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Auf dem Weg zur großen Koalition?

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Diesen Mittwoch werden Bundeskanzler Kreisky und ÖVP-Obmann Taus einander nach langer Zeit wieder einmal offiziell und vor laufenden Kameras die Hände schütteln. Man will über die Sicherung von Arbeitsplätzen reden - „abseits jeder billigen Parteitaktik“, wie Taus versicherte -und auf Empfehlung des Regierungschefs über die Einrichtung eines „Vorwarnsystems“ zur Vermeidung böser Überraschungen auf dem Arbeitsmarkt parlieren.

Daß seit 1973 über 70.000 Arbeitsplätze in der (verstaatlichten wie privaten) Industrie Österreichs verlorengegangen und jüngst 940 Eu-mig-Arbeiter auf die Straße gesetzt worden sind, ist in der Tat alarmierend. Aufhorchen läßt auch, daß Kanzler Kreisky im Zusammenhang mit der Vorwarnabsicht die Sozialpartner wieder einmal ins Spiel brachte, auf deren Pflege er in den letzten Jahren nicht eben betulich Bedacht gelegt hatte. (Am Zwenten-dorf-Tag haben sie ihm plötzlich sehr gefehlt.)

Ansonsten hat sich der Kanzler wohl gehütet, dieses Gespräch mit der großen Opposition als mögliche Weichenstellung in Richtung großer Koalition auszuspielen. Manche freilich wollen auch dieses jahrelang totgeschwiegene Gras jetzt wieder einmal sachte wachsen hören.

Nun ist allerdings, wie schon Karl Kraus bemerkte, nicht alles, was totgeschwiegen wird, am Leben. Und von der großen Koalition sollte man solches, solange Bruno Kreisky den Taktstock schwingt, am allerwenigsten vermuten.

Zu den wenigen Zielen, die der SPÖ-Vorsitzende seit seinem Regierungsantritt vor acht Jahren mit äußerster Konsequenz verfolgt hat, gehört die möglichst dauerhafte Aussperrung der Volkspartei von einer neuerlichen Regierungsverantwortung. Er versuchte schon als Minderheitskanzler, der ÖVP einzelne Bauernabgeordnete abspenstig zu machen, unternahm den gleichen Spaltungsversuch später wiederholt gegenüber dem ganzen Bauernbund, strapazierte die „Wählerkoalition von Sozialdemokraten und Liberalen“, bisweilen um die Katholiken angereichert, nach und über Gebühr, umschnurrte die FPÖ und päppelte die Blutgruppe Null hoch - und das Ziel war immer dasselbe: die SPÖ an der Regierung und die ÖVP draußen vor der Tür zu halten.

In jüngster Zeit hat es bisweilen

den Anschein gehabt, als sei mit der Bestellung von Alexander Götz zum FPÖ-Obmann die Wahrscheinlichkeit einer rotblauen Koalition geringer und die einer schwarzblauen Allianz größer geworden. Das will Bruno Kreisky mit aller Macht verhindern. Indem er jetzt die ÖVP zu einem Gespräch einlädt, jagt er freiheitlichen Wählern neue Angst vor einer großen Koalition ein, die sich seiner Hoffnung nach in einem Druck dieser Wähler auf ihre Parteiführung auswirken soll, die Sprüche mit dem „Papp im Hirn“ ein wenig einzubremsen.

Kreisky signalisiert den Blauen: Wenn eure Parteispitze auf antisozialistischen Kurs geht, kommt ihrnie an die politischen Futterkrippen - mit uns nicht und mit der ÖVP auch nicht!

Man muß das alles gebührend im Auge haben, um in den Erwartungen realistisch zu bleiben und die schwierige taktische Situation der ÖVP (und 4er FPÖ) in den nächsten Wochen und Monaten richtig einzuschätzen.

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