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Heißer Vorsommer

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Am 8. Juli wird die Sommersession 1972 zu Ende gehen, egal, welche Vorlagen bis zu diesem Zeitpunkt noch auf ihre Verabschiedung warten. So behauptete es jedenfalls der Klubobmann der Regierungspartei, Leopold Gratz, in der ersten Präsidialkonferenz im Juni. Nun ist zwar Gratz offensichtlich nicht allein für den SPÖ-Klub verantwortlich, der wirkliche Klubobmann, Bundeskanzler Dr. Kreisky, hat schon bisher bewiesen, daß nicht das, was Gratz verspricht, geschieht, aber — viel länger als bis Mitte Juli wird die Sommersession auf keinen Fall dauern.

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Am 8. Juli wird die Sommersession 1972 zu Ende gehen, egal, welche Vorlagen bis zu diesem Zeitpunkt noch auf ihre Verabschiedung warten. So behauptete es jedenfalls der Klubobmann der Regierungspartei, Leopold Gratz, in der ersten Präsidialkonferenz im Juni. Nun ist zwar Gratz offensichtlich nicht allein für den SPÖ-Klub verantwortlich, der wirkliche Klubobmann, Bundeskanzler Dr. Kreisky, hat schon bisher bewiesen, daß nicht das, was Gratz verspricht, geschieht, aber — viel länger als bis Mitte Juli wird die Sommersession auf keinen Fall dauern.

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Somit stehen für die Parlamentsarbeit noch knapp zwei Wochen zur Verfügung, da ja — nach dem Wunsch der SPÖ — eine sitzungsfreie Woche mit je einer Ausschußwoche und einer Plenumswoche wechseln soll. Gewiegte Parlamentarier sind freilich der Meinung, daß diese Zeit nicht ausreichen wird, um allein die Vorlagen zu verabschieden, die im Laufe der vergangenen fünf Monate von der Mehrheitspartei für „noch vor dem Sommer“ versprochen worden sind. Nur um ein paar zu nennen: Die Politikersteuer, die Geschäftsordnungsreform (von Gratz in seiner letzten Pressekonferenz für die erste Hälfte dieses Jahres angekündigt), die Mehrwertsteuer samt Begleitgesetzen, der Gesundheitsplan (er wurde in der Zwischenzeit zur Behandlung im Herbst verschoben), die Herabsetzung der Volljährigkeit, der Subventionsbericht 1970, die Forderungen der Bundesländer, der Wirtschaftsbericht usw. Ein Teil der angekündigten Gesetze oder Berichte sind bis heute noch nicht im Parlament eingetroffen, der andere Teil bedarf einer ausgedehnten Behandlung in den Ausschüssen, um wenigstens die gröbsten Mängel beseitigen zu können.

Die Politikerbesteuerung

Die Politikersteuer — bereits die zweite Regierungsvorlage durchlief in dieser Woche den Ministerrat. Den Geburtswehen nach zu schließen wird es noch einiger harter Arbeit im Finanzausschuß bedürfen, um die Vorlage zu einem brauchbaren Gesetz werden zu lassen.

Die Vorgeschichte ist sattsam bekannt: Bundeskanzler Kreisky verhandelt mit den drei Klubobmännern am 25. April, nimmt ihnen das Versprechen ab, daß keiner in die Öffentlichkeit gehen, daß keiner eine negative Lizitation beginnen wird. Am 31. Mai versichert er sich bei ÖVP-Klubobmann Koren, ob die Versprechungen noch gelten — und geht nicht einmal eine Woche später mit seinem Plan der gestaffelten Bezüge an die Öffentlichkeit. Genau um diese Frage soll es jedoch am 25. April gegangen sein — alle drei Klubobmänner sprachen sich dagegen aus.

Die erste Reaktion bleibt nicht aus: Verärgerung aller drei Klubobmänner. Gratz, an einer Sommergrippe erkrankt, verläßt das Bett, um mit den beiden anderen Obmännern gegen Kreisky zu streiten. Nach dieser Sitzung (am vergangenen, Donnerstag) ist es allerdings klar, daß Gratz wieder einmal mit fliegenden Fahnen gegen seinen eigentlichen Klubchef untergehen wird.

Letzten Freitag war es soweit. Der Klubvorstand der SPÖ billigte den Kreisky-Plan, empfiehlt ihn den anderen beiden Klubs zur Annahme und schlägt gleichzeitig 13 nicht gerade unbedeutende Änderungen vor. (So sollen die Pensionen von der Höchststufe des Sektionschefsgehaltes berechnet werden, ebenso die Entfernungszulagen, Mitglieder der Bundesregierung, die ihren Wohnsitz außerhalb Wiens haben, bekommen

Entfernungszulagen, die Biennien für den Bundespräsidenten werden abgeschafft, er wird gleich auf der Basis des höchsten Beamtengehaltes berechnet usw.)

Der Kreisky-Plan, der eine gewaltige Erhöhung der Bezüge für den Bundeskanzler vorsieht, wird zwar in wesentlichen Punkten abgeändert, des Pudels Kern aber wird nicht angerührt: Gestaffelte Gehälter für gleiche Leistung. Entscheidend ist nur, wieviel Sitzfleisch ein Abgeordneter aufzuweisen hat (und selbstverständlich, wie stark die Lobby ist, die hinter ihm steht).

Womit die Farce des Vorschlages aber beileibe nicht erschöpft ist. Dem Politiker sind nämlich eine ganze Reihe von Vordienstzeiten anzurechnen, so daß nur der mit dem niedersten Sektionschefsgehalt beginnen muß, der zufällig durch besondere Leistungen aufgefallen und daher als Kandidat einer Partei aufgestellt worden ist. (In Zukunft dürften diese Fälle sicherlich noch spärlicher werden als sie es heute sind, dafür dürften aber alle langgedienten Landtagsabgeordneten schleunigst in den Nationalrat abgeschoben werden.)

Eine rasche Verabschiedung dieses Gesetzes hängt daher freilich kaum in der Luft, wenn es auch — wie der SP-Klubvorstandsbeschluß besagt — am 1. Juli 1972 in Kraft treten soll.

Von einer Verabschiedung der Geschäftsordnungsreform kann daher vorläufig überhaupt keine Rede sein, sie ist noch nicht einmal zur Gänze durchdiskutiert.

Besondere Schwierigkeiten dürften die von der SPÖ heißersehnten Preisregelungsgesetze machen, nicht nur deswegen, weil die ÖVP sie von vornherein ablehnen wird, sondern weil sie bis zur Stunde noch immer nicht im Hohen Haus eingelangt sind. Der Subventionsbericht wurde in dieser Woche zwar vom Ministerrat genehmigt, eine Diskussion vor dem Sommer aber mit der späten Vorlage durch Finanzminister Androsch mit Bravour verhindert.

Bleiben also die Forderungen der Bundesländer und der Wirtschaftsbericht, der laut Kreisky und Androsch die Voraussetzung für ein Stabilisierungsprogramm der Regierung sein sollte. Bis zur Stunde sieht es nicht so aus, als würde man sich durch die zunehmende Inflation aus der Ruhe bringen lassen. Sollte man es dennoch vorhaben, dann ist bis zum Sommerurlaub allerdings kein Termin im Hohen Haus mehr frei.

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