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Taus' Startschuß

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Die ÖVP mischte beim Parteitag der Sozialisten kräftig mit; sie war, wie Bundeskanzler Kreisky vor Journalisten verärgertfreimütig bekannte, der „steinerne Gast“ auf diesem Parteitag. Das lieferte ihm zuletzt den Grund dafür, die ÖVP und ihre Führung in seinem Marathon-Referat vor dem Parteitag mit keinem Wort zu erwähnen. Das taten andere und sehr ausgiebig: Leopold Gratz mit sehr feiner Klinge, Klubobmann Heinz Fischer mit dem schweren Säbel.

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Die ÖVP mischte beim Parteitag der Sozialisten kräftig mit; sie war, wie Bundeskanzler Kreisky vor Journalisten verärgertfreimütig bekannte, der „steinerne Gast“ auf diesem Parteitag. Das lieferte ihm zuletzt den Grund dafür, die ÖVP und ihre Führung in seinem Marathon-Referat vor dem Parteitag mit keinem Wort zu erwähnen. Das taten andere und sehr ausgiebig: Leopold Gratz mit sehr feiner Klinge, Klubobmann Heinz Fischer mit dem schweren Säbel.

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In der Volkspartei wurde das Interesse, das ihr die SPÖ widmete, mit einer gewissen Genugtuung registriert. Seit den ersten Februarwochen glaubt man wieder, den Boden unter den Füßen gefunden zu haben. Nach einer Welle der Kritik, die insbesondere dem sensiblen Parteiobmann Josef Taus galt, ihn traf, scheint man erkannt zu haben, daß das Tempo der politischen Entwicklung auch einer

Oppositionspartei nur wenig Zeit zur nachdenklichen Besinnung gibt.

Josef Taus erklärte zuerst in öffentlichen Erklärungen zum parlamentarischen Verhalten, daß die SPÖ ein merkwürdiges Demokratieverständnis besitze, es sogar daran mangeln lasse. Dieser Vorwurf drang tief in die Reihen der Sozialistischen Partei, die ja, aus welchen Gründen immer, von sich glaubt, die Wahrerin der Demokratie in Österreich zu sein. Doch auch Bruno Kreisky wußte kein besseres Argument gegen Josef Taus' Vorwurf, als den Verweis auf die „sozialistische Tradition“. Als ob damit tatsächlich aktuelles Verhalten erklärt werden könnte...

Zuletzt aber riß Josef Taus, unterstützt von allen Bündeobmännern und den ÖVP-Landeshauptleuten, die

Initiative in Sachen Marktordnung an sich. Grundsätzlich bekannte er sich zu einer Reform der Markt-ordnunigsgesetze, bot auch dazu eine Verhandlungsgrundlage an, sprach sich aber vehement gegen ein Machtdiktat der SPÖ aus (siehe FURCHE Nr. 10/76).

Siegt Josef Taus auf der Marktordnungsfront (und das ist heute jedenfalls nicht auszuschließen), so hat er sich in der Partei endgültig

durchgesetzt und außerhalb der Partei als der Mann dargestellt, an dem auch keine noch so selbstbewußte SPÖ vorbeikann. Josef Taus hat sein politisches Schicksal offenbar eng mit diesem Problem, das nun bald alle Jahre die Öffentlichkeit beschäftigt, verknüpft. Und er hat dabei soviel Vorsicht walten lassen, daß für beide Parlamentsfraktionen noch genügend Verhandlungsspielraum bleibt. Sollte die ÖVP freilich in der Regelung der Marktordnuingsprobleme am Justa-mentstandpunkt der SPÖ scheitern, so könnten Schwierigkeiten in der Ernährungssicherung (insbesondere in den großen Städten) ihre Linie nachträglich bestätigen. Dann aber hätte man es in Österreich mit einer Situation zu tun, die auch eine breitere Öffentlichkeit mit der Frage

beschäftigen sollte, ob mächt eine übermächtige SPÖ auf der einen Seite mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht zu Rande kommt und auf der anderen Seite neue provoziert. Eines aber darf man nicht ganz ausschließen: daß die Ernährungssicherung in Österreich nach einigen Startschwierigkeiten auch mit einer völlig geänderten Marktordnung funktioniert. Für diesen sehr unwahrscheinlichen Fall wäre es für die ÖVP und ihre Führung gut, recht rasch vergessen

zu machen, mit wieviel Vehemenz sie sich hier engagiert hat.

Demnach beruht auch die ÖVP-Offensive auf Schwachpunkten. Das kann freilich nichts daran ändern, daß sie läuft und daß sie Zustimmung findet. Stärker als das in den Medien zum Ausdruck kommt, lechzt das Parteivolk nach Reideolo-gisieruhg und SP-Vorsitzender Bruno Kreisky hat nicht ohne Grund in seiner Parteitagsrede den Fragen des Verhältnisses von katholischer Kirche und Sozialismus so großen Raum gegeben. Wahrscheinlich hat

Josef Taus durch seine Äußerung über den „politischen Katholizismus“ den Startschuß ein wenig unvorbereitet abgegeben. Aber dieser Startschuß hat eine gewisse Bewegung ausgelöst. Vorläufig greift in erster Linie die ÖVP-Führung, geschickt von Kurt Bergmann, dem neuen VP-Hauptgeschäftsführer, gespornt, an. Es ist anzunehmen, daß diese Offensive recht bald, auf breiter Basis vorgetragen, auch Kräfte erfassen wird, die bislang zur Volkspartei ein eher distanziertes Verhältnis unterhalten haben.

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