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Mit demvielbejubelten Schlußreferat von Josef Taus am Linzer Parteitag hat sich die Volkspartei gewissermaßen von sich selbst distanziert. Oder besser gesagt: Sie hat sich von dem Klischeebild gelöst, das ihr wegen ihrer Sozialpartnerrolle von den Sozialisten in den letzten Jahren immer nachhaltiger unterschoben wird, von dem Klischeebild, das die Volkspartei als Repräsentant der „Industriellen und Großagrarier” ausweist.

Daß Taus sich seine ersten Sporen im Kummer-Institut verdient hat, daß er als sozialpolitischer Referent des ÖAAB eine stark sozialreformerische Note in den vernachlässigten Arbeitnehmerflügel der ÖVP gebracht hat, ist hinlänglich bekannt. Auch seine Vorliebe für Mitbestimmungs- und Vermögensbildungsdiskussionen. Wenn Josef Taus aber sein überzeugendes Plädoyer für die Idee der Vermögensbildung vor versammelter Mannschaft - einschließlich Wirtschafts- und Industrievertreter - fast in den Mittelpunkt seiner politischen Selbstdarstellung rückt, dann ist das mehr als nur ein Signal.

Zuerst bezeichnete der Parteichef geschickt die Marktwirtschaft und das Eigentum als die „tragenden Säulen unserer freien Gesellschaft”, um dann über den Umweg des möglichst breit gestreuten Eigentums seine Botschaft zu verkünden: „Vermögensbildung, wie wir sie verstehen, ist ein gesellschaftspolitisches Anliegen, das der Staat unterstützen muß, in das er aber nicht dirigistisch eingreifen darf.” Das Modell Taus soll sich auf die betriebliche Ebene beschränken und auf Freiwilligkeit und Partnerschaft beruhen. Welches gesellschaftspolitische Ziel hinter seinem Vermögensbildungsmodell stecke, stellte Taus sich selbst die Frage: „Mit- zühelfen, daß unsere freie Gesellschaft funktionsfähiger wird, daß die großen Machtkonzentrationen aufgelockert werden und möglichst viele Menschen zur Mitverantwortung im wirtschaftlichen Bereich motiviert werden.”

Die Alternative zur als Schreckgespenst an die Wand gemalten Kapitalistenpartei, war aber im Taus-Referat nicht die einzige Alternative: Nach dem wenig informativen „Ideologie- Gespräch” mit Kreisky im Fernsehen, holte Taus in Linz manches nach. Als Kontrast zur sozialistischen Klassenpartei skizzierte er das Bild einer sbzia- len Integrationspartei, von der Partnerschaft geprägt, als Bollwerk gegen Vermassung und Kollektivierung.

Weltanschauliches Profil verlieh Taus sich und seiner Partei auch in der Frage der Familie: „Eine der bedeutendsten Bastionen gegen das Kollektiv, gegen die Vermassung ist die Familie… Die ÖVP lehnt daher jeden Versuch ab, die Faihilię zu zerstören oder auch nur zu schwächen.” Ebenso scharf wies er alle Angriffe der Sozialisten gegen den Religionsunterricht zurück und verurteilte die Haltung der SPÖ zum Volksbegehren der Aktion leben”, ohne freilich über die Haltung seiner Partei näheres auszusagen.

In der wiederbelebten Strafrechts- diskussion mag man stehen, wo man will, zu leugnen ist jedenfalls nicht, daß ständigen Alarmrufen aus den Bundesländern und auch aus Wien über chronische Unterbesetzung der Sicher heitsbehörden ein langsam aber stetig zunehmendes Sicherheitsinteresse der Bevölkerung gegenübersteht. Wer sich einmal mit dem Schlagwort „Häfenurlaub” die Finger verbrannt hat, dürfte der Öffentlichkeit wohl kaum als Anwalt dieses Sicherheitsinteresses in den Sinn kommen.

Insgesamt ergibt sich das Bild: Die große Oppositionspartei hat sich in letzter Zeit überraschend profiliert. Als beachtliche Bewegung, die ihre theoretischen Fundamente nicht mehr vorwiegend mit antimarxistischkn Ausfällen nährt, aber auch als Bewegung, die die entscheidenden Schichten ganz gut anspricht: Die Arbeitnehmer und die Jugend mit dem Trio Taus-Mock- Lanner, die Wiener mit dem 1. Geiger Busek und die Alten mit dem Virtuosen Withalm, der versprochen hat, nicht mehr Kapellmeister werden zu wollen.

Ein wesentlicher Aspekt ist am Parteitag zu kurz gekommen: Der wohldosierte Meinungs-Pluralismus. Vor allem in der Bildungspolitik hätten hin und wieder stärker kontroversielle Meinungen vielleicht zu einer tiefer . schürfenderen Debatte geführt. So lag zeitweilig die Lustlosigkeit von Parlaments-Budgetdebatten in der Luft, was auch daran gelegen sein mag, daß die Parteispitze an Anträgen der Teilorganisationen oder einzelner Länder kein besonderes Interesse zeigte.

Der Parteitag dürfte Josef Taus die leicht verständliche Scheu vor Sondermeinungen aus seiner Partei genommen haben. 99,1 Prozent sind für den Kanzlerkandidaten eine sichere Fahrkarte zur Wahl 1979.

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