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Minister und Mandatar ist zuviel

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So ist das eine saubere Lösung: Weil Hannes Androsch in den Vorstand der Creditanstalt-Bankverein einzog, ist sein Schwiegervater Paul Schärf aus dem Aufsichtsrat dieses Instituts aus­gezogen. Die familiären Bande zwi­schen dem Kontrollierten und dem Kontrollor wären denn auch berechtig­ter Stein des Anstoßes gewesen.

Eine noch anstößigere Konstruktion hat der Gesetzgeber im konkreten Fall ohnehin von vornherein ausgeschlos­sen: daß Hannes Androsch sein eigener Aufsichtsrat sein kann. Auch wenn der Vergleich hinkt: In einer ähnlichen Doppelrolle wirkte freilich Androsch nunmehr zehn Jahre hindurch.

Nach seinem Rücktritt als Vizekanz­ler und Finanzminister am 20. Jänner scheidet er nun auch als Volksvertreter aus dem Nationalrat aus.

Über seine Bedeutung als Regie­rungsmitglied seit dem April 1970 läßt sich, je nach Standort, viel Wohlwol­lendes oder Kritisches anmerken.

Schier unmöglich ist es aber, seine Bedeutung als Parlamentarier zu be­werten. Denn nur drei der insgesamt dreizehn Abgeordnetenjahre, jene der SPÖ-Oppositionszeit zwischen 1967 und 1970, war Androsch das, was man sich unter einem Abgeordneten vor­stellt: einer, der penibel die Regierung kontrolliert; und der in Parlamentsde­batten den Standpunkt seiner Wähler artikuliert.

Der Abgeordnete Hannes Androsch saß nun mehr als ein Jahrzehnt jeweils auf der falschen Seite: auf der Regie­rungsbank. Und Parlamentarier war er nur dann, wenn er bei knappen Mehr­heitsverhältnissen im Nationalratsple­num abstimmen mußte.

Es stimmt schon: Dem Buchstaben des Gesetzes nach ist das in Ordnung. Ebenso steht ihm jetzt von Gesetz we­gen eine Abfertigung von über 700.000 Schilling für seine dreizehn Parla­mentsjahre zu, die er zusätzlich zu den rund 1,4 Millionen Schilling erhält, auf die er nach seinem Ausscheiden aus der Regierung Anspruch hat.

Nein, nicht ums Geld für Androsch, nicht um Androsch geht es hier, son­dern ums Prinzip: Sollen wirklich Re­gierungsmitglieder Abgeordnetenman­date „versitzen“, wenn andererseits die Volksvertreter über Überlastung kla­gen? Und sind Abfertigungsansprüche dieser Art überhaupt moralisch ge­rechtfertigt?

Die erste Frage muß der, dem ein starkes und funktionsfähiges Parla­ment am Herzen liegt, mit einem klaren Nein beantworten. Bundeskanzler Bruno Kreisky sollte das ermutigen, von seinen Ministern neuerlich zu ver­langen, daß sie während ihrer Regie­rungstätigkeit ihr Mandat zurücklegen, auch wenn er damit 1979 am Wider­stand im eigenen Kabinett gescheitert ist. So würden sich auch die derzeit we­nig einleuchtenden Abfertigungsan­sprüche reduzieren.

Ansprüche, die sogar Politikern selbst nicht geheuer sind: So wäre zum Beispiel dem neuen niederösterreichi­schen Landeshauptmann Siegfried Ludwig deshalb eine Millionenabferti­gung zugestanden, nur weil er vom Stellvertreter zum Landeshauptmann avancierte.

Ludwig hat, das sei lobend erwähnt, darauf verzichtet. Was aber nicht be­deutet, daß auf eine generelle Geset­zesänderung verzichtet werden kann, die diesen Unfug abstellt.

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