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Belastung kommt nach Kreisky

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Norbert Leser zur Öffnung der einstigen Kaderpartei SPÖ, seit Bruno Kreisky seit 1967 Parteivorsitzender ist:

„Ich glaube, daß die Öffnung, die durch die Persönlichkeit von Kreisky durchgeführt wurde, sehr wichtig war, daß die Zeit dafür reif war und es einen Nachholbedarf an Liberalität und Fortschrittlichkeit befriedigt hat, nicht nur innerhalb der Partei, sondern auch in der Öffentlichkeit. Kreisky hat es eben verstanden, viele Vorurteile, die gegen die SPÖ bestanden haben, abzubauen, die Verständigung mit der Kirche herbeizuführen, Experten einzubeziehen — also insgesamt ein Klima zu schaffen, dessen Nutznießer zum Beispiel auch ich war: durch mehr Möglichkeiten zur Kritik."

Norbert Leser zu Kreiskys Einladung an Liberale, ein Stück des Weges mit ihm zu gehen:

„Sicherlich hat das wesentlich dazu beigetragen, bewußtseinsbildend in der Partei zu wirken. Und ich empfinde es auch zum Beispiel sehr gut, daß es einige Regierungsmitglieder gibt, die keiner Partei angehören. Allerdings ist es gleichzeitig ein Schönheitsfehler und Nachteil, wenn einfache Staatsbürger, die keiner Partei angehören, darunter, daß sie kein Parteibuch haben, zu leiden haben."

Norbert Leser zu den Auswirkungen der Machtverlagerung vom statutarisch verantwortlichen Führungskollektiv hin zum tatsächlich entscheidenden Parteiführer Kreisky:

„Kreisky hat es verstanden, mit seiner Persönlichkeit die Partei sehr stark zu dominieren, obwohl die Erweiterung des Parteipräsidiums eine stärkere Einbeziehung der Bundesländer mit sich gebracht hat. Es hat diese starke Konzentration auf eine Persönlichkeit sicherlich zu einer Entlastung vieler geführt. Auf der anderen Seite muß man sagen, für die Zukunft, daß vielleicht das nach Kreisky eine Belastung sein wird, weil es jemandem nach Kreisky schwerfallen wird, ein solches Maß an Integrationskraft und Vertrauen zu akkumulieren, wie er es verstanden hat."

Norbert Leser zur Bedeutung des SPÖ-Parteipro-gramms 1978:

„Dieses Parteiprogramm war eben wieder ein Versuch, Tradition und Revision zu verbinden. Es ist ein sehr gelungenes Dokument und ein Zeichen für die Integrationsfähigkeit der Partei. Allerdings möchte ich vielleicht etwas in Hinblick auf jüngste Entwicklungen kritisch einwenden: daß mir in letzter Zeit die Stoßrichtung zu einseitig gegen rechts zu gehen scheint, daß man immer vom Neofaschismus spricht — Kreisky selbst hat gemeint, daß man den Teufel an die Wand malt — und nicht vom Linksradikalismus, hinter dem doch, zum Unterschied vom Faschismus, der also nirgendwo in der Welt einen Stützpunkt hat, eine Diktatur und Weltmacht steht."

Norbert Leser zur Achse SPO-Gewerkschaft:

„Diese Achse ist sicherlich sehr stabil ... und der verdanken wir nicht zuletzt unseren sozialen Aufstieg. Allerdings gibt es auch hier Probleme und Fragezeichen im Verhältnis zwischen Partei und Gewerkschaft. Zum Teil neigen die Gewerkschafter natürlich dazu, vor allem die älteren, der Frage der Arbeitsplatzsicherung den Vorrang einzuräumen, während die jüngeren sehr häufig dem Umweltschutz den Vorrang einräumen wollen. Und da kommt es zu Zielkonflikten, die auch in Zukunft zu Problemen der Integration führen werden."

Norbert Leser zur ungeklärten Nachfolgefrage und der Troika Fred Sinowatz, Heinz Fischer und Karl Ble-cha hinter Kreisky:

„Seit Cäsar und Brutus muß man sagen, daß sich Triumvirate selten gehalten haben. Und das müßte eher Skepsis verbreiten bezüglich der Zukunft..."

Aus: „Politik am Freitag", 29. Oktober 1982.

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