6895044-1980_08_01.jpg
Digital In Arbeit

Nur mit Ach und Krach

Werbung
Werbung
Werbung

Diesen Donnerstag, am 21. Februar, steht der Rechnungsabschluß für das Jahr 1978 auf der Tagesordnung des Nationalrates. „Ein Bericht wie jeder andere auch", unterspielt der Berichterstatter des damit befaßten parlamentarischen Reehnungshof-ausschusses, der SPÖ-Abgeordnete Rudolf Fertl, im Gespräch mit der FURCHE. „Ich wüßte nicht", setzt er noch nach, „warum sich eine Zeitung dafür interessiert."

.Dabei birgt, schon der Rechnungsabschluß viele interessante Details, zu denen auch der Rechnungshof mit kritischen Bemerkungen nicht sparte. Einmal mehr nämlich ist das Budgetdefizit explodiert: Hatte Finanzminister Hannes Androsch für 1978 im Grundbudget ein Defizit von 40,42 Milliarden Schilling veranschlagt, so weist sein Rechnungsabschluß einen Abgang von 50,64 Milliarden Schilling aus.

Das Loch von über zehn Milliarden Schilling versucht Androsch mit seinem Kampf gegen das Zahlungsbilanzdefizit zu erklären, der durch das Maßnahmenpaket zu geringeren Importen und daher zu Mindereinnahmen geführt habe. Allein: Androsch mußte ja um die Auswirkungen des Maßnahmenpaketes wissen, sonst hätte er es ja nie zur Sanierung der Zahlungsbilanz schnüren können.

Was bleibt, ist die Gewißheit, daß es um die Budgetwahrheit nicht gut bestellt ist: Um das Defizit optisch in Grenzen zu halten, werden beim Voranschlag einfach die Einnahmen über- und die Ausgaben unterschätzt.

Aneinander gerieten Finanzminister und Rechnungshof auch bei der Frage der Gesamtsteuerbelastung in Österreich, einem nicht uninteressanten Detail, weil diese den Spielraum signalisiert, der noch für weitere Belastungen vorhanden ist. Androsch ist daher interessiert, die Belastungsquote möglichst niedrig erscheinen zu lassen. Und so wurde die Meinung des Rechnungshofes, daß die Steuerbelastungsquote 1978 bereits bei 41,8 Prozent des Brutto-In-landsproduktes lag, zum Streitpunkt. Da der Finanzminister nur 39 Prozent eingestehen wollte, einigte man sich auf eine fiskalische Gesamtbelastung von 40,7 Prozent, die jetzt in den Unterlagen aufscheinen.

Hart blieben dagegen die Fronten in einer anderen Frage: Im Zusammenhang mit dem Defizit von 50,64 Milliarden Schilling stellte der Rechnungshof fest: „Der tatsächliche Ge-samtgebarungsabgang ... lag mit 1284 Millionen Schilling über dem vom Gesetzgeber genehmigten Abgang." Das heißt: Androsch hat den gesetzlichen Abgangsrahmen ohne gesetzliche Ermächtigung um fast 1,3 Milliarden Schilling überschritten.

Es ist nur verständlich, wenn Androsch im Rechnungshofausschuß für seine Sache argumentierte. Unverständlich ist aber das, was sich im Gefolge dieser Diskussion auf parlamentarischem Boden abspielte.

In der allgemeinen Aufbruchsstimmung nach der Sitzung des Rechnungshofausschusses vom 16. Jänner legte Parlamentsvizedirektor Reinhold Ruckser dem Ausschußobmann Fritz König mit dem Hinweis, daß Berichterstatter Fertlbe-reits abreisen mußte, Androsch betreffende Formulierungen mit dem Wunsch vor, den Berichtsentwurf diesbezüglich abzuändern. ■ Allerdings: Gegenüber dem abgesprochenen Text fanden sich darin Zitate, die nie im Ausschuß gefallen waren. Das ist im nachhinein nicht verwunderlich, wurde doch die zum Hineinreklamieren bestimmte Passage nicht im Ausschuß von Androsch, sondern im Finanzministerium von Androsch-Mitarbeitern formuliert.

Königs Einwand, daß zumindest Teile der neuen Androsch-Stellung-nahme nicht seinen Aufzeichnungen entsprächen, fand daher eine Bestätigung. Auch Ruckser mußte zugeben, daß ein Textteil nicht mit den tatsächlichen Vorgängen im Ausschuß übereinstimmte. Man kam überein, diesen Stein des Anstoßes zu streichen.

In der nächstfolgenden Plenumssitzung des Nationalrates eilte aufgeregt der SPÖ-Abgeordnete Stephan Tull auf König zu und bestand darauf, daß ein Teil der gestrichenen Textstelle in den Bericht wieder aufgenommen würde!

Obmann König informierte daraufhin Parlamentsdirektor Wilhelm Czerny, daß er, da der Bericht nach seiner Unterschrift geändert worden sei, diese zurückziehe.

Der Krach war damit da. Denn ohne Obmannunterschrift kann der Bericht nicht ans Plenum weitergeleitet werden. Noch dazu sollte er dort bereits am 20. oder 21. Februar Beratungsgegenstand sein.

Daher mußte sich auch die Präsidialsitzung mit dieser Affäre befassen. Ein Ausweg, der in einem solchen Fall dem Obmannstellvertreter - es wäre der SPÖ-Abgeordnete Franz Pichler gewesen - die Unterschriftsleistung ermöglicht, wurde wegen der Beispielsfolgerungen verworfen: Sonst könnte ja auch, wenn Anton Benya einmal nicht unterschreiben will, Roland Minko-witsch einspringen ...

Vielmehr stellte man Einvernehmen her, „daß sich denkiach die Berichterstattung auf die tatsächlichen Vorgänge im Ausschuß zu beschränken ... hat. Bei Meinungsverschiedenheiten werden daher der für den Inhalt des Berichtes verantwortliche Berichterstatter und der Ausschußobmann ein Einvernehmen suchen müssen..."

Was auch geschah. König und Fertl einigten sich, die umstrittene Passage wegzulassen, womit die Behandlung des Berichtes im Plenum gesichert war - mit Ach und Krach.

„Ich find' das überhaupt nicht der Rede wert", resümiert Berichterstatter Fertl heute, und über die Affäre breitet er den Mantel des Vergessens: „Da hat es an und für sich keine Schwierigkeiten gegeben. Das ist ein ganz normaler Vorgang."

Daß dieser Vorgang „normal" ist, sollte im Interesse des Parlaments hoffentlich nicht wahr sein. Das würde nämlich bedeuten, daß die Regierung des öfteren zu bestimmen versucht, was das Parlament in seinen Berichten schreibt. Kurz: Die Berichte würden „frisiert". Allein der hier aufgedeckte Versuch ist schon alarmierend genug.

„Ich anerkenne den positiven Beitrag des Berichterstatters zu einer objektiven Berichtsabfassung", nimmt Obmann König jetzt auch Rudolf Fertl in Schutz. Die Schuld an der Affäre ortet er nicht beim Berichterstatter, sondern „im sozialistischen Bemühen, wo es nur geht, Kritik abzuwürgen. Und da gibt es viele Ubereifrige."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung