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Sunnyboy ganz oben

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Dr. Hannes Androsch, 35, steht an der Popularitätsspitze der von der Sozialistischen Partei gestellten Bundesregierung. Dies mag und muß verwundern bei einem Mann, der immerhin das undankbare Amt des Finanzministers bekleidet; dessen Fähigkeit, sta-bilitätsorientierte Budgets zu erstellen und zu realisieren, ganz gewiß umstritten ist, dessen menschliche Eigenschaften teilweise in der eigenen Partei kritisiert werden; der hauptverantwortlich ist für die höchsten Inflationsraten in den letzten zwanzig Jahren.

Nun denn: Finanzminister Hannes Androsch weiß sich — behaupten die Demoskopen — von der Öffentlichkeit geschätzt, und das ist doch wiederum aucli nicht so unbegreiflich, wenn man in Rechnung stellt, daß die Medien- und Kommunikationsexperten der österreichischen Volkspartei gleich nach der Regierungsbildung im Jahr 1970 zur Auffassung gelangten, ein Sunnyboy sei kein geeignetes Ziel oppositioneller Kritik. Das würde, so meinte man damals, von der Öffentlichkeit nicht honoriert werden. Also konzentrierte man sich auf diverse Verteidi-gungs- und Agrarminister und suggerierte sich im übrigen die Hoffnung, damit wäre eigentlich genug getan. Dem war nicht so, und spätestens heute müßten die

VP-Kommunikationsexperten ihre Schlappe bei der Einschätzung politischer Zielrichtungen eingestehen.

Daß der jugendliche Finanzminister tatächlich nicht frei von Fehl und Tadel ist, die sich gelegentlich in einem gewissen Hang zur Arroganz äußern, hat sich schon bis an das Rednerpult im Nationalrat herumgesprochen. Erst war es Dr. Withalm, der Dr. Androsch im Verlauf der dringlichen Anfrage in der UNIDO-Causa ziemlich eindringlich ermahnte, doch nicht hinter dem Rücken von Abgeordneten despektierliche Grimassen zu ziehen und sich doch besser eines Verhaltens zu befleißigen, daß seiner Funktion und der Würde des Hohen Hauses angemessen ist.

Solche Ermahnungen fruchten bei dem feschen Finanzminister. Sogleich ruft er in Erinnerung, daß er schon einmal gesagt habe, daß der Ankläger so etwas wie sein politisches Idol sei und dergleichen mehr. Er bedaure die Kritik und werde sich zu bessern bemühen. Monate später überrumpelte er seinen Verhandlungspartner Dr. Schleinzer, indem er im Verlauf der EWG-Debatte von der Regierungsbank aus einen nicht paktierten Katalog neuer Maßnahmen präsentierte. Es geht nicht darum, ob nun diese Maßnahmen richtig oder falsch, politisch klug oder unklug waren; sicher ist nur, daß sie in Uberrumpelungsabsicht präsentiert wurden.

Derlei Methoden zerstören auch das ohnedies unterentwickelte Vertrauensklima zwischen Regierung und Opposition unnötigerweise. Sie bringen keine Gutpunkte und müssen den Unterhändler verärgern. Wieder war Dr. Androsch rasch mit Entschuldigungen zur Stelle. Das mochte beruhigen, kann aber letztlich darüber nicht hinwegtäuschen, daß der jugendliche Finanzminister in manchen Fragen des menschlichen und politischen An-stands noch nicht die volle Leistungsfähigkeit erreicht hat.

Auch viele Interviewer beklagen diese Schwäche Dr. An-droschs. Auf bohrende Fragen reagiert er — nun sagen wir — hochmütig. Liegt ihm daran, ein gutes Gesprächsklima zu erhalten, dann tendiert er dazu, die funkiionsbedingte Autorität des

Wissens in leicht professoraler Weise auszuspielen: „Das sind Fragen, über die man auch in Hochschulseminaren keine gültigen Antworten finden kann“ und dergleichen mehr.

Man kann Dr. Androsch gar nicht absprechen, daß seine Methode Erfolg hat, aber man könnte auch bezweifeln, daß dieser Erfolg von Dauer sein wird. Und dieser Zweifel kann ruhig auch dann aufrechterhalten werden, wenn die Demoskopen Hannes Androsch einen optimalen Popularitätsgrad bei der Bevölkerung bescheinigen.

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