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Taktik geht vor Konsequenz

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SPÖ.Ö VP und FPÖ fühlen sich in ihrer vorgefaßten Einschätzung der Sondersitzung des Nationalrates am 21. A ugust bestätigt: Für die Regierungspartei war es der oder das vorausgesagte ,,Politspektakel" (SPÖ-Zentralorgan ,,A rbeiter-Zeitung '), für die große Oppositionspartei war es der erwartete Nachweis, daß ..politische Verantwortung in der linken Reichshälfte nicht mehr gefragt zusein scheint" {ÖVP-Organ ,, Volkszeitung für Kärnten und Osttirol"). Die FURCHE zieht ihre eigene kritische Üilanz, angereichert mit den Eindrücken einer jungen Kollegin, die erstmals eine derartige Nationalratsdebatte miterlebt hat.

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SPÖ.Ö VP und FPÖ fühlen sich in ihrer vorgefaßten Einschätzung der Sondersitzung des Nationalrates am 21. A ugust bestätigt: Für die Regierungspartei war es der oder das vorausgesagte ,,Politspektakel" (SPÖ-Zentralorgan ,,A rbeiter-Zeitung '), für die große Oppositionspartei war es der erwartete Nachweis, daß ..politische Verantwortung in der linken Reichshälfte nicht mehr gefragt zusein scheint" {ÖVP-Organ ,, Volkszeitung für Kärnten und Osttirol"). Die FURCHE zieht ihre eigene kritische Üilanz, angereichert mit den Eindrücken einer jungen Kollegin, die erstmals eine derartige Nationalratsdebatte miterlebt hat.

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Ein von der Volkspartei initiierter und gemeinsam modifizierter Entschließungsantrag an die Bundesregierung, mit dem diese aufgefordert wird, „dem Nationalrat ehestens eine Regierungsvorlage für ein wirksames Anti-korruptionsgesetz zuzuleiten", war der kleinste gemeinsame Nenner, zu dem sich unsere Volksvertreter an diesem 21. August durchringen konnten.

Das war aber auch das einzig wirklich positive Ergebnis dieser Sondersitzung des Nationalrates. Sie hat sich gelohnt, wenn es jetzt nicht nur bei diesem parlamentarischen Wunsch bleibt, sondern die Regierung tatsächlich rasch handelt. Sonst war die Sitzung enttäuschend. Enttäuschend waren nicht die Debattenbeiträge. Die waren teilweise, von den demagogischen Pflichtübungen abgesehen, sogar beachtenswert grundsätzlich.

Enttäuschend war vielmehr, daß es den drei Parlamentsfraktionen gelungen ist, sieben Stunden lang aneinander vorbeizureden. Und dies war nicht etwa Zufall oder Unvermögen, sondern -ganz im Gegenteil - perfekte Regie, routiniertes Rollenspiel. Da war es letztlich sogar schwer, zwischen steriler Aufgeregtheit und echter Empörung zu unterscheiden.

„Sie werden die Phasen der parlamentarischen Untersuchung abwarten müssen und ich versteh nicht, wozu Sie Untersuchungsausschüsse beantragen, wenn ... Sie nicht bereit sind, Ergebnisse parlamentarischer Untersuchungen abzuwarten", hielt etwa SPÖ-Klub-obmann Heinz Fischer der ÖVP vor, um damit auch klarzustellen, warum die SPÖ den Mißtrauensantrag gegen Finanzminister Hannes Androsch ablehnt.

Noch nachdrücklicher äußerte sich FPÖ-Obmann Norbert Steger: „Ich

halte es für unzulässig, daß bei der rechtsstaatlichen Vorgangsweise das Urteil gefällt wird, bevor das Verfahren durchgeführt ist."

Das klang sehr logisch, war es aber nicht. Denn just das, was für die Volkspartei Begründung für das Mißtrauen gegen Ansdrosch war, wird überhaupt nicht untersucht: Die Uberprüfung von Verflechtungen zwischen öffentlichem Amt und privaten Geschäften, wie das die ÖVP anläßlich der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zur Aufklärung des AKH-Skandals verlangte, hatdieSPÖ-Mehrheit des Nationalrates abgelehnt. Daher wird es in dieser Frage auch keinerlei Untersuchungsergebnis des Ausschusses geben.

Steger brachte aber auch noch ein anderes Kunststück zuwege: Der ge-

samten Regierung, beantragte er namens der FPÖ, möge vom Nationalrat das Vertrauen entzogen werden - also auch Androsch. Androsch selbst aber werde seiner Partei nicht das Vertrauen versagen.

Und tatsächlich zog die FPÖ dann bei der Abstimmung aus dem Sitzungssaal aus. Der bittere Nachgeschmack bleibt: Taktik geht vor Konsequenz.

Konsequent verhielt sich hingegen Bundeskanzler Bruno Kreisky. An ihn war auch die Dringliche Anfrage der ÖVP gerichtet, ob er „aufgrund der Tatsache, daß der Finanzminister öffentlich die Unwahrheit gesagt hat, und der deutlich gewordenen Verflechtungen seines öffentlichen Amtes mit seinen privaten Geschäften Dr. Hannes Androsch . . . dem Bundespräsidenten

zur Entlassung vorgeschlagen" wird.

Kreisky verneinte diese Frage in den zwischenzeitlich schon berühmt gewordenen 53 Sekunden, ohne Androsch auch nur mit einem Wort in Schutz zu nehmen. Der Bruch ist endgültig und hat Signalwirkung. Daher war auch kein anderer SPÖ-Redner bereit, Androsch in der Sache zu verteidigen.

Das einzige nette Wort, das Androsch in diesen sieben Stunden zu hören bekam, kam aus dem Mund von ÖVP-Wirtschaftssprecher Robert Graf: „Ich gestehe Ihnen unumwunden, obwohl es für Ihre Fraktion schon fast unpopulär ist, wenn das ein kleiner Schwarzer sagt: Sie sind mir menschlich sympathisch, aber Sie sind nicht nur mir als Finanzminister dieser Regierung vollkommen entbehrlich .. ."

Androsch selbst, dem von der ÖVP unter anderem fünf Entgegnungen vorgehalten wurden, die zwar dem Pressegesetz, nicht aber der vollen Wahrheit genügten, verteidigte sich klagend. Ohne die einstige Selbstsicherheit verlas er seine Rechtfertigung. Nur eine der genannten Entgegnungen habe er selbst durch seinen Rechtsvertreter geäußert, die anderen vier „konnten mangels Zuständigkeit auch nicht von mir begehrt werden".

Und die gegenteilige Äußerung von

Anwaltspräsident Walter Schuppich gegenüber „Profil", „alle diese Entgegnungen seien ausschließlich aufgrund von Informationen seines Mandanten, des Herrn Finanzministers, begehrt worden", bleibt weiter im Raum stehen.

Aber dann fiel auch ein Halbsatz mit Zukunftsaspekt: daß ich ent-

schlossen bin, mir diese freiberufliche Qualifikation zu erhalten." Da klang schon Abschiedsstimmung durch.

Doch das ging mit der Rede - besser: im Tumult nach der Rede - des ÖVP-Abgeordneten Heribert Steinbauers wieder unter, der ein Kreditpapier der Zentralsparkasse im Zusammenhang mit dem Kauf der Androsch-Villa in Wien-Neustift zitierte - und dazu auch noch ein anonymes Schreiben.

Das anonyme Schreiben und nicht manche offene Frage der Kreditgewährung an den Schwiegervater des Finanzministers, wofür Androsch die Bürgschaft übernommen hat, erregt die Gemüter. Ein Riesenwirbel, obwohl in diesen Augenblicken im Plenum kaum jemand wußte, worum es ging.

Eine Wortmeldung des Finanzministers sollte Aufklärung bringen: Es sei auch ihm bekannt, daß es dieses anonyme Schreiben gibt. „Es ist auch den Strafbehörden zugegangen und wegen Ermangelung eines Tatbestandes abgelegt worden."

Kurze Zeit später widersprach Justizminister Christian Broda dieser Information des Parlaments: Die anonyme Anzeige werde weiterverfolgt. „Es ist vorerst beabsichtigt, den Schwiegervater des Herrn Vizekanzlers und den Generaldirektor des Kreditinstituts bzw. informierte Vertreter ... zum Inhalt des anonymen Schreibens zu befragen."

Ob dieser Vorfälle ging vieles unter. Zum Beispiel die Rede von ÖVP-Ob-mann Alois Mock, der die Dringliche

Anfrage begründete und die mit vielen interessanten Details angereichert war.

Da ging es konkret um die Frage der Ministerverantwortlichkeit und um die politische Kontrolle durch den Nationalrat. Dieser habe zu prüfen, zitierte er Ludwig Adamovich, „ob die Mitglieder der Regierung die Geschäfte in Ubereinstimmung mit den politischen Anschauungen und Wünschen der Mehrheit . . . führen". Seine unbeantwortete Grundsatzfrage an die SPÖ: Entsprechen Verflechtungen von Firmen und Personen dem sozialistischen Parteiprogramm?

Ebenso untergegangen ist der Schlagabtausch der beiden Parteisekretäre Karl Blecha und Sixtus Lanner zum Thema politische Kontrolle, aber auch das Duell von Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Fritz Marsch (SPÖ), welches System korruptionsanfälliger sei.

Blendend waren ÖVP-Justizsprecher Walter Hauser („Die Ausweitung des wirtschaftenden Staates ist auch eine ständig wachsende Gefahr von Korruption") und Rupert Gmoser von der SPÖ („Unmoral als Gewohnheitsrecht in der Privatwirtschaft").

Jeder suchte freilich die Schuld beim anderen. Ein Wunder, daß es da überhaupt einen kleinsten gemeinsamen Nenner geben konnte.

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