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1000 Tage für Kreisky und Taus

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Zu Jahresbeginn 1976 schrieb DIE FURCHE, das Jahr werde für den Obmann der großen Oppositionspartei, Josef Taus, das entscheidende Jahr auf dem Weg an die Regierungsspitze sein; ein Ziel, das Josef Taus für das Jahr 1979 klar und eindeutig deklariert hatte. Bald ist es ein Jahr her, daß Taus nach dem Tod von Karl Schleinzer die Parteiführung übernommen hat, schon ist auch die erste Hälfte des entscheidenden Jahres für Taus und seine Partei vorüber.

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Zu Jahresbeginn 1976 schrieb DIE FURCHE, das Jahr werde für den Obmann der großen Oppositionspartei, Josef Taus, das entscheidende Jahr auf dem Weg an die Regierungsspitze sein; ein Ziel, das Josef Taus für das Jahr 1979 klar und eindeutig deklariert hatte. Bald ist es ein Jahr her, daß Taus nach dem Tod von Karl Schleinzer die Parteiführung übernommen hat, schon ist auch die erste Hälfte des entscheidenden Jahres für Taus und seine Partei vorüber.

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Josef Taus hat, so oder so, überrascht. Nur wenige hätten gedacht, daß es ihm nicht gelingen werde, das VP-Hauptquartier in der Kärntner-Straße rasch durchgreifend zu reorganisieren. Dieses Versprechen hat Taus bislang noch nicht ganz erfüllt, (andere hat er schon ganz fallen gelassen, eines scheiterte vorläufig am Widerstand von Parteifunktionären. Die Rolle des Marketing-Chefs wurde mit Kurt Bergmann früh besetzt; toed der Besetzung des obersten Folit-tProduaenten griff Taus nach langem Zögern auf Heribert Steinibauer fcsuirück; Chef der Servicestelle wurde nach Steinibauer schließlich Peter Btochstaanl, ein Mann mit großer 'Ausdauer und noch größerem) Ein-satzwtulen. Es handelt sich in allen drei Fallen um durchwegs gute, freilich aber um keineswegs spektakuläre Besetzungen. Josef Taus, der vor seinen endgültigen Entscheidungen viele Gespräche führte, weiß das nur zu genau.

Josef Taus wollte noch vor wenigen Monaten nicht nur die Säulen des Panteiapparates, sondern auch wichtige Funktionen in einigen Lan-tiesorganisationen neu besetzt wissen. Dabei ist es ihm vorläufig ebenso ergangen wie bei dem geplanten Projekt einer zentralen ÖVP-Tages-oder Wochenzeiturug: er mußte angesichts tatsächlich unüberwindbarer Schwierigkeiten zurückstecken. Das spricht weder für noch gegen Taus, es zeigt nur, wo der Parteikader und auch die finanziellen Möglichkeiten ihm Grenzen ziehen, die er noch vor Jahren aus der Distanz für verhältnismäßig leicht überwindibar gehalten hätte. Der Plan, am Kärntner-rintg ein neues Parteihaus einzurichten, wird noch immer diskutiert Nicht alle Funktionäre wollen und können dieser Idee von Taus folgen, die insofern bestechend ist, als sie auch eine örtliche Konzentration der über halb Wien verstreuten bündischen Organisationen vorsah.

Überrascht hat Josef Taus dagegen mit der schon sehr früh proklamierten Idee, einen harten Kurs in der Ideologie-Debatte zu steuern. Dahinter steckt vor allem der Gedanke, alle ÖVP-Funktionäre zwischen dem Neusiedler- und dem Bodensee auf einen gemeinsamen Gegner, eben den Sozialismus, einzuschwören. In der ersten Hälfte dieses Jahres ist die Volkspartei des Josef Taus noch immer unterwegs zu diesem Ziel. Das hat mehrere Gründe, die Josef Taus nicht persönlich zu verantworten hat. Ideologie-Diskussionen sind recht schwierige und auch anspruchsvolle Vorhaben, für die nicht jeder Funktionär von vornherein begeisterungs-fäihig und tauglich ist. Immerhin ist es bemerkenswert, daß diese Diskussion auf ÖVP-iSeite noch zu keinen Ausfällen einzelner Funktionäre geführt hat.

Die SPÖ-Strategie versucht recht uiwerhüllt, Josef Taus zu einem Aggressor in der österreichischen Innenpolitik abzustempeln. Wahrscheinlich wind sie daraus heute schon das Wahlkampftfhema für das Jahr 1979 erfinden. Angesichts der Wiillenlosigkeit zahlreicher sozialistischer Funktionäre, links oder rechts von den Propaganda-Parolen eine eigene Meinung zu bilden, birgt das für den ÖVP-Kanzlerkandidaten des Jahres 1979 zahlreiche Gefahren. Er bestreitet die Ideologie-Debatte in seiner Partei ziemlich allein. Es dürfte für ihn schwierig werden, spätestens im Jahre 1978 aus der Rolle des Angreifers in die Rolle des versöhnlichen und einenden Staatsmannes zu wechseln/ Allerdings: Dieses Kunststück vollbrachte seinerzeit auch SP-Obmann Kreisky. Sein politischer Stil war vor 1970 nie so,

daß man sich von ihm auch hätte versöhnliche Worte erwarten dürfen.

Da Kreisky, so es seine Gesundheit erlaubt, auch 1979 für die sozialistische Partei kandidieren dürfte, scheint die Rollenverteilung im nächsten Wahl'kampf klar zu sein: Hier der siebzigjährige erfahrene Staatsmann, dort der knapp fünfiundvier-zigjährige Angreifer, dem die gegnerische Propaganda wildes ideologisches Rumoren und Unerfahrenheit zugleich unterstellt. War schon der letzte Wahlkampf allein auf Kreisky abgestellt, so wind der nächste Wahl-kampf die Monarchen-Rolle des derzeitigen Bundeskanzlers — so dies überhaupt möglich ist — noch mehr betonen. Mit einiger Sicherheit wird diese Auseinandersetzung im Stile eines Präsidenten-Wahlkamipfes geführt, frei von Sachfragen, auch frei von ideologischen Unterschieden. Eine von der ÖVP in Auftrag gegebene Untersuchung ergab, daß Bundeskanzler Dr. Kreisky dabei gar auf

60 Prozent der Wählerstimmen kommen würde, Josef Taus dagegen nur auf rund 30 Prozent Nur: bis 1979 vergehen noch mehr als tausend Tage, ergeben sich noch mehr als tausend Chancen und tausend Gefahren für die beiden Parteiführer. Unbestritten ist, daß Josef Taus in den letzten Monaten starke Gewinne im Meinungsklima erzielt hat, freilich noch nicht auf Kosten Kreiskys, sondern vor allem auf Kosten von Fi-

lanzminister Androsch, Kreiskys jieblings-Kronprinzen. Unbestritten st auch, daß Taus immer näher an ^eopoW Gratz kommt, der, wie die Dinge liegen, den Baurirag-Skandal loch lange nicht durchgestanden hat; ler übrigens aber immer deutlicher lavon schwärmt, einst als Nachfolger Rudolf Kirchschlägers für das höch-:te Amt in Österreich zu kandidieren ...

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