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Beamte in der Zwickmühle

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Mehr als ein Drittel des Bundesbudgetvolumens entfällt auf die Personalausgaben; ein einziges Prozent Gehaltszuwachs für die Beamten kostet den Staat jährlich rund 800 Millionen Schilling; sie fahren auf den vorgezeichneten Geleisen der Pragmatisierung, praktisch unkündbar und mit dem Anspruch auf den gesetzlich verankerten Biennalsprung; ihre Pensionsregelung ist wesentlich günstiger als die der Beschäftigten in der Privatwirtschaft; es ist ihnen erlaubt, auch als Pensionäre einer Beschäftigung nachzugehen.

Diese großen Vorteile standen bis vor wenigen Jahren dem gravierenden Nachteil gegenüber, daß Beamte im allgemeinen schlechter besoldet sind als Beschäftigte in der Privatwirtschaft. Dieser Nachteil wurde in den letzten Jahren weitgehend aufgeholt. Angesichts der derzeitigen und auch künftigen Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt gilt heute ein fixes (prag- matisiertes) Dienstverhältnis mit dem Staat als höchst erstrebenswert: Lehramtsstudenten demonstrieren dafür auf der Straße, die Bewerbungen von Jungakademikem liefern den Beweis dafür, wie sehr der Staat als Arbeitgeber begehrt ist (von elf Interessenten an einem Arbeitsplatz im Außenministerium wurden kürzlich gleich acht schon nach dem ersten Test abgewiesen).

Es mag stimmen, daß Finanzminister Dr. Androsch parteipolitisch fahrlässig handelte, als er jüngst die Privilegien der Beamten zur Diskussion stellte. Beamten-Staatssekretär Karl Lausecker betonte prompt, daß „kein Mensch auf unserer Seite die Absicht hat, das gewachsene Dienst- und Besoldungsrecht der Beamten in Frage zu stellen“; ÖGB-Chef Benya zieh Androsch sofort der groben politischen Ungeschicklichkeit. Unterstützung erfuhr Dr. Androsch vor allem vom Präsidenten der Industriel- lenvereinigung, Igler, der zur Diskussion stellte, ob im Bereich von Bahn und Post tatsächlich 27jährige Mitarbeiter pragmatisiert werden sollen, und zwar mit allen Folgen, wie berufliche Immobilität, Wegfall des Leistungsanreizes und innere Einstellung zum Versorgungsstaat. Dr. Igler betonte, daß ÖVP-Parteiobmann Josef Taus so ähnlich dächte. Rudolf Sommer, Obmann der mehrheitlich schwarzen Beamten-Gewerkschaft, mobilisierte seine Mannen gegen „gezielte Aktionen und Angriffe von Spitzenfunktionären aus Politik und Wirtschaft“. Er will einen Zusammenhang zwischen den aktuellen Gehaltsverhandlungen zwischen Staat und Beamten (bis zum 3. Mid sollen die endgültigen Beamtenforderungen dem Finanzminister vorliegen) und den Äußerungen von Finanzminister Dr. Androsch erkannt haben, die einschlägig befaßten SP-Gewerkschafter ebenfalls. Nur ÖGB-Vizepräsident Sekanina stellte sich von der SPÖ auf Androsch’s Seite.

Tatsächlich hat sich Finanzminister Dr. Androsch den besten Zeitpunkt für die Beamten-Privilegien-Diskus- sion gewählt. Denn er weiß, daß heute nicht nur unter Jungakademikem der Staatsdienst besonderen Anreiz ausübt Auch die Arbeiter und Angestellten in der Privatwirtschaft wollen nicht recht begreifen, warum nur sie dem Arbeitsplatzrisiko ausgesetzt sind. In der Privatwirtschaft geistert wiederum die Sorge, daß der Geist der frühestmöglichen Pragmatisierung auch auf ihren Bereich übergreift. Diese Sorge wird beispielsweise von der Absicht einer Konkursversicherung für Arbeitnehmer genährt. Angesichts der tristen Situation im Staatshaushalt mußte Androsch die Initiative ergreifen, die Forderungen der Beamten auf ein aus seiner Sicht erträgliches Maß zurückschrauben. Wahrscheinlich wird der Wink mit dem Zaunpfahl seinen Zweck nicht verfehlen. Sollten bei den Gehaltsverhandlungen der Beamten weit geringere Gehaltszuwächse herauskommen als die Beamten-Gewerkschafter ursprünglich gefordert hatten, so können sie sich vor den Personalver- tretungs-Wählem noch immer darauf bemfen, daß sie eine Realisierung der Androsch-Vorstellungen zu dienstrechtlichen Fragen verhindert hätten. So hätten dann alle, Finanzminister Dr. Androsch, Beamten-Gewerkschafter Rudolf Sommer und Beamten-Staatssekretär Karl Lausecker, Erfolge erzielt. Ersterer fürs Budget, letzterer für die Beamten.

Doch Androschs Vorstellungen gehen weiter. Er läßt keine Gelegenheit aus, für eine Ausgliederung der Bundesbetriebe (Bahn, Post, Staatsdruk- kerei, Monopole etc.) zii plädieren. Damit wäre noch kein Schilling erspart, doch das Budgetdeffizit würde (optisch) um die Staatszuschüsse für marode Betriebe sinken. Mit einem Schlag würde dann das Budgetdefizit nicht 45, sondern „bloß“ 28 Milliarden Schilling betragen. Hier trifft sich Androsch mit den Anhängern des Gedankens der Reprivatisierung staatlicher Dienste und Leistungen. Und diese Anhänger stehen in seiner Partei und werfen ihm immer wieder eine Abkehr von den Gedanken des sozialistischen Parteiprogramms vor. Immerhin stellt man in der SPÖ bereits die Frage, ob es denn klug sei, ausgerechnet Dr. Androsch als Vorsitzenden der für den wirtschaftlichen Teil des neuen SP-Programmes zuständigen Kommission zu belassen. Innerparteilich ist heute Dr. Androsch schwächer denn je, da und dort nennt man ihn gar einen „Amokläufer“. Gleichzeitig verlangt man von ihm einen Abbau des Budgetdefizits, der mit konventionellen Mitteln gar nicht mehr möglich ist. Es bleibt offen, wann Dr. Androsch vor diesem Dilemma kapituliert. Derzeit liebäugelt er mit der Funktion des VÖE ST-Alpine-Generaldirektors.

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