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Abkühlung im Parlament

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Die lähmende Sommerhitze scheint auf die österreichische Innenpolitik eine heilsame Wirkung auszuüben. Noch vor kurzer Zeit bevorzugte man starke Akzente: Da warf die Bundesregierung forsch Einheiten unseres Heeres an die italienische Grenze, und die SPÖ erinnerte daran, daß solche verfassungsrechtlich nicht gedeckte Dispositionen letztmals im Unheilsjahr 1934 erfolgt seien. Fast schien es, als ob mindestens Europa unter dem kriegerischen Aufmarsch unserer Jungmän-nerbataillone erzittern und Österreichs Oppositionsparteien vor einer militärputschähnlichen Entwicklung in Angst Und Schrecken geraten müßten. Glücklicherweise aber ist ein Großteil der Bevölkerung auf Urlaub oder geht zumindest baden, wann immer es die Zeit erlaubt. Zweifellos sind auch die durch das forcierte Arbeitstempo der Prüh-jahrssession über das gewohnte Maß strapazierten Abgeordneten längst erholungsbedürftig, so daß die anfänglich drohende Sondertagung des Nationalrates ins Wasser fiel, wo sich wahrscheinlich die meisten Volksvertreter derzeit aufhalten. Auch die im Gespräch befindliche Sitzung des Hauptausschusses des Nationalrates unterblieb. Zum Schluß genügte der Außenpolitische Ausschuß!

Seine Befassung mit größtenteils innenpolitischen Problemen geht auf einen Zufall der Geschäftsordnung zurück. Bereits am 22. März hatte der Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten einen Zwischenbericht über den gegenwärtigen Stand der Südtirölverhandiungen im Nationalrat eingebracht, der dem Außenpolitischen Ausschuß zur Vorberatung zugewiesen worden war. Am 18. April hatte dieser Ausschuß in einer längeren vertraulichen Sitzung den Bericht behandelt und beschlossen, vorläufig keinen Berichterstatter zu bestimmen, so daß eine Debatte im Plenum, an der man damals kein Interesse' hatte, einstweilen unterblieb. Die Angelegenheit ist also noch in Schwebe, und da der Ausschuß ohnedies beauftragt war, in der tagungsfreien Zeit seine Arbeiten fortzusetzen, konnte er ohne weiteres für den 24. Juli einberufen werden, allerdings nur zur Weiterberatung des Südtirolproblems.

Schon dieser äußere Vorgang zeigt, wie sehr die starken Akzente im Schwinden sind. Heute bezweifelt außer einigen Gefälligkeitsjuristen oder übereifrigen Parteipropagandisten niemand, daß der Einsatz des Bundesheeres zur Unterbindung des Grenzüberganges von Terroristen weder unter Art. 79 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes (Schutz der Grenzen der Republik) noch unter

Abs. 2 (Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen, Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Innern sowie Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges) ohne weiteres subsumiert werden kann; und ebenso befürchtet niemand im Ernst, daß dieser verfassungsrechtlich nicht ganz gedeckte, aber politisch zweckmäßige Schritt der Auftakt für eine undemokratische Entwicklung sein könnte, weil etwa dem Kabinett Dr. Klaus zuzumuten sei, daß es die Exekutive über rechtliche Schranken hinweg nach Willkür einsetzen wolle.

Bei der Aussprache im Außenpolitischen Ausschuß mäßigte die Opposition ihre Vorwürfe gegenüber der Bundesregierung so weit, daß nur noch von einem Rechtsirrtum die Rede war, der dem Bundeskanzler und seinen Regierungskollegen im heiligen Eifer unterlaufen sein dürfte. Juristische Meinungsverschiedenheiten bestehen allerdings nicht nur über die Berechtigung des Einsatzes, sondern offenbar auch über seine Durchführung: Während die SPÖ meint, die zur Assistenzleistung herangezogenen Einheiten des Bundesheeres seien für die Dauer des Einsatzes völlig der zivilen Gewalt unterstellt und hätten sozusagen die Funktion einer Hilfsgendarmerie übernommen, betont zwar auch die ÖVP die Unterstellung unter das Bundesministerium für Inneres beziehungsweise die Sicherheitsdirektion für Tirol, hält aber doch einen gewissen militärischen Charakter der Aktion mit entsprechender Geheimhaltung usw. für gerechtfertigt.

Naturgemäß war die ÖVP-Mehr-heit nicht gesonnen, ihre Regierung im Stich zu lassen. Der Ausgang der politischen Diskussion konnte daher keinen Augenblick zweifelhaft sein. Eine rechtliche Austragung der Meinungsverschiedenheiten ist aber schon deshalb unwahrscheinlich, weil die Verordnung über den Einsatz des Bundesheeres nicht so lange in Kraft bleiben dürfte, bis etwa im Winter ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes herbeigeführt werden könnte. Demnach war im Moment nicht mehr zu tun, als einander die Meinung zu sagen, was in der fünfstündigen Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses denn auch in sachlicher Form geschah.

Nicht mehr als ein Meinungsaustausch war ferner über das Kernproblem „Südtirol“ möglich. Abgesehen vom ungünstigen Termin der Ausschußsitzung — das italienische Kabinett führte seine große Südtirol-Debatte bekanntlich zwei Tage später durch — hat die österreichische Außenpolitik derzeit kaum Initiativmöglichkeiten: Das Paket der Zugeständnisse an sich scheint ausgehandelt; seine völkerrechtliche Absicherung wird von allen österreichischen Parteien verlangt, von allen italienischen Parteien auf Regierungsebene abgelehnt. Die UNO jetzt mit dieser Frage zu befassen, scheint geradezu absurd, da die Vereinten Nationen mit ungelösten Problemen reichlichst eingedeckt sind. So bleibt einstweilen nur der Weg der Geduld und zumindest vorläufig des Weiterverhandelns. Solange dieser Weg von der österreichischen Außenpolitik begangen wird, richtet sich aber jede Bombenexplosion und jeder Terrorakt in Südtirol gegen die österreichischen Verhandlungsinteressen. Das müßte endlich auch allen Bumsern einleuchten!

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