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Der Bruch ist unheilbar

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Osterreich hat ein Regierungsproblem, und das zu einer Zeit, in der Pulverdampf auch durch die Weltluft zieht. Kein Grund zum Jubeln jedenfalls - auch nicht Tür jene, die (wieder einmal, und gewiß wieder einmal vergeblich) auf eine Selbstzerfleischung der Sozialisten spekulieren.

Die SPÖ wird sich nicht über Nacht zerfleischen. Man hat eine Regelung gefunden, die nach außen hin wie eine Lösung aussieht. So stark ist die Partei allemal noch, um einen Selbstmord auf Raten schon im Zug der ersten Rate nach außen einzubrennen.

Nur: Mit einer oberflächlichen Versöhnung zwischen Bundeskanzler Kreisky und Vizekanzler Androsch ist es nicht getan. ÖGB-Präsident Benya hat sich erfolgreich um eine solche bemüht, die unter den gegebenen Umständen freilich nicht mehr alsein mühsam zusammengekleisterter Waffenstillstand sein kann.

Das persönliche Verhältnis zwischen dem ungleichen Spitzenduo, das jahrelang dieses politische Vater-Sohn-Verhältnis praktiziert und kultiviert hat, ist längst irreparabel zerstört.

Hinter dieser Zerstörung steht freilich mehr als ein Problem von subjektiver Sympathie und Antipathie. Der Bruch der früheren Achse Kreisky/Androsch signalisiert den Bruch zwischen Ideologen und Pragmatikern in der SPÖ. Er droht allen Parteien der westlichen Welt und wird in den Regierungsparteien zuerst virulent.

Kreisky steht in diesem Konflikt für alle jene, die noch an einen Rest der alten Parteiideale glauben. Zu diesen gehören ein Mindestmaß an Selbstlosigkeit, Bescheidenheit in materiellen Ansprüchen, Ubereinstimmung von Schein und Sein, Sein und Sollen.

Androsch steht für die Pragmatiker, die Anpasser, die Technokraten, die Macher und Machtverwalter, die heute in den meisten Parteien den Ton angeben.

Um Kreisky scharen sich in diesem Konflikt aus Uberzeugung nur wenige: ein Heinz Fischer etwa oder ein Karl Blecha, und natürlich die Jungen in der Partei, die vom Verrat der Parteimoral durch die neue herrschende Klasse unsagbar angewidert sind.

Hinter Androsch stehen alle jene, die es längst gelernt haben, mit der Wirklichkeit, mit dem System, mit der Macht und - natürlich - mit dem Geld zu leben.

Es ist kein Zufall, daß der Skandal um das Allgemeine Krankenhaus in Wien diesen Konflikt neuerlich aufbrechen ließ. Wo es um die Milliarden der Steuerzahler geht, da geht es auch um die Millionen derer, die privat von der Gigantomanie moderner Supertechnik profitieren.

Einem Kreisky ist das, obwohl er noch immer von Ahnungslosen für einen Großbürger mit „eigentlich” nichtrotem Herzen gehalten wird, noch immer in der Seele zuwider. Ein Androsch versteht gar nicht mehr, daß es noch immer Leute geben könnte, die eine millionenschwere Privatfirma bei einem sozialistischen Spitzenpolitiker irritiert.

Das ist die Welt, die zwischen den beiden liegt. Kein Treuhandschaftsvertrag kann diese überbrücken. Kein SPÖ-Konflikt wird der ÖVP eine ähnliche Entscheidung ersparen, wenn sie wieder am Ruder ist.

Auch das Geheimnis der „Grünen”, die Rote wie Schwarze spalten, ist nicht zuletzt in dieser Kluft zu suchen, die durch uns alle geht.

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