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Südtirol im Wartezimmer ?

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„Wir haben uns nie in interne SVP-Streitigkeiten über die Qualität des in Aussicht gestellten Paketes eingelassen. Wir werden das auch in Zukunft so halten, weil wir die Auffassung vertreten, daß dies ausschließlich eine Angelegenheit der zuständigen Organe der Südtiroler Volkspartei ist, welcher immerhin 79 Prozent des Volkes ihr Vertrauen schenken”, schrieb pathetisch die „Tiroler Tageszeitung” Mittwoch voriger Woche. Allerdings nahm sie dann doch „ausnahmsweise” zu, wie es bereits qualifizierend hieß, „Auslassungen eines SVP-Parlamentariers” Stellung.

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„Wir haben uns nie in interne SVP-Streitigkeiten über die Qualität des in Aussicht gestellten Paketes eingelassen. Wir werden das auch in Zukunft so halten, weil wir die Auffassung vertreten, daß dies ausschließlich eine Angelegenheit der zuständigen Organe der Südtiroler Volkspartei ist, welcher immerhin 79 Prozent des Volkes ihr Vertrauen schenken”, schrieb pathetisch die „Tiroler Tageszeitung” Mittwoch voriger Woche. Allerdings nahm sie dann doch „ausnahmsweise” zu, wie es bereits qualifizierend hieß, „Auslassungen eines SVP-Parlamentariers” Stellung.

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Grund zu solcher Stellungnahme und Korrektur waren die Angriffe des Südtiroler Abgeordneten Hans Dietl gegen den Landeshauptmann von Tirol, Wallnöfer. Obwohl diese Angriffe Dietls, wie man aus Wallnöfers Umgebung erfuhr, keineswegs allzu ernst genommen wurden, stieg die „Tiroler Tageszeitung” doch Angesichts der Vorwürfe aus Richtung südlich des Brenners für Wallnöfer, der, wie es hieß, „persönlich diskriminiert werden sollte”, auf die Barrikaden.

Dietl hatte nämlich in seinen „Südtiroler Nachrichten”, einer Zeitung, der nur eine geringe Auflage in Süd- tiroll beschießen ist, gegen Wallnöfer den Vorwurf erhoben, für ihn seien „die Differenzen mit Italien aus der Welt geschafft” und er stehe zu dieser technischen Einigung, Obwohl in der entscheidenden letzten Sitzung erstmals der Experte der Tiroler Landesregierung nicht anwesend war. Der Hauptvorwurf aber gegen Wallnöfer bestand darin, daß er mit allen Mitteln versuchte, noch vor den österreichischen ParLamentswa’hlen eine Lösung des Südtirolproblems durchzudrücken.

Der aggressive Artikel wirft Wallnöfer ferner vor, er habe angesichts des wahltaktischen Eiltempos darauf vergessen, daß er immer für eine Stellungnahme des Nordtiroler Landtages vor einer Südtiroler Beschlußfassung eingetreten sei.

Erfolgloser Keil

Für den Zeitdruck aber, so sagen Kreise um Dietl, seien nicht die Südtiroler verantwortlich, sondern vielmehr die Römer und die Wiener. Denn durch zwei Jahre hätte man erklärt, mit dem Paket wäre in Rom alles in Ordnung, es gehe nur noch um die leidige Veranikerungsfrage. Nun aber stelle es sich heraus, daß auch andere Punkte ungeklärt seien. Rom aber verspreche seit Monaten eine angeblich positive Antwort auf die 12 Punkte.

Wie Dietl mit solchen Äußerungen der Südtiroler Politik geschadet hat, wird sich jetzt oder in Zukunft zeigen. Denn seine Vorwürfe verschlechtern das Image der Tiroler Landesregierung und des Landeshauptmannes, wie auch der Wiener Regierung dermaßen, daß bei einem eventuellen Abschluß der Paketverhandlungen auf jeden Fall der Eindruck entstehen müsse, Wien und Innsbruck hätten Südtirol verkauft.

Daß die Nordtiroler trotz .dieser harten Attacken relativ gelassen und keineswegs, wie vorgeworfen, pro- italienisch reagieren, zeigt der Aus

Hofrätin der Tiroler Landesregierung und seit Jahren mit Italieneinreiseverbot belegt.

Stadlmaier meint, man solle den Südtirolem solche Äußerungen nicht zu schwer anlasten, denn sie handelten unter einer Art Wartezimmer- komplex. Stadlmaier zur ..Furche”: „Die Südtiroler sind in der Lage eines Angestellten, der um 9 Uhr vormittags zu seinem Chef bestellt wird, dann im Wartezimmer sitzt bis es Mittag wird. Wenn es dann, nachdem er noch immer nicht vorgelassen wird, vier Uhr nachmittags wird, beginnt er schließlich mit der Tätigkeit, die Tapetenstreifen im Wartezimmer zu zählen. Denn daß man von seiten Italiens die Südtiroler so lange hin- gehalten hat, daß sie nunmehr auch mit Nörgeleien in Richtung Nordtirol ihren Komplex abreagieren, darüber ist man sich in Innsbruck dm klaren.

Von dem Vorwurf Dietls allerdings, daß das Südtirolprablem förmlich als ÖVP-Wahlhilfe noch auf jeden Fall vor den Parlamentsiwahlen in Österreich gelöst werde, hält man in Tirol nichts, denn die „Gefahr” hat sich durch die Verzögerungspolitik der Italiener tatsächlich auf den Nullpunkt vermindert.

• So verweist man in Innsbruck darauf, daß Rumor und Moro im Frühjahr eine Lösung innerhalb von 14 Tagen versprochen hätten;

• daß bis heute, obwohl es schon eineinhalb Jahre keine „Dynamit”- Anschläge gegeben habe, das Veto in Brüssel von seiten der Italiener aufrecht geblieben sei;

• und daß schließlich bis heute nicht klargelegt sei, wer das Paket nach einer Einigung zwischen SV und römischer Regierung zur Begutachtung erhalte, der Regionalrat oder die Partedspitzen in Rom.

Derartige Unentschlossenheit selbst in Detailfragen auf seiten der Italiener gelten in Südtirol als Versuch, den Abschluß so lange wie möglich hinauszuzögem und auch dlie SVP unsicher zu machen.

Denn, so meint man,

• die monokolore Democnistdani- regierung würde eine Südtirollösung nicht im italienischen Parlament durchbringen,

• die beiden sozialistischen Parteien könnten kaum von ihren Beschlüssen, die sie gerade in der Südtiroler Schulfrage und im Stellenproporz 1967, als sie noch einig waren, getroffen haben, zurückzustehen,

• und auch die Republikaner wie die Liberalen und die übrigen im italienischen Parlament vertretenen Parteien würden der DC keinen Erfolg im Problem Südtirol zukommen lassen.

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