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Steuerakt und spätes Kreisky-Erbe

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Freundschaft! Der traditionelle Parteigruß der Sozialisten erhält in diesen Tagen fast schon makabren Sinngehalt. Und sprichwörtliche Deutung: Versöhnter Feindschaft und geflickter Freundschaft ist wenig zu trauen.

„Es darf keinen Streit mehr geben." Damit hat Fred Sinowatz am 31. Oktober 1983 den Parteivorsitz angetreten.

Die SPÖ-interne Diskussion rund um den Steuerfall Hannes Androsch demonstriert die Ohnmacht des Burgenländers: Seine Ordnungsrufe werden schlicht negiert. Er kann reden, was er will, das Sagen haben andere.

Jolanda Offenbeck will in der Affäre Androsch Kreiskys Fingerabdrücke erkennen, der Ex-kanzler tobt über die „ungeheure Niederträchtigkeit". Er ruft nach dem Schiedsgericht, Rupert Gmoser nach dem Ehrengericht über Hannes Androsch. Der seinerseits sieht „politische Marodeure am Werk", während andere dunkle Gestalten seinen Steuerakt plündern dürfen: Ein Schriftstück nach dem anderen findet den Weg in Zeitungsredaktionen.

Abschreckende Praktiken bringen haarsträubende Fakten und Details ans Licht. Nicht minder erschreckend die Einsicht, daß sich der, der (noch) Vertrauen in die prüfende Tätigkeit der Finanzbehörden hat, als reiner Tor belächelt sieht.

Beängstigend auch die Maßstäbe, die in der Politik und ihrem Umfeld gelten: Jener Kreisky, der es abgelehnt hat, in einen Parteivorstand einzutreten, in dem ein Androsch sitzen würde, hat ihn gemeinsam mit Norbert Steger bereits in kleinkoalitionärer Eintracht in die Chefetage der Credit-anstalt-Bankverein gehievt. Da gibt es für den alten Exkanzler wie für den jungen Vizekanzler kein Entwischen aus der politischen Verantwortung, kein Verwischen der persönlichen Mithaftung bei diesem Androsch-Avancement.

Und Kreisky selbst ist es, der — in seinem Ärger — dem Konflikt jene Dimension verleiht, die weit über die persönliche Aversion hinausreicht: Androsch steht auch als Synonym für jene Parteitechnokraten, die in den Augen der alten und jungen Sozialisten Ursprung und Ziel der Sozialdemokratie zu verstehen verlernt haben.

Die Opposition könnte sich ob dieser Identitäts- und Führungskrise der SPÖ die Hände reiben: Ein zerstrittener Haufen vis-ä-vis erhöht die eigenen Chancen.

Was wahrscheinlich der ÖVP -vielleicht schon demnächst bei der Kärntner Landtagswahl — als Rückenwind nützt, schadet sicherlich im konkreten Fall dem Land: Die große Regierungspartei wirkt handlungsunfähig, gelähmt, mehr mit sich selbst beschäftigt als mit Regierungspolitik.

Das verbindet letztlich eine ungeklärte Androsch-Erbschaft mit dem politischen Kreisky-Erbe.

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