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Hoffen auf die Formel

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Nach monatelangen zermürbenden Richtungskämpfen, die bedauerlicherweise nicht nur von den noch existierenden Meinungsverschiedenheiten, sondern hauptsächlich von persönlichen Ressentiments getragen waren, hat der Auschuß der Südtiroler Volkspartei eine bedeutungsvolle Resolution verabschiedet.

Nach dem Anschlag auf der Porze-scharte und dem damit verbundenen Abschuß des italienischen EWG-Torpedos gegen Österreich war die Möglichkeit für die Wiederaufnahme der bilateralen Besprechungen auf lange Sicht hin blockiert. Bisher waren alle österreichischen Bemühungen vergebens, diesen toten Punkt zu überwinden. Die Farnesina ließ sich weder durch den umstrittenen Einsatz des Bundesheeres an der italienisch-österrei''hischen Grenze noch durch Beteuerungen der Verurteilung des Terrorismus sonderlich beeindrucken. Erst die seit einigen Wochen im Gang befindlichen „Sonderaktionen“ des Innenministeriums, die zur Verhaftung maßgeblicher Südtirolterroristen und, was noch wichtiger ist, zur Aufklärung des verbrecherischen Minenanschlages auf der Porzescharte geführt haben, sind in Rom mit Genugtuung registriert worden. Die Verspätung, mit der die zuständigen Stellen in Wien und Innsbruck zur Erkenntnis gelangt sind, daß zur Bekämpfung des Südtirolterrorismus viel mehr als schöne, ja selbst ehrlich gemeinte Worte notwendig sind, hat für Österreich wie für Südtirol bisher sehr nachteilige Folgen gezeitigt.

Am Ballhausplatz hatte Außenminister Toncic inzwischen die Hoffnung auf das Finden einer „magischen Verankerungsformel“ noch nicht aufgegeben. Am 8. September kam es dann hauptsächlich auf seine Initiative zu jener Salzburger Südtirolkonferenz, die als Musterbeispiel an mangelhafter Vorbereitung und an Ungereimtheit in die Annalen eingehen dürfte. Bereits während der Konferenz wurde von Wiener Seite die Idee einer „politischen Verankerung“ durch den Aufschub der österreichischen „Endfertigungserklärung“ hochgespielt. Sie würde darin bestehen, daß das österreichische Parlament den Streitfall Südtirol gegenüber Rom und den Vereinten Nationen erst dann als beendet zu erklären brauchte, wenn das „Paket“ zur Gänze verwirklicht worden wäre. Dabei hatte der Tiroler Landeshauptmann Wallnöfer am Vorabend der Konferenz erklärt, „die Mehrheit in Österreich und Südtirol“ erwarte eine juridische Absicherung der Verhandlungsergebnisse. Am Ende der Besprechungen, über die nur ein dürres Kommunique herausgegeben wurde, sagte wieder Wallnöfer, daß man über verschiedene Formen diskutiert habe. Welche Art der Verankerung von Österreich im Interesse der Südtiroler vorgeschlagen werde, sei nicht festgelegt worden. Wenige Tage später gaben Bundeskanzler Klaus, Außenminister Tonöic, Landeshauptmann Wallnöfer und Generalsekretär Haymerle in Wien jedoch eine Pressekonferenz, bei der über die „Ergebnisse“ des Salzburger

Gipfels Erklärungen abgegeben wurden, welche — wie die „Südtiroler Nachrichten“ in Bozen schrieben — „die sowieso schon seit längerer Zeit herrschende babylonische Verwirrung in der gegenwärtigen österreichischen Südtirolpolitik nur noch verstärkt haben“.

Was war geschehen? Bei der Wiener Pressekonferenz und nachher auch in offizieller Art („Wiener Zeitung“, ÖVP-Organ „Das Volksblatt“ usw.) wurde von einem Einverständnis mit den in Salzburg vertretenen Südtiroler Politikern über dal „weitere Vorgehen in der Südtirolfrage“ gesprochen. Dieses sollte darin bestehen: „Die gewählten Ver-ti-eter Südtirols haben sich seit Juni 1966 für eine wirksame internationale Verankerung eingesetzt. Sie haben aber nicht ausdrücklich erklärt, daß diese juridischer Natur sein müsse. Sie wären auch mit einer politischen Verankerung zufrieden.“

In Südtirol war man von diesen Wiener Erklärungen tief betroffen. Parteiobmann Dr. Magnago sah sich schließlich, als die Verwirrung ihren Höhepunkt zu erreichen drohte, genötigt, energisch zu dementieren: Die Hauptsache, so erklärte er, sei, daß eine Verankerungsformel „wirksam“ sei, „Niemals haben aber die Vertreter Südtirols (in Salzburg) erklärt, daß eine sogenannte Endfertigungserklärung von Seiten Österreichs von ihnen als eine wirksame Verankerung angesehen wird.“

Was sind nun die Punkte der Resolution des Parteiausschusses vom 23. Oktober, die wir zu Beginn als „bedeutsam“ bezeichneten?

• Nach harten Diskussionen gelang es, zwischen den Strömungen und Richtungen wieder eine gemeinsame politische Ausgangsbasis zu finden. Die angegriffene Einheit der SVP ist durch das Abstimmungsergebnis, das praktisch einer Einstimmigkeit gleichkam, nach innen und außenhin gestärkt worden. Die psychologische Wirkung dieser wiedergewonnenen Einheit wird sich erst in Zukunft richtig bemerkbar machen.

• Was die Verankerungsfrage betrifft, so hat der Parteiausschuß eine sehr flexible Formulierung gewählt, was unter „wirksam“ und „international“ zu verstehen ist. Durch die Worte: „Unter wirksamer internationaler Verankerung ist ein System zu verstehen, das die Durchführung der im .Paket' gewährleisteten Maßnahmen gewährleistet. Ein solches System wäre auch unter Zugrundelegung der europäischen Streitbeilegungskonvention möglich, welche Italien noch nicht vollinhaltlich ratifiziert hat. Der Europarat könnte sich für die Erreichung einer wirksamen Verankerung durch die Inanspruchnahme europäischer Einrichtungen verwenden“ — bleibt die Tür für zukünftige Verhandlungsbemühungen weit geöffnet. Die Erwähnung des Europarates soll auf das ungelöste europäische Problem Südtirol hindeuten. Auch eine Intensivierung der im September 1961 vom Europarat eingesetzten Subkommis-sion zur „Prüfung der Südtirolfrage“ unter Vorsitz vom belgischen Senatspräsidenten Struye dürfte damit gemeint sein.

Schließlich aber betont der Parteiausschuß, daß das gedämpfte und bedingte Ja zum „Paket“ (die endgültige Entscheidung bleibt der Landesversammlung vorbehalten) nur dann Gültigkeit behält, wenn an dem „Paket“ nicht weiterhin herumgekramt wird. Bekanntlich haben maßgebliche Vertreter der beiden mit der DC verbundenen Koalitionsparteien, und zwar die Sozialisten und die Republikaner, in Rom in der Zwischenzeit versucht, wichtige im „Paket“ enthaltene Zugeständnisse (ethnischer Proporz usw.) in Frage zu stellen. Das Fazit: Die Südtiroler Volkspartei kann wieder etwas beruhigter in die Zukunft schauen. Das Wahljahr 1968 (Parlaments-, Regionalrats- und Gemeindewahlen) dürfte ohne große Erschütterungen überstanden werden.

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