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Der Kapitalsozialist aus Floridsdorf

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Die Person des Hannes Androsch spaltet nicht nur die Sozialisten. Es gibt auch im sogenannten bürgerlichen Lager kontrover-sielle Auffassungen und Einschätzungen.

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Die Person des Hannes Androsch spaltet nicht nur die Sozialisten. Es gibt auch im sogenannten bürgerlichen Lager kontrover-sielle Auffassungen und Einschätzungen.

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Vieles in der Politik, jedenfalls mehr als man glaubt, ist rational nicht erklärbar. Emotionen, unbewußte Reaktionen schaffen Stimmungen, erzwingen Ent-

Scheidungen, rufen Pläne hervor oder zerstören sie.

In diesen oft verdrängten Bereich des öffentlichen Geschehens fällt die bürgerliche Sehnsucht nach Hannes Androsch, wie sie uns teils versteckt, teils offen entgegentritt — keineswegs allgemein, aber als scheinbar unerklärliches, geradezu paradoxes Phänomen.

Man sollte bei dieser Feststellung nicht verharren und doch den Versuch der Deutung unternehmen. Selbst wenn er fehlgeht, möge es zum Denken anregen oder andere Erklärungen provozieren.

Wirklich schlimm wäre es nur, die geheime Liebe etwa mancher Wirtschaftskreise für einen Mann, der die Staatsfinanzen ruinierte und sich in seiner persönlichen Gestion zumindest am Rande des Zulässigen bewegt, einfach zur Kenntnis zu nehmen.

Eigentlich braucht man nur ein wenig Psychologie, um den Dingen auf den Grund zu kommen. Der Rote aus Wien-Floridsdorf, der vom Stadtpalais des Prinzen Eugen in die Chefetage der Bank

am Wiener Schottenring wechselte, berührt legitime Sehnsüchte und weckt weniger legitime Erwartungen.

Zur ersten Seite bourgeoiser Gefühlsregung: Androsch ist bekanntlich ein „Macher". Was immer das bedeuten mag, verheißt es das Betreiben von Wirtschaftspolitik ohne ideologische „Vorurteile". Ökonomie als Selbstzweck und nicht als Unterbau überhöhter Gesellschaftsveränderung.

Allein das erscheint manchen attraktiv, die sich jahrelang Missionaren einer neuen Gesellschaftsordnung gegenübersahen.

Es zählt dies soviel, daß man darüber vergißt, was bei Machern aller Art in der Politik das Negati-vum ist. Sie treten selbst dann „sicher" auf, wenn sie Sachverhalte zu beurteilen und zu bewältigen haben, die schwer lösbar oder von gewichtigen Zielkonfli^ten gekennzeichnet sind.

Vor dem Hintergrund eines extrem zögernden Bundeskanzlers imponiert eben einer, dessen Art es ist, cool-lässig so aufzutreten, als ob er stets wüßte, wie's geht.

Hannes Androsch steht nicht für einen bestimmten Gehalt der Politik, aber für einen Stil, der unsicherem Herumbasteln abhold ist. Auch wenn das Ergebnis miserabel ist — siehe oben zum Stand der Staatsfinanzen, wie sie der angeblich beste aller Finanzminister hinterließ.

Interessanter noch erscheint des bürgerlichen „Androsch-Syndroms" zweiter Teil, die Erwartung. Sie ist verständlich aus der Angst vor einem militanten Sozialismus, dem man sozialpartnerschaftlich zwar Einfluß gab und so domestizierte, der aber immer noch furchterregend blieb und auch zu drohen versteht.

Man denke nur an manche, fast nebenbei hingeworfene Bemerkungen des Gewerkschaftspräsidenten. Wenn er etwa verlauten ließ, welch unruhige Zeiten kommen würden, sollten die Sozialisten einmal nicht in der Regierung sein.

Der Blick über die Grenzen führt dem besorgten Beobachter ja vor Augen, daß politische Ziele auch mit Kampf maßnahmen oder Krawallen verfolgt werden können — auch im zu Ende gehenden 20. Jahrhundert.

Es ist daher nicht verwunderlich, wenn man im Generaldirektor der Creditanstalt-Bankver-ein, den viele als kommenden Mann der SPÖ handeln, den Typ sieht, der den Sozialismus endlich und endgültig von innen her korrumpieren soll.

Androsch verkörpert geradezu den Typ des Kapitalisten bis in jedes Detail, einschließlich der Lebensführung und seiner alles beherrschenden Liebe zur Kombination von Geld und Macht.

Er ist eigentlich so, wie man sich in mancher Augen den Wunschsozialisten vorstellt: Er könnte eine an schrankenlose Disziplin gewöhnte Partei dirigieren und das so tun, daß man den Kaufpreis genau kalkulieren kann, nämlich in Währungseinheiten, die zum obersten Prinzip politischen Handelns würden.

Rechnungen dieser Art gehen allerdings nie auf und Wünsche, die so geartet sind, werden nicht erfüllt. Der Beweggrund politischen Handelns ist hüben wie drüben ein andrer.

Androschs Ideale sind weder für sozialistisch Gesinnte noch für Christdemokraten akzeptabel. Die Einsicht wirtschaftlicher Vernunft war hier immer vorhanden und hat sich dort allmählich durchgesetzt.

Business-Politik als oberstes Prinzip ist aber nirgends gefragt, wo man sich sozialer Verantwortung zuerst verpflichtet fühlt.

Die bürgerliche Sehnsucht nach Androsch ist deutbar. Sie wird und soll sich aber nicht verwirklichen.

Der Autor ist Bundesobmann des Osterreichischen Arbeiter- und Angestelltenbundes (ÖAAB) der OVP.

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