6776890-1969_26_07.jpg
Digital In Arbeit

„Bis 1970 - Südtirol vor die UNO“

19451960198020002020

In der Fragestunde des Nationalrats auf den voraussichtlichen Termin der Anmeldung der Südtirolfrage für die Tagesordnung der nächsten UN-Generalversammlung angesprochen, antwortete Außenminister Waldheim, daß man die Verhandlungen mit Rom aufrechterhalten werde und die Bundesregierung die Ergebnisse der Kontakte Rom-Südtirol abwarten wolle, ehe man die UNO mit dem Problem zu befassen gedenke. Der große Optimismus, den Waldheim, als reservierter und vorsichtiger Prognostiker bekannt und geschätzt, noch bis vor kurzem im Zusammenhang mit „Paket“ und „Operationskalender“ gezeigt hat, ist also etwas verfrüht gewesen. Daß man aber die Südtirolfrage wieder vor die UNO bringen will, sollten die Verhandlungen um die noch offenen Punkte des Pakets ohne Erfolg bleiben, zeigt, daß man von österreichischer Seite die UNO noch immer für eine in ihren Entscheidungen glückliche Institution hält. Aus diesem Grund sprachen wir mit Landeshauptmann Wallnöfer, der einen gebremsten Pessimismus über die derzeitige Verhandlungssituation bekundet.

19451960198020002020

In der Fragestunde des Nationalrats auf den voraussichtlichen Termin der Anmeldung der Südtirolfrage für die Tagesordnung der nächsten UN-Generalversammlung angesprochen, antwortete Außenminister Waldheim, daß man die Verhandlungen mit Rom aufrechterhalten werde und die Bundesregierung die Ergebnisse der Kontakte Rom-Südtirol abwarten wolle, ehe man die UNO mit dem Problem zu befassen gedenke. Der große Optimismus, den Waldheim, als reservierter und vorsichtiger Prognostiker bekannt und geschätzt, noch bis vor kurzem im Zusammenhang mit „Paket“ und „Operationskalender“ gezeigt hat, ist also etwas verfrüht gewesen. Daß man aber die Südtirolfrage wieder vor die UNO bringen will, sollten die Verhandlungen um die noch offenen Punkte des Pakets ohne Erfolg bleiben, zeigt, daß man von österreichischer Seite die UNO noch immer für eine in ihren Entscheidungen glückliche Institution hält. Aus diesem Grund sprachen wir mit Landeshauptmann Wallnöfer, der einen gebremsten Pessimismus über die derzeitige Verhandlungssituation bekundet.

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Die Stagnation der Südtirolverhandlungen, die auch durch die Gespräche Withalm-Rumor und Waldheim-Nenni nicht überwunden werden konnte, läßt einen Vertragsabschluß in naher Zukunft nicht erwarten. Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Ursache dieser Verzögerung, die divergierende Interpretation der zwölf offenen Punkte des Pakets seitens der Vertragspartner, einer Lösung zuzuführen? WALLNÖFER: Es ist so, daß Landeshauptmann Magnago im April 1967 mit dem damaligen Ministerpräsidenten Moro über eine Reihe von noch offenen Fragen gesprochen und auch eine Ubereinstimmung erzielt hat. Man hat diese leider nicht zu Papier gebracht und die übereinstimmenden Formulierungen nicht festgehalten. In der Zwischenzeit kam es zu Wahlen in Italien und auch Südtirol, und erst danach hat sich Magnago in der Lage gesehen, die Formulierungen anzustreben. Diese Gespräche wurden mit Ministerpräsident Rumor geführt, der erklärte, daß er sich

mit seinen Leuten besprev..en müsse, daß also ein eigenes Mini-sterkomitee damit befaßt sei. Wir warten nun seit Wochen darauf, daß dieses Komitee zusammentritt und daß dann das Gespräch zwischen Rumor und Magnago stattfinden kann. Dann erst werden wir beurteilen können, ob man sowohl in der Materie wie auch in der Formulierung zu einer gleichen Meinung kommen kann.

FURCHE: Gemessen an der letzten Landesversammlung scheint sich in der SVP eine gewisse Resignation breit zu machen. Dazu mögen die lange Diskussion und übereilte Annahme der deutschen Übersetzung des Pakets im März 1967 durch die SVP beitragen, ein Uberelfer, der kommende Verhandlungen erschweren dürfte. Wieweit wird die SVP zu Konzessionen bereit sein? WALLNÖFER: Die auf Expor-tenebene erzielten Verhandlungs-ergebnisse sind mit den italienischen Vertretern übereinstimmend formuliert. Nicht formuliert sind diese zwölf Punkte, die zwi-

schen Magnago und Moro besprochen worden sind. Ich bin der Meinung, daß sich der Pessimismus mit einem gewissen Recht darauf stützt, daß wir seit Wochen vergebens auf den Zusammentritt des Ministerkomitees warten und dif man daraus den

Schluß ziehen kann, daß in Italien doch wieder nicht der gebotene Wille zum Abschluß vorhanden ist.

FURCHE: Die beiden Stellvertreter des Landesobmannes der SVP, Brugger und Dalsass, haben sich für eine neuerliche Überprüfung des Pakets ausgesprochen, eine Haltung, die auf einen wachsenden Widerstand gegen die Annahme des Pakets in der jetzigen Form schließen läßt. Wird man in Zukunft mit dem Einfluß der gegen Magnagos Politik opponierenden Kreise innerhalb der SVP rechnen müssen? WALLNÖFER: Ich weiß, daß zwischen Magnago und seinen beiden Stellvertretern nicht in allen Fragen eine übereinstimmende Auffassung besteht. Soweit ich die Dinge aber kenne, kann man über diese Fragen wohl zunächst in kleinem Kreis diskutieren. Wenn dann die nun noch

offene Formulierung vorliegt, wird sich auch der Parteiausschuß nach meinem Dafürhalten damit wieder befassen müssen. Das letzte Wort hat dann die Landesversammlung. Das wird allerdings von einer Einigung der österreichisch-italienischen Experten in dem Fragenkomplex der Garantie abhängig sein. Kann darin eine Übereinstimmung erzielt werden, könnte ich annehmen, daß die Landesversammlung die notwendigen Grundlagen für eine Entscheidung hat. FURCHE: Wie beurteilen Sie die Stellung Magnagos in der SVP? WALLNÖFER: Ich bin durchaus der Meinung, daß sich Magnago auf das Vertrauen der Südtiroler Bevölkerung in breitesten Kreisen stützen kann, schließlich und endlich wurde er ja bei der letzten Landesversammlung wieder mit großer Mehrheit als Parteiobmann gewählt. Wenn es in der SVP Meinungsverschiedenheiten gibt, so ist das begreiflich, da ja die SVP eine Sammelpartei ist. Ich glaube, daß die Position Magnagos nach wie vor gut ist. FURCHE: Ein bedeutender SVP-Politiker äußerte die Meinung, daß „die Jugend Südtirols schon heute auf Volkstum und Paket pfeife und seine Fragestellung nicht mehr verstehe“. Wie sehen Sie die Chancen der SVP, eine neue Basis für eine flexiblere Politik zu finden, und wie würde diese Ihrer Meinung nach aussehen müssen?

WALLNÖFER: Mir wurde erst vor kurzem berichtet, daß sich Magnago und sein Landessekretär sehr um die Verbreiterung der Position der Partei bemühen, daß man eine Mitgliederwerbung durchgeführt hat, durch die man einen großen Erfolg erzielen konnte. Daraus muß ich schließen, daß wieder viele neue junge Leute zur Partei gestoßen sind. Dabei gebe ich gerne zu, daß viele Studenten und auch einige jüngere Akademiker an das kommende Europa glauben und annehmen, daß die Grenzen auf diese1 Weise im Verlaufe; dftfc Jahre sowieso verschwinden werden und daß dem Paket und vor allem auch seiner Garantie nicht mehr die Bedeutung zuzumessen

sei, die man diesen Dingen etwa noch vor Jahren gegeben hat, FURCHE: Bei der letzten Gemeinderatswahl blieb der SVP zwar die absolute Mehrheit erhalten, doch konnten die anderen Parteien einen beträchtlichen Stimmenzuwachs verzeichnen. Ist dies auf eine gewisse Abnützung der SVP-Politik zurückzuführen? WALLNÖFER: Gerade die letzten Gemeinderatswahlen haben gezeigt, daß die Position der SVP eine gute ist. So konnte zum Beispiel in Meran und Brixen die Position der SVP wesentlich gebessert werden, ich nenne dann noch Gossensaß, jene Gemeinde, zu der auch der Brenner gehört und die echt gefährdet gewesen ist, wo man eine eindeutige Mehrheit zugunsten der SVP verzeichnen konnte. Jenny hat meines Wissens zwanzig Mandate in Südtirol zu erzielen vermocht. Das ist kein besonderer Erfolg, wenn man berücksichtigt, daß in vielen kleinen Gemeinden mit sehr wenigen Stimmen ein Mandat zu erringen ist. Ich bin deswegen nach wie vor der Meinung, daß Jenny nicht von Erfolgen in Südtirol sprechen kann und daß von dieser Seite keine Spaltung droht.

FURCHE: Wie lange wird man noch hinnehmen, daß die Italiener immer wieder mit dem Hinweis auf ihre innerpolitischen Krisen die Verhandlungen verzögern?

WALLNÖFER: Diese ständigen Hinweise auf die Krisen sind natürlich nicht geeignet, die Lage zuversichtlich zu gestalten. Wir glauben aber doch noch, daß der jetzige Ministerpräsident Rumor und sein Außenminister Nenni den guten Willen haben, eine Übereinstimmung zu erarbeiten. Deswegen haben Waldheim, Magnago und ich in einem Gespräch einhellig gemeint, vorerst nicht wieder die UNO mit diesem Problem zu befassen, sondern erst den Ausgang der Verhandlungen abzuwarten, von dem es abhän-gen wird, ob wir schon -In •die*'““ vsenv>JaH#äer erst 1970tiäIa.Süd* ; tirolfrage vor das internationale Forum bringen werden. Mit Landeshauptmann Wallnöfer sprach Josef Winkler.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung