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Wahlspiel der Mächtigen — um die Stimmen der Ohnmächtigen

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Die beiden österreichischen Großparteien bauen auf das Prinzip Hoffnung und verkennen dabei die politische Wirklichkeit. Die SPÖ und ihr Bundeskanzler Kreisky hoffen auf zarte Anzeichen einer wirtschaftlichen Tendenzwende noch vor dem 5. Oktober 1975, eine Hoffnung, die — wahrscheinlich — nicht in Erfüllung gehen wird. Damit aber, das ist jedenfalls den Realisten in der SPÖ klar, ist es mit der absoluten Mehrheit vorbei. Die Volkspartei hofft dagegen, daß den österreichischen Wählern spätestens bis zum 5. Oktober 1975 die wirtschaftliche Situation unseres Landes auch dann voll und ganz bewußt wird, wenn sie nicht unmittelbar von Kurzarbeit und (drohender) Arbeitslosigkeit betroffen sind.

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Die beiden österreichischen Großparteien bauen auf das Prinzip Hoffnung und verkennen dabei die politische Wirklichkeit. Die SPÖ und ihr Bundeskanzler Kreisky hoffen auf zarte Anzeichen einer wirtschaftlichen Tendenzwende noch vor dem 5. Oktober 1975, eine Hoffnung, die — wahrscheinlich — nicht in Erfüllung gehen wird. Damit aber, das ist jedenfalls den Realisten in der SPÖ klar, ist es mit der absoluten Mehrheit vorbei. Die Volkspartei hofft dagegen, daß den österreichischen Wählern spätestens bis zum 5. Oktober 1975 die wirtschaftliche Situation unseres Landes auch dann voll und ganz bewußt wird, wenn sie nicht unmittelbar von Kurzarbeit und (drohender) Arbeitslosigkeit betroffen sind.

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Auch die FPÖ hofft Aber - diese Hofnungen haben mit den Problemen unseres Landes recht wenig zu tun, sondern zielen darauf ab, nach dem 5. Oktober in einer Bundesregierung vertreten zu sein — koste es Programmabstriche, was es wolle. So personalegoistisch diese Hoffnungen auch sind — sie sind nicht unrealistisch. Bundeskanzler Kreisky zeigt immer deutlicher seine klare Präferenz für eine kleine Koalition mit der FPÖ und seine Abneigung gegen die ÖVP: „Es wird“, meinte er zuletzt, „wahrscheinlich leichter sein, mit einer Partei zusammenzuarbeiten, die nicht auf so viele 'hündische Interessen Rücksicht nehmen muß wie die ÖVP.“ ÖVP-Parteiobmann Karl Schleinzer wiederum wagt es nicht, über den Schatten seiner Partei, in der gegen die FPÖ noch immer sehr starke Ressentiments herrschen, zu springen. Deshalb spricht er nicht von einer (ohnedies unrealistischen) kleinen ÖVP-FPÖ-Koalition, sondern von einer Konzentrationsregie-rung, die nicht durch eine eigene Verfassunigsbesitimmung abgesichert ist. Dieser Vorschlag Schleinzers ist insofern elegant, als die Volkspartei selbst gegenüber der FPÖ offen bliebe; er ist darüber hinaus zugkräftig, weil er dem Traum der Bevölkerung von Zusammenarbeit stark entgegenkommt — eine kleine Wahlbombe sozusagen, ein taktischer Overkill.

Bundeskarmler Kreisky mag die Idee Schleinzers, eine Konzentrationsregierung nach dem 5. Oktober zu bilden, gar nicht gefallen. „Das Ganze“, sagte er in einem Gespräch mit der „Arbeiter-Zeitung“, „ist eine nicht zu Ende gedachte Idee mit furchtbaren Konsequenzen für unsere Demokratie“.

Doch Bruno Kreisky darf auch aus grundsätzlichen Gründen die Idee, eine Konzentrationsregierung zu bilden, gar nicht gefallen: jede positive Beschäftigung damit würde in der Öffentlichkeit bedeuten, daß er den Gedanken an einen absoluten Wahlsieg am 5. Oktober ganz aufgegeben hat. Von diesem Eingeständnis bis zur Wahlniederlage ist kein weiter Schritt. Deshalb muß Kreisky, ähnlich wie Altbundeskanzler Josef Klaus im Jahr 1970, Siegeszuversicht ausstrahlen, auch wenn sie durch gar nichts außer bestellten und zurechtgebogenen Meinungsumfragen des Ifes-Instituts begründet ist. Das Problematische dabei liegt darin, daß (wiederum so wie Klaus vor mehr als fünf Jahren) die Siegesgewißheit Kreiskys von seinen eigenen Parteifreunden als irrationales Denken abgetan wird. ÖGB-Präsident Benya macht das ganz offen, wenn er in einem „Kronen-Zeitung^Interview die Meinung ausspricht, daß er mit jedem Tag zuversichtlicher werde, daß Kreisky die absolute Mehrheit schaffe. Noch höher kann man in diesem Spiel der Mächtigen um die Stimmen der Ohnmächtigen die Latte gar nicht mehr legen. Und schafft Kreisky sie nicht, nun, dann hat er auch in der eigenen Partei sein persönliches Wahlziel nicht erreicht. Das würde ihm jedenfalls den Spielraum für Verhandlungen nur mit der FPÖ öffnen. Und sobald er Vertreter der ÖVP zu Regierungsverhandlungen zuziehen muß, ist Kreiskys Verhandlungsposition nach dem 5. Oktober 1975 erheblich geschwächt.

Wahrscheinlich würde bei diesen Verhandlungen keine Konzentrationsregierung, sondern eine große Koalition zwischen SPÖ und ÖVP herauskommen. Und weniger wahrscheinlich ist, daß Kreisky sehr lange in einer solchen Regierung eine dominierende Rolle spielen würde. Nach seinen Erfolgen und in seinem Alter fällt Verlieren und Teilen schwer, besonders dann, wenn man alles auf den Sieg gesetzt hat.

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