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Kreisky & Taus Wer sonst?

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„Kreisky - wer sonst?“ Unter dem sozialistischen Wahlkampf-Motto von 1975 wird auch das noch junge Jahr 1977 stehen. Die Frage bleibt einerseits an die beiden Oppositionsparteien - naturgemäß in erster Linie an die Volkspartei - gerichtet, anderseits erweist sich die Frage, wie immer mehr sozialistische Funktionäre mit bitterer Ironie festhalten, zusehends als an die eigene Partei adressiertes Rätselraten, wer in Hinkunft die Rolle der durch Brückeneinstürze und Finanzdebakel angeschlagenen Kronprinzen Gratz und Androsch übernehmen wird.

Abgesehen von den beiden ramponierten Nachwuchshoffnungen bleibt Kreiskys SPÖ unangefochten in der Favoritenrolle. Die Peitschenhiebe der letzten Wochen und Monate für Österreichs Wählervolk scheinen die in Sachen Staatseinnahmen recht erfinderische Regierung nicht im geringsten aus der Fassung zu bringen. Weiß sie doch um die absolute Sicherheit ihres Erfolgsrezeptes Bescheid, wonach das Zuckerbrot spätestens ein Jahr vor der nächsten Wahl - in Form einer längst fälligen Lohnsteuersenkung - nachgereicht wird. Das eigene Gewissen sowie das der vielen steuerzahlenden Parteisoldaten muß allerdings zusätzlich mit Hilfe einer recht aufwendigen Inseratenkampagne beruhigt und gehätschelt werden.

Mit welch verschiedenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen das gleiche vorgegebene Ziel angesteuert werden kann, konnte man in der „Zeit im Bild 1“ vor einigen Tagen recht drastisch miterleben: Da referierte Hannes Androsch sein übliches Sprüchlein, daß eben Tarif- und Gebührenanhebungen (welch schönes Wort) zwar unpopuläre Dinge seien, daß aber zur Erhaltung der Vollbeschäftigung… Unmittelbar zuvor konnte man hören, wie Amerikas neuer Präsident Jimmy Carter der Wirtschaftsflaute zu Leibe zu rücken gedenkt: Er schlägt vor, eine Steuerreform zugunsten der kleinen und mittleren Verdiener durchzuführen und auch den privaten Unternehmungen steuerliche Anreize zu schaffen.

Der unerfahrene Neuling von der Erdnußfarm scheint wohl alle gutgemeinten väterlichen Ratschläge aus Österreich, wonach nur Steuerschraube und Gebührenverdoppelungen die wirtschaftliche Basis sichern, in den Wind geschlagen zu haben.

Was das Auftreten der Parteien in der Öffentlichkeit betrifft, die sogenannte Parteidisziplin, scheinen die Sozialisten den Vorteil des ErfolgSi Mythos zu besitzen. Innerparteiliche Mißtöne, die es in jeder größeren Partei immer geben wird und muß, erscheinen bei den Sozialisten - sieht man nun von den jüngsten nicht geplanten Dissonanzen mit Lütgendorf ab, der neuerlich bewiesen hat, daß er im Kabinett Kreisky eigentlich ein Fremdkörper ist - stets als bewußte Demonstrationen innerparteilicher Meinungsvielfalt.

Wenn etwa SPÖ-Frau Herta Firnberg den Ladenschlußzeiten den Kampf ansagt und dabei dem mächtigen Gewerkschaftsbund ins Gehege kommt, dann ist das Pluralismus. Wenn aber Alois Mock vehement eine Lohnsteuersenkung fordert und Josef Taus sich noch nicht ganz entschließen kann, sein ganzes Gewicht auch in dieser Frage in die Waagschale zu werfen, dann sind die Spitzenpolitiker der Volkspartei gerade dabei, sich selbst zu zerfleischen, während die Funktionäre der zweiten Reihe bereits nach geeigneten Nachfolgern Ausschau halten. Und wenn dann die Jungsozialisten den Religionsunterricht umbringen wollen, dann ist das selbstverständlich die ungeheure Breite der sozialdemokratischen Bewegung.

Im abgelaufenen Jahr ist es Josef Taus als Führer der großen Oppositionspartei zwar gelungen, in der eigenen Partei Tritt zu fassen, vom großen Durchbruch in der öffentlichen Meinung kann aber wohl noch nicht die Rede sein. Liegt das daran, daß so mancher in der ÖVP nur gering daran interessiert ist, daß Taus ein zu starker Parteiobmann wird? Die Tatsache, daß Josef Taus heuer den Jahreswechsel in der Wildschönau feierte, wo er sich zum traditionellen Silvester-Trio Lanner, Mock und Busek gesellte, anstatt seine Getreuen in gekonnt patriarchalischer Manier um sich zu versammeln, mag nur ein triviales Detail sein.

Zu einem wirklich starken Parteiobmann kann sich Taus vermutlich nur selber machen, indem er in der Oppositionsstrategie einen akzentu- ierteren Kurs steuert. Was zugegebenermaßen leichter gesagt als getan ist. Doch dürfte Taus mit einer Strategie, die in grundsätzlich divergierenden Fragen wesentlich härter ist, bei den meisten seiner Parteifunktionäre zur Zeit nur offene Türen einrennen. Für viele war das, was die Volkspartei bisher im Parlament geliefert hat, nur politischer Altweibersommer. Ein Eigentor hat sich die Volkspartei ja offenbar auch mit dem versuchten Kraftakt in Sachen Watergate geschossen. Das, was als programmierte Attacke die Regierung aus der Reserve locken sollte, hat letztlich den Sozialisten eine unterwürfige Entschuldigung und der ÖVP Gelächter eingetragen.

Die Volkspartei hat heuer sicherlich manche Chancen: Die Chance, im Rahmen der angekündigten Phase der Alternativen zu beweisen, daß sie da ist, daß sie Regierungsverantwortung wieder übernehmen will und daß sie bei Wahlen wieder einmal siegen wül (das brauchen ihre Funktionäre). Die Chance, sich nach den gigantischen .Belastungswellen mehr denn je zum Anwalt der mittleren und kleinen Verdiener zu machen (das brauchen die Belasteten, die spätestens 1979 wieder Wähler sind). Und schließlich die Chance, die umformulierte, , nur rhetorische Frage „Taus - wer sonst?“ nicht andauernd in den verschiedenen’ Versionen selbst zu beantworten.

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