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Die Spitalsfront der Länder hält

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Die Stellungnahme zur Frage der Spitalsfinanzierung markieren innerhalb der Regierungspartei Positionen, Gruppierungen und ihre Bedeutung. Der Kreisky-Vorschlag, eine Auto- Sondersteuer einzuheben, fiel, sieht man von Gesundheitsminister Ingrid Leodolter ab, nirgendwo auf fruchtbaren Boden. Weil aber der Androsch- Vorschlag nach Spitals-Selbstbehalt den SPÖ-Sozialpolitikem und Gewerkschaftern völlig unzumutbar erscheint, bildete sich die eher schwache Koalition zwischen Kreisky und Gewerkschaft, der auch Wiens Bürgermeister Leopold Gratz beitrat. Mehr aus taktischen, denn aus sachlichen Gründen. Und eher still und heimlich denn laut und offen. So wie Androsch weiß auch Gratz, daß an der Lösung der Spitalsfinanzierungsfrage eine wichtige Vorentscheidung für die Nachfolge des doch schon recht halsstarrig gewordenen Bundeskanzler Kreisky fallen wird.

In seiner eigenen Partei gibt es keine einheitliche Länderfront. Den oberösterreichischen SP-Obmann Hartl läßt diese Angelegenheit ziemlich kalt; also versucht er sich im Land ob der Enns als eigenständiger Politiker zu profilieren, der sich keine Direktiven aus Wien gefallen lassen muß - ein scharfer Kreisky-Rüffel („der Herr Hartl“) war die Antwort. Den Tiroler SP-Obmann Salcher kann die Spitalsfinanzierung wiederum nicht so kalt lassen, weil die Spitäler in Tirol - nach denen in Wien - am defizitärsten sind. Er liegt in dieser Frage eher auf der Linie von Androsch, vielleicht auch deshalb, weil ihn auch persönlich mit Androsch mehr als mit Gratz verbindet. Letzterer hat die sachliche Beurteilung des Problemkreises an Finanzstadtrat Mayr delegiert, um jede negative Profilierung zu vermeiden.

Benyas Stellvertreter im ÖGB, Alfred Daüinger, kritisierte wiederum den Kreisky-Vorschlag schärfer als den von Androsch, weil er weiß, daß innerhalb des ÖGB die Spitalsfinanzierung Sache seines Rivalen um die Benya-Nachfolge, Karl Sekanina, ist. Vielleicht, so mag er sich gedacht haben, stolpert Sekanina über diese Frage. Doch der tut ziemlich unbeteiligt und kümmert sich derzeit fast ausschließlich um den Fußball.

Gar so ungeschickt war die Absicht Kreiskys, in der Frage der Spitalsfinanzierung die ÖVP-Länder gegen die VP-Bundesparteileitung auszuspielen gewiß nicht. Dahinter steckt die Idee, die tiefen Risse in der SPÖ-Länder- einheit zu verdecken und zugleich die ÖVP in die Mitverantwortung einzubinden, ihre Zustimmung zu einer einschlägigen Steuererhöhung zu erwirken.

Diese Strategie war nur gefährlich, weil sie, sobald die ÖVP sie überzieht, gegen Kreisky, seine Partei und seine Regierung laufen mußte. Und genauso ist es gekommen. Mit dem Appell an die Parteidisziplin gelang es Josef Tais, die Länder- und Interessensprecher in seiner Partei auf eine gemeinsame Linie zu bringen, auch dann zu schweigen, wenn man dazu sehr viel zu sagen hätte. Nur der Androsch-Vorschlag, der genauso gut von der ÖVP hätte kommen können, brachte die disziplinierte Front ein wenig ins Wanken. Daß sie zu fallen nie in Gefahr geriet, verdanken Taus und seine ÖVP dem Umstand, daß eine nervös gewordene SPÖ plötzlich den traditionellen Part der ÖVP spielte, jeder - auch so unverständige Leute wie Minister Leodolter („ich würde mit den Spitälern schon fertig“) - plötzlich etwas zu sagen wußten und damit die Öffentlichkeit verwirrten.

Der einzige Trumpf Kreiskys in dieser Auseinandersetzung war und ist eine möglicherweise uneinige ÖVP. Dier Trumpf hat bislang nicht gestochen. Hält die ÖVP auch im Herbst ihre im Sommer virtuos gespielte Einigkeit durch, ist also Kreiskys.Strate- gie gefallen, so werden die Auseinandersetzungen innerhalb der SPÖ und der Regierung weiter zunehmen. Für Kreisky-Gegner aber auch Kreisky- Freunde innerhalb der Partei wird dann feststehen, daß der Parteivorsitzende die politische Strategie und Taktik nicht mehr so gut wie einst beherrscht, daß er in einem „Spiel“ gegen den weit jüngeren Taus verloren hat. Und aus all dem mag sich rascher entwickeln, was in diesem Sommer begonnen hat: der Abschied vom Mythos des unverwundbaren politischen Spielers Bruno Kreisky.

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