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Auch kritische Wähler werden kritischer

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„Können Sie sich vorstellen, daß der Kreisky a Knackwurst hinterm Schreibtisch aus'n Papierl ißt? Aber der Taus geht, wenn er an Hunger hat, hin zum Eisschrank und frißt die Sardinen aus der Dose.“ Mit diesen kräftigen Worten bemängelte Kreis-ky,Aktionist und Ästhet Reinhold Knoll gegenüber der Zeitschrift „pro-fll“ das Fehlen von Stil und ästhetischem Bewußtsein im schwarzen Palais in der Wiener Kärtner Straße.

Das war im September 1975.

Heute denken kritische Wähler anders (siehe untenstehende Kolumne). Der lange genug verspottete „Kleinbürger“, die „kleinkarierte Krämerseele“, hat wieder Aufwind: Wer sehnt sich nicht angesichts eines auf dem Opernball großzügig ohne Belege 60.000 Schilling ausgebenden Finanzministers nach jenem Josef Klaus, von dem heute noch spöttisch bemerkt wird, er habe seinem Sohn eine im Finanzministerium eingesteckte Zigarettenschachtel („... das ist Staatseigentum!“) wieder abgenommen? Wer sehnt sich angesichts auch über Parteigrenzen hinweg leichtfertig ausgegebener Steuergelder nicht nach einem Knackwurst, ja sogar Sardinen aus der Dose essenden Politiker?

Der stimmungsmäßige Wandel ist indes auch an dem Kreisky-Unter-stützungsverein „Aktive Österreicher“ nicht spurlos vorübergegangen. Vergangenen Dienstag gab es

eine erweiterte Vorstandssitzung der „Aktiven Österreicher“, die neben „Allfälliges“ lediglich den Punkt „Entscheidung über das Eintreten der .Aktiven Österreicher' für die Wiederwahl von . Bundeskanzler Kreisky“ auf der Tagesordnung hatte.

Ein kritischer Hauch durchwehte die ohnehin nur schütteren Reihen der „Aktiven“. Unter 30 Persönlichkeiten fanden sich immerhin fünf, die in der Abstimmung kundtaten, sich nicht für Kreisky ins Zeug werfen zu wollen: „Aktiv mit gebremstem Schaum“, kommentiert der „Aktive Österreicher“, Schriftsteller und Journalist Prof. Kurt Dieman.

„Emern äußerst charmanten Ble-cha“, schildert Kurt Dieman die Versammlung, „habe ich erklärt, daß ich diese Initiative zur Wiederwahl Brurio Kreiskys nicht unterstützen kann.“ Blecha sei bei dieser Gelegenheit massiv gegen die große Koalition aufgetreten, was nicht allen Anwesenden gepaßt habe: „Ein Kammersänger hat gewarnt vor vorschnellen Festlegungen. Die Auffassung zu vielen Fragen ist heute Gott sei Dank differenzierter... Auch ein anwesender Burgschauspieler hat einbekannt, daß er gegen Zwebendorf agiert hat.“

Die Gründe Diemans, der sich als christlich motivierter Sozialdemokraten bezeichnet, Kreisky nicht zu wählen: „Wer Konecny und Keller

nicht will, darf diese Partei nicht wählen. Streichungen führen ja zu nichts.“ Weitere Nein-Motive: die Glaubwürdigkeit des Bundeskanzlers, der ORF, Zwentendorf, Privilegienabbau, die Kulturpolitik und schließlich das Herumtaktiereh in der Wahl-Vorverlegung. Dieman: „Eine bedenkliche Summierung!“

Kammersänger Hans Christian, der im Gegensatz zu Dieman für eine Kreisky-Unterstützung durch die „Aktiven Österreicher“ gestimmt hat, ist in seinen Äußerungen zurückhaltend: „Nicht jeder muß deswegen für Kreisky sein; wir sind kein Parteiverein, kein Anhängsel der SPÖ. Man kann uns nicht von vornherein vergattern.“

Christian hält die SPÖ auch heute für die bessere Alternative: „Ich identifiziere mich aber keineswegs mit allem, was die SPÖ macht.“ Er persönlich ziehe Kreisky Josef Taus vor.

Was die Koaktionsfrage betrifft, ist Nicht-SPÖ-Mitglied Christian ganz anderer Meinung als Kreisky: Wenn es keine absolute Mehrheit gibt, soll es eine große Koalition geben, keinesfalls eine rot-blaue oder schwarz-blaue. Für ihn ist die große Koalition auch nicht die „teuerste Regierungsform“, wie Kreisky behauptet. Christian: „Nach der Wahl wird man schon noch zu dieser Einsicht kommen!“

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