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Eine gezielte Indiskretion?

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„Den Vorwurf der Vermischung von Politik und Geschäft muß man mir erst beweisen", sagte Vizekanzler Hannes Androsch im September 1978, als die Berichterstattung über seine Steuerkanzlei „Consultatio" hohe Wellen der Empörung auch in der SPÖ schlug.

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„Den Vorwurf der Vermischung von Politik und Geschäft muß man mir erst beweisen", sagte Vizekanzler Hannes Androsch im September 1978, als die Berichterstattung über seine Steuerkanzlei „Consultatio" hohe Wellen der Empörung auch in der SPÖ schlug.

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Dieser Vorwurf wurde damals nicht bewiesen, und er läßt sich auch im Zusammenhang mit dem Kon-trollamtsbericht der Gemeinde Wien über die äußerst mangelhafte und sündteure Organisation und Planung des Allgemeinen Krankenhauses (AKH) Wien nicht beweisen.

Einmal darf es keinem AKH-Direk-tor verboten sein, mit Vizekanzler Androsch am Floridsdorfer Gymnasium maturiert zu haben. Anderseits ist es dem Geschäftsführer der Steuerkanzlei des Finanzministers nicht grundsätzlich verboten, sich an einem Unternehmen zu beteiligen, das über die Planungs- und Errichtungsgesellschaft des Allgemeinen Krankenhauses millionenschwere Aufträge ergattert.

Ist es auch keine gute Optik, daß die „Consultatio" Androschs die zwischengeschaltete „Arbeitsgemeinschaft Betriebsorganisation" steuerlich berät, so ist das formalrechtlich völlig in Ordnung - genau so, wie der „Consultatio"-Geschäftsführer Franz Bauer seinerzeit die ausdrückliche Zustimmung des Mehrheitseigentümers Androsch für die Beteiligung an der „ökodata" benötigt hat.

Und diese „ökodata", mit der Vizekanzler und Finanzminister Androsch formal überhaupt nichts zu tun hat, ist der große finanzielle Nutznießer an der zumindest problematischen Planungs- und Vergabepolitik des AKH-Vorstandes.

Es gibt in der SPÖ hohe Funktionäre, denen es gar nicht unangenehm war, daß der an sich geheime Kon-trollamtsbericht gerade jetzt das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat. Bürgermeister Leopold Gratz, dem die Sache mit der Wiener Volksbefragung von Anfang an nicht paßte, ist einer davon. Die AKH-„Enthül-lung" hat vom Desaster dieser Volksbefragung zumindest abgelenkt.

Auch SPÖ-Klubobmann Heinz Fischer zählt nicht unbedingt zu den Geschädigten der AKH-Affäre. Dennoch sollte man Fischer fairerweise nicht die Alleinschuld an der recht müden Androsch-Verteidigung der SPÖ-Fraktion im Parlament während zweier dringlicher einschlägiger ÖVP-Anfragen geben.

Heinz Fischer ist derzeit Kreiskys Mann für dessen Nachfolge als Bundeskanzler und/oder SPÖ-Parteiob-mann. Vizekanzler Androsch gilt als Mann des ÖGB-Präsidenten Anton Benya, der wiederum auch Heinz Fischer sehr schätzt. Hinter dem Nachfolger-Duo Androsch und Fischer liegt Leopold Gratz weit abgeschlagen zurück. Er ist heute nur noch ein Königsmacher mit guten Aussichten, dereinst Bundespräsident Rudolf Kirchschläger in den Leopoldini-schen Trakt der Hofburg nachzufolgen.

Das schlechte Verhältnis zwischen

Kreisky und Androsch ist politnoto-risch. Innerhalb der SPÖ will man freilich auch ein Abrücken Benyas von seinem Favoriten Androsch bemerkt haben. Benya, soviel ist bekannt, zeigt heute unverhülltes Interesse an Informationen über den privaten und politischen Stil des Vizekanzlers. Und dabei gibt ihm, so heißt es, zu denken, wie eng hier oft die Fäden zu diversen Partei- und Geschäftsfreunden des Finanzministers gesponnen sind.

Ein anderer Macher in der SPÖ, Schöps-Geschäftsführer Kurt

Heirtdl, dürfte djen ÖGB-Präsidenteh heute ebenfalls wegen seiner Geschäftstüchtigkeit in einem Maße interessieren, das über die reine Parteifreundschaft hinausgeht.

Vizekanzler Hannes Androsch hat sich auch der Wahl vom 6. Mai 1979 bemerkenswert rasch von seinen politischen Blessuren erholt. Er zeigt sich immer stärker am politischen Hobby des Regierungschefs, der Außenpolitik, interessiert und riskiert für diese Liebhaberei auch lange Absenzen von seinem Aufgabengebiet, der Budget- und Wirtschaftspolitik.

Darüber ist nicht nur Kreisky persönlich verbittert, sondern ÖGB-Prä-sident Benya äußerst verärgert. Die jüngste Zinsdiskussion wurde fast ausschließlich von den Bankenvertretern geführt, während das Finanzministerium in der Himmelpfortgasse stumm blieb. Finanzminister Androsch eilte gerade im Nahen und Mittleren Osten auf Geschäftsreisen umher.

Es war nicht der AKH-Bericht des Kontrollamts der Gemeinde Wien, der innerhalb weiter Kreise in der SPÖ Verbitterung und Verärgerung über den Stil Androschs ausgelöst hat.

Dieser Bericht war - ganz gegen sonstige Gewohnheiten der Rat-haus-Kontrollore - von Beginn an so abgefaßt, daß dadurch insbesondere Androsch und die Firmengruppe rund um Androsch-Partner Bauer ins Zwielicht geraten mußte. Und es sprechen viele Indizien dafür, daß dieser Bericht nicht über die „böse" ÖVP-Opposition im Wiener Gemeinderat an die Öffentlichkeit gelangte, sondern über Teile der Wiener SPÖ selbst.

In diesem Zusammenhang wird von Seiten der Wiener SPÖ darauf hingewiesen, daß Magistratsdirektor Josef Bandion, ein enger Vertrauter des Wiener Bürgermeisters, rechtzeitig und empört die Kündigung einer der Hauptfiguren in der AKH-Affäre, Siegfried Wilfling, beschleunigte. Josef Bandion kennt die AKH-Zusam-menhänge wohl am besten. Bis 1975 war er auf Wunsch von Leopold Gratz alleiniger Vorstandsdirektor der AKH-Plariungs- und Errichtungsge-sellschaft.

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