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Der Mann zwischen Höhenflug und Absturz

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Lange genug trug die Sozialistische Partei die inoffizielle Firmen-Bezeichnung „Kreisky & Söhne“. Manche dieser „Söhne“ haben abgewirtschaftet. Nicht so Hannes Androsch: Bruno Kreiskys einstiger Lieblingssohn, der mit dem Kanzler längst nicht mehr friktionsfrei harmoniert, wurde vom totgesagten Kronprinzen, vom meistumstrittenen Regierungsmitglied, vom Sozialdemokraten mit dem am wenigsten sozialdemokratischen Lebenswandel zum aussichtsreichsten Nachfolger Kreikys: Die Firma „Kreisky & Söhne“ wird in den achtziger Jahren eher ohne Kreisky als ohne Sohn Androsch auftreten. Nach Analyse der jüngsten Ereignisse drängt sich dieser Schluß jedenfalls auf. Der Bundeskanzler legt nun wieder größten Wert auf den Verbleib Androschs in der Regierung, dafür wird Androsch die Anteile an seiner Steuerberatungsfirma einem Treuhänder übertragen.

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Lange genug trug die Sozialistische Partei die inoffizielle Firmen-Bezeichnung „Kreisky & Söhne“. Manche dieser „Söhne“ haben abgewirtschaftet. Nicht so Hannes Androsch: Bruno Kreiskys einstiger Lieblingssohn, der mit dem Kanzler längst nicht mehr friktionsfrei harmoniert, wurde vom totgesagten Kronprinzen, vom meistumstrittenen Regierungsmitglied, vom Sozialdemokraten mit dem am wenigsten sozialdemokratischen Lebenswandel zum aussichtsreichsten Nachfolger Kreikys: Die Firma „Kreisky & Söhne“ wird in den achtziger Jahren eher ohne Kreisky als ohne Sohn Androsch auftreten. Nach Analyse der jüngsten Ereignisse drängt sich dieser Schluß jedenfalls auf. Der Bundeskanzler legt nun wieder größten Wert auf den Verbleib Androschs in der Regierung, dafür wird Androsch die Anteile an seiner Steuerberatungsfirma einem Treuhänder übertragen.

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„Kann man sagen, daß Androsch die Nummer zwei in der Regierung ist?“ fragte am 9. Jänner 1974 der „Kurier“ bei Bundeskanzler Kreisky an. Des Kanzlers Antwort: „Die Nummer zwei ist jedenfalls der Vizekanzler“, der zu diesem Zeitpunkt freilich noch nicht Hannes Androsch hieß.

Immerhin stand zu diesem Zeitpunkt fest, daß Androsch nach seiner fast vierjährigen Ministerschaft zum wichtigsten Ratgeber des Regierungschefs aufgestiegen war: „Kreisky & Sohn ziehen die Regierungsfäden“, meinte der „Kurier“, das gemeinsame Urlaubsauftreten von Kreisky und Androsch in St. Anton am Arlberg sei das „Gesprächsthema in dem mondänen Skiort“ gewesen.

Doch schon in der ersten Jahreshälfte 1974 wird die neue Strategie der Volkspartei sichtbar: An Regierungschef Bruno Kreisky könnte sich die ÖVP bestenfalls einen Bruch heben, eine konsequente Demontage der Kronprinzen erscheint wohl als lohnenderes Ziel. Prompt präsentiert VP-Generalsekretär Kohlmaier am 4. April Zahlen: Anfang 1973 hätten noch 60 Prozent der Österreicher die Androsch-Politik für gut befunden, jetzt seien nur noch 43 Prozent damit einverstanden.

Die Hypothek des als „Schinderhannes“ apostrophierten Steuereintreibers schlägt dann auch auf das „Kronprinzen-Stechen“ zwischen Leopold Gratz und Hannes Androsch durch. Nach einer „Kurier-Meinungsumfrage, am 5. Mai 1974 veröffentlicht, wollen die Hälfte der Befragten Gratz als nächsten SPÖ-Chef, aber nur 31 Prozent Androsch als Kreisky-Nachfolger.

Während zur Jahreswende 1974/75 Kreisky erstmals vor einem nach den

;rAm Androsch scheiden sich die Geister“

Wahlen des kommenden Jahres drohenden „Bürgerblock“ warnt, ist der Name Androsch bereits unter dem Stichwort „Amtsmüdigkeit“ zu finden. So berichtet die „Presse“ am 28. Dezember 1974 über Kombinationen, Nationalbankpräsident Hans Kloss würde dem bisherigen CA-Chef Heinrich Treichl Platz machen, auf Treichl würde Androsch folgen: „Begreiflicherweise ist dafür keinerlei Bestätigung zu erhalten.“

Während die SPÖ im Wahljahr 1975 mehr auf Einigkeit und Solidarität denn auf Steuerschröpfen setzte, was indirekt auch Androsch zugute-kam, nimmt die Kritik am Finanzminister 1976 wieder munter zu. Eine ÖVP-Untersuchung hat ergeben, daß 39 Prozent der Österreicher zwar mit Androsch einverstanden, daß aber fast ebensoviele (36 Prozent) „ganz und gar nicht“ für seüie Politik seien. Helga Stadler im „Kurier“: „Am Androsch scheiden sich die Geister.“

Daß sich am Androsch wirklich die Geister scheiden, zeigt eine weitere Umfrage, die die „Wochenpresse“ am 10. März 1976 veröffentlicht: In der Nachfolgefrage für Bundeskanzler Kreisky entscheiden sich die Befragten mit 35:24 für Androsch. Als Parteivorsitzenden bevorzugen sie aber mit 28:23 den Wiener Bürgermeister Gratz.

Die von nun an immer wieder gespielte These lautete daher: Androsch Wird Regierungschef, Gratz Vorsitzender der Partei. Wenn nicht gerade die Reichsbrücke einstürzte oder hunderte Lastwagen Österreichs Grenzen blockierten, blieb man dieser Variante bis zuletzt treu.

Als Zielschiebe journalistischer Kritik war Androsch, der gelernte Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, schon am 10. März 1976 nichts Neues mehr. Damals jedenfalls mußte der Finanzminister erklären, er habe „dem Bauring nie den Rat gegeben, bei Geschäften mit der Tschechoslowakei Provisionen an die CSS R-Auftraggeber in die Schweiz zu überweisen“. Wahr sei vielmehr, wie in den „Salzburger' Nachrichten“ nachzulesen ist, Androsch habe, noch bevor er Finanzminister wurde, eine Firma „Korzil“ bei der Verbuchung von bereits überwiesenen Provisionen bera-

zer hat er einige Freunde in der eigenen Partei skeptisch gemacht.“

Auf einem SP-Wirtschaftstag Ende März 1977 macht Androsch wieder in ungewöhnlicher Form von sich reden. Er spricht Von der Notwendigkeit nach mehr „Eigenverantwortung, Eigeninitiative, Eigenvorsorge“ sowie „Uberprüfung der sozialen Einrichtungen“. Androsch, so witzeln viele, habe irrtümlich das Referat eines Vertreters der Bundeswirtschaftskammer verlesen.

Der Lieblingssohn des Kanzlers sei dabei, „endgültig das politische Elternhaus zu verlassen“, heißt es in der „Kronen-Zeitung“. „Will er sich umbringen?“ fragte die „Presse“ verständnislos einen „maßgeblichen Politiker“, welcher prompt zur Antwort gibt: „Ja.“ Lediglich der „Kurier“ ortet eine neue List des Vizekanzlers: „Vom Pensionsschock bis zu seinem Linzer Appell kratzt er an altgewohnten, linken Klischees. Er probiert den Sprung an die Spitze.“

Für den Rest des Jahres entwickelt sich Androsch immer mehr zum Buhmann Nummer 1: Er macht sich unbeliebt, als er das Budget von den Defiziten der Staatsbetriebe entlasten will, als er die Lohnsteuersenkung immer öfter dementiert, als er die Beamtenprivilegien attackiert, als die „Consultatio“ häufiger ins Gerde kommt und schließlich, als er die nächsten Belastungen ankündigt.

Wieder heißt es, Androsch sei die Politik inzwischen zu fad oder zu hitzig geworden, er wolle in die CA oder in die Nationalbank flüchten. Auch eine der spannendsten Fragen innerhalb der SPÖ scheint für Peter M. Lingens im „profil“ bereits entschieden: „das Rennen zwischen Hannes Andrösch und Leopold Gratz.“

„Kronen-Zeitung“-Adabei Roman Schließer festigt gleichzeitig den Ruf

„Eine Genfer Chopard-Uhr, unter deren rundem Glas in Brillanten die Initialen ,H. A.' herumrutschen“

des Finanzministers als prinzipiengetreuer Sozialdemokrat. Er erspäht Androsch im neugestalteten Badener Casino: „Pilgerscharen zogen am Tisch von Finahzminister Dr. Hannes Androsch..., der in der Bar cham-pagnisierte, vorbei. Besonders die Damen starrten verzückt aufs Handgelenk des Steuerabschöpfers. Schierer Luxus war's, was daran glitzerte: eine Genfer Chopard-Uhr, unter deren rundem Glas in Brillanten die Initialen ,H. A.' frei herumrutschen.“ Zu diesem Zeitpunkt war die Uhr noch für 3000 Schweizer Franken zu haben. Seit 1978 für Österreicher nur noch für zuzüglich 30 Prozent Luxussteuer.

Was im heurigen Jahr an Lawinen auf Hannes Androsch niederging, ist noch in guter (für den Betroffenen in schlechter) Erinnerung: Die Lkw-Steuer, die stümperhaft vorbereitet war, seine Vermögensverhältnisse, die Verfilzung zwischen dem Steuerberater Androsch und dem Politiker Androsch sowie eine Reihe von Dissonanzen zwischen ihm und dem Kanzler lassen den Sommer 1978 zum wahrscheinlichsten schwärzesten Sommer in Androschs Erinnerung werden.

Von Amtsmüdigkeit ist immer öfter die Rede. Der Abschuß des Finanzministers scheint für die Opposition in greifbare Nähe gerückt. Androsch kommt nur noch als,.Millionär, der keiner sein will“, als Verantwortlicher für die desolaten Staatsfinanzen, als enterbter Lieblingssohn Kreiskys in den Medien vor.

Hinter den Kulissen der Partei ist es inzwischen längst zum entscheidenden Zweikampf gekommen, den die Spitzen der Partei bald nicht nur als unbeteiligte Dritte mitverfolgen können. Die alte Regel, daß von außen kommende Angriffe den Zement für die interne Solidarität abgeben, erweist sich neuerlich als richtig.

Die Parteigenossen Androschs haben der Demontage Androschs nun Einhalt geboten. Um den Preis einer immer deutlicher werdenden Demolierung des Denkmales Bruno Kreisky. ALFRED GRINSCHGL

ten, und diese Firma habe dann ohne sein Wissen den Rat an den Bauring weitergegeben. Ein Rat auf Umwegen also. .

Zwei Tage darauf hielt Androsch im selben Blatt an der nun einmal eingeschlagenen Linie des Dementierens fest. „Würden Sie die Funktion eines Parteivorsitzenden der SPÖ annehmen?“ lautete die Frage. Es gebe Funktionen, die könne man nicht anstreben und er werde sich nicht bewerben: „Diese Frage ist daher eine reine akademische Unterhaltung.“

Am 14. März 1976 wußte Hans Mahr, der damals noch in der „Kronenzeitung“ „Politik inoffiziell“ betrieb, inzwischen aber an der Seite von Leopold Gratz als Pressebetreuer auch in der offiziellen Politik kräftig mitmischt, seinen Lesern zu berichten: Das „Kronprinzen-Stechen“ habe der Wiener Bürgermeister „klar für sich entscheidep“ können. Daß Gratz beliebter sei, habe sich in den Streichungen anläßlich der Parteitags-Wahlen herausgestellt.

Dennoch schien im Sommer 1976 Androschs Welt noch heil. Als er als Vizekanzler ins Gespräch kam und Hertha Firnberg deshalb schmollte, sinnierten wieder viele Beobachter über Weichenstellungen in Sachen Kreisky-Nachfolge. Androsch am 18. August zur „Presse“:

„Das ist nicht aktuell, weil die Weiche noch keineswegs in Sicht ist. Aber sicher ist es richtig, daß sich zwischen dem Bundeskanzler und seinem Finanzminiter in sieben Jah-

ren Zusammenarbeit ein besonders inniges Verhältnis entwickelt hat.“ Ob Androsch die Erinnerung an diese Tage heute mit Wehmut erfüllt?

Warum ausgerechnet Androsch, der Inhaber des am wenigsten populären Ministeramtes, starke Sympathien bei den Österreichern genießt, war für oberflächliche Betrachter der Szene lange ein Rätsel. Aus nüchterner Distanz kam die bundesdeutsche „Welt“ am 25. August 1976 zu folgendem Schluß:

„Wenn er, zur besten Fernsehzeit, mit der schönsten Frau der Nation, Senta Berger, auf dem Bildschirm diskutiert, immer ein wenig gelangweilt, sehr lässig, schlagfertig, witzig,

„Manchmal sitzt er aber nicht hinter dem Schreibtisch, sondern bittet zur Soiree“

ja sogar ein wenig spitzbübisch -dann sind Millionen bereit, zu vergessen, daß dieser gut aussehende junge Herr die Steuerschillinge aus ihren Taschen holt.“

Doch spätestens im Herbst 1976 steht der „fesche Hannes“ recht ausgiebig im Regen: Während sich die Öffentlichkeit über explodierende Spesen der Regierungsmitglieder empört, lädt Hannes Androsch zu Konzerten in die Prunkräume des Ministeriums. Während Kreisky die neuen Mitglieder der Regierung und den neuen Vizekanzler dem Natio-

nalrat „verkauft“, glänzt Androsch durch Abwesenheit.

„Hannes I. feierte Geburtstag“, teilt Peter Kupfer den Lesern des „Kurier“ am 24. Oktober 1976 mit: „Manchmal sitzt er aber nicht hinter dem großen Schreibtisch, sondern bittet zur Soiree. Oder zur Hausmusik bei ,Prinz Hannes I.'. Denn der ,rote Kronprinz' weiß, wie man die Prunkräume stilvoll revitalisiert.“

Die heftige Kritik an den teuren Veranstaltungen fällt auf fruchtbaren Boden. Bei der folgenden „Hausmusik“ ist der Gastgeber selbst nicht anwesend, sondern nimmt angeblich auf Wunsch Kreiskys an einer SP-Veranstaltung in Tullri teil. „Die Gäste empfing seihe Frau und zeigte sich auch überrascht über den allgemeinen Andrang“, wußte die „Presse“ zu berichten.

Im Februar 1977 schockt Androsch seine Genossen mit der freimütigen Aussage, die Bundeszuschüsse an die Pensionsversicherungen würden bald ein unerträgliches Ausmaß erreichen. Außerdem, meint Androsch, sei er gegen eine Steuersenkung, weil sonst die Pensionen gefährdet sein könnten.

Während die Androsch-Firma „Consultatio“ neuerlich nach Meinung mancher Journalisten zu oft konsultiert wird, fragt Dieter Len-hardt in der „Presse“ schlicht: „Selbstmord des Thronfolgers?“ Seine damalige Analyse im Telegrammstil: „Androsch ist out, Gratz ist in, SP-Klubobmann Fischer noch nicht so weit, Unterrichtsminister Sinowatz nur ein Geheimtip.“

„Androsch hat große Sorgen ausgelöst“, läßt Kanzler Kreisky nach den Pensionsaussagen des Finanzministers mit genügender Deutlichkeit verlauten. Damit steht Anfang 1977 fest: Hannes Androsch hat nicht nur viel Porzellan, sondern auch die innige Zuneigung Kreiskys zerschlagen. Es scheint klar zu sein, daß Androsch im Falle einer Kraftprobe auf dem kürzeren Hebel säße.

Der Bundeskanzler hat also für Querschüsse auf den Finanzminister auch aus eigenen Reihen „Feuer frei“ signalisiert. Siehe da: Beide Gewerkschafts-Kronprinzen, Karl Sekanina und Alfred Dallinger, lassen nicht lange auf sich warten, um Androsch im Zusammenhang mit der geforderten Steuersenkung kräftig auf die Zehen zu steigen.

Worauf aus dieser delikaten Situation auch Hans Mahr in der „Kronen-Zeitung“ am 13. März 1977 seinen messerscharfen Schluß zieht: „Doch Leopold Gratz ... ist innerparteilich heute gefestigter denn je...“ Und: „Gleichzeitig mit dem Wiederaufstieg des ,Poldi' geht ein innerparteiliches Raunzen über .Kronprinz-Zwilling' Hannes An-drosch. Mit seinem Pensionsschnit-

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