7169081-1982_39_05.jpg
Digital In Arbeit

Der verklärte Blick zurück

19451960198020002020

Jahrelang war Hannes Androsch der Buh-Mann der Nation: Wann geht er endlich? 1981 übersiedelte er aus dem Finanzministerium in die Chefetage der Creditanstalt-Bankverein. Und seither will in der veröffentlichten Meinung die Frage nicht verstummen: Wann kommt er denn wieder zurück? Der Buh-Mann als Retter der Nation?

19451960198020002020

Jahrelang war Hannes Androsch der Buh-Mann der Nation: Wann geht er endlich? 1981 übersiedelte er aus dem Finanzministerium in die Chefetage der Creditanstalt-Bankverein. Und seither will in der veröffentlichten Meinung die Frage nicht verstummen: Wann kommt er denn wieder zurück? Der Buh-Mann als Retter der Nation?

Werbung
Werbung
Werbung

Seinerzeit kamen ihnen bei der Budget- und Wirtschaftspolitik von Hannes Androsch die Tränen: die Belastungspolitik ruiniere die Wirtschaft.

Seinerzeit war er der Buh-Mann der Nation: AKH-Skandal, seine Steuerberatungsfirma „Consultatio”, die Finanzierung seiner Villa in Wien-Neustift brachten das Faß zum Uberlaufen.

Heute weinen bedeutende wie kleine Wirtschaftskapitäne scheinbar Hannes Androsch nach. In jenen Zeitungsspalten, in denen bis vor kurzem noch mit dem Machertyp A. abgerechnet wurde, herrscht heute Androsch-Nostal-gie. Und sogar in Oppositionskreisen quillt mehr oder minder heimlich die Träne.

Georg Mautner Markhof, Wirtschaftsberater jener FPÖ, die Androsch in die Chef etage der Credit-anstalt-Bankverein gehievt hat, würde es „sehr begrüßen, wenn ein Mann vom Format und dem wirtschaftlichen Verständnis eines Androsch an der Spitze der Regierung stünde”.

Und Manfred Mautner Markhof, Präsident der Wiener Industriellenvereinigung, hatte „eigentlich immer das Gefühl, daß Finanzminister Hannes Androsch die Wirtschaft sehr verstanden hat”. Selbstverständlich würde auch er es begrüßen, „wenn wir in der Ära nach Kreisky in der sozialistischen Partei Menschen in der Führung sehen, die die Wirtschaft wirklich kennen und verstehen”.

Anton Benyas Sympathie für Hannes Androsch ist ungebrochen. Andere Gewerkschafter können es kaum mehr erwarten:

„Ich persönlich bin der Meinung, daß man ein politisches Talent besonderer Art, wie es Androsch ist, auf Dauer nicht brachliegen lassen kann”, plädiert Chemie-Gewerkschafter Alfred Teschl für eine neue SPO-Karriere des CA-Generals.

Jungsozialisten, die bei SPÖ-Parteitag 1982 in Graz gegen die Wiederwahl Androschs in den Parteivorstand rebellierten, wurden Opfer ihrer Geradlinigkeit: statt Androsch scheiterte fast SP-Jugendchef Josef Cap.

Im „inoffiziellen” Politik-Tratsch ist der ehemalige Vizekanzler präsent wie eh und je. Die Frage nach seiner Rückkehr in die Politik ist fast schon unverrückbarer Stehsatz der Interviewer.

Androsch, komm bald wieder? Vergessen ist scheinbar, daß es Androsch war, unter dem das Budgetdefizit von 7,7 Milliarden auf 50 Milliarden Schilling expol-dierte; vergessen ist, daß die Staatsschulden von 45 Milliarden Schilling im Jahr 1970 auf runde 260 Milliarden Schilling im Jahr 1980 stiegen; verdrängt wird offensichtlich, daß unter dem „besten Finanzminister der Zweiten Republik” (Kreisky) die Steuerquote von 36,5 auf über 41 Prozent stieg. Und niemand spricht mehr darüber, daß es die verfehlte Budgetpolitik in den Hochkonjunktur-jahren bis 1974 war, deren Folgen jetzt Finanzminister Herbert Saldier auszubaden hat.

Androsch, komm bald wieder? Wenn in bestimmten Wirtschaftskreisen jetzt eher nostalgisch der Androsch-Ära gedacht wird, ist das mehr Verzweiflung als Hoffnung: man vermißt einen Gesprächspartner, den man als gleichwertig akzeptiert.

Und wer traut sich schon, gegen ein Androsch-Comeback zu sein, wenn er vielleicht dochjeinmal in die Politik zurückkehrt?

Das ist langfristig nicht opportun und mittelfristig nicht nützlich: Immerhin ist Hannes Androsch heute als CA-Chef der einflußreichste Wirtschaftsmanager Österreichs, der Mann, der für viele und vieles am Geldhahn sitzt.

Androsch braucht da keinen Finger rühren, um im Gespräch zu bleiben. Den Rest besorgt sein Clan, seine Freunde und deren Kreis, die er ip seiner Zeit als Finanzminister gezielt in der staatsnahen Wirtschaft untergebracht hat.

Da ein „G'schichterl”, dort eine Spitze gegen den Androsch-Nachfolger: eine Spielwiese für die „Androsch-Partie” (Kreisky) und innenpolitische Kulissenschieber.

Die Hautevolee, die Androsch in den Jahren bis 1981 um sich geschart hat, die Hautefinance, die ihn als ebenbürtigen Partner betrachtet, und eine Handvoll Journalisten, für die der Name Androsch (gleichgültig in welchem Zusammenhang) immer für eine Nachricht gut ist (und sei es nur, um Kreisky damit zu ärgern), sorgen dafür, daß Androsch politisch nur scheintot scheint: Die An-drosch-Nostalgie ist eine Hysterie der Insider.

Und sie wird geschürt. Mitte September landete auf dem Redaktionsschreibtisch der „Salzburger Nachrichten” eine Fessel-Umfrage, die Androsch hinter Fred Sinowatz und Alois Mock als möglichen Kreisky-Nachfol-ger ausweist.

Auftraggeber dieser Untersuchung war, stellte sich heraus, jene Team-Werbeagentur, die sonst für die Tabakregie arbeitet. Woraus „Die Presse” schloß: dahinter stehe (was dieser dementiert) der ATW-Vizegeneral Beppo Mauhart, Androschs Sekretär und Busenfreund aus besseren Tagen.

Uber den Auftraggeber darf weiter gerätselt werden, an der

Umfrage selbst ist nichts rätselhaft: Zwar wurde das Material erst jetzt Journalisten zugespielt, um dem „logischen Nachfolger” Mock eins auszuwischen, doch wurde die Umfrage selbst zu einem Zeitpunkt geboren, zu dem Kreiskys Gesundheitszustand Gegenstand von Spekulationen war.

Sehen Androsch-Verehrer seine Stunde kommen? Oder sehen sie nicht vielmehr ihr Stunde wiederkommen?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung