ist heute vielleicht tatsächlich nur theoretisch, doch schon morgen könnte sie beispielsweise von einem der Signatarstaaten unseres Staatsvertrages gestellt werden und möglicherweise muß sich dann eine österreichische Außenpolitik ohne Kreisky damit beschäftigen. Sicherlich muß uns das Hochgefühl unseres Bundeskanzlers einiges wert sein, schließlich bringt er ja — wie er sagt — Exportaufträge nach Österreich. Ob freilich ein sehr persönliches Empfinden des Bundeskanzlers mit einer auch nur mittelfristigen außenpolitischen Konzeption vereinbar ist, läßt sich weder hier noch jetzt schlüssig beantworten.

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