7117495-1996_21_05.jpg
Digital In Arbeit

Aufwärmen alter Haßgefühle

19451960198020002020

Seit den jüngsten Parlamentswahlen in Italien am 21. April herrscht in Südtirol eine gewisse Ratlosigkeit.

19451960198020002020

Seit den jüngsten Parlamentswahlen in Italien am 21. April herrscht in Südtirol eine gewisse Ratlosigkeit.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Führung der Südtiroler Volkspartei (SVP), allen voran Obmann Siegfried Brugger und Parteisekretär Hartmann Gall-metzer, versucht ihre beachtlichen Verluste - 114.000 Stimmen weniger allein nach dem Verhältniswahlrecht - zu verniedlichen.

Die radikalere Union für Südtirol (UfS) hat deutlich Aufwind bekommen, nachdem sie im Rahmen des Verhältniswahlrechtes allein in Bo-zen auf Anhieb an die 50.000 Stimmen erreichte. Diesen Sieg betrachtet Gallionsfigur Eva Klotz als Mandat für neue Forderungen. Der Wahlerfolg sei „ein Reweis dafür, daß die SVP den Alleinvertretungsanspruch der Südtiroler verloren hat”, verlautet aus der Union-Zentrale. Parteisekretär Pöder sagt weiter: „Es ist eine Beleidigung für den Wähler, wenn die SVP-Führung behauptet, daß der Wähler ihre Botschaft nicht verstanden hätte.” In einem Atemzug wurde auch gefordert, Brugger und Zeller aus den Autonomiekommissionen abzuwählen und durch Alfons Benedikter, einen ehemaligen SVP-Politiker, der 1989 zur UfS wechselte, zu ersetzen.

Die Reaktionen von Rrugger und Gallmetzer waren bisher etwas verwunderlich. Die SVP sei „nur auf die Normalität zurückgeschrumpft”, erklärte Brugger in einem Interview. Schuld an den Stimmenverlusten sind seiner Ansicht nach nur die anderen: Die Ladiner sind untreu geworden, die Union für Südtirol hat es vorgezogen, im Alleingang zu kandidieren, und die Medien haben die SVP nicht genug unterstützt.

Daraufhin ist ein polemisches Duell zwischen SVP-Führung und der einflußreichen Tageszeitung „Dolomiten” entbrannt, wodurch allerdings die bisher starke, weil einheitliche Front der Südtiroler Bevölkerung auf der Strecke zu bleiben droht.

Dabei wäre diese Einheit jetzt wichtiger denn je: Als Folge des Wahlergebnisses gibt es im römischen Parlament nunmehr drei italienische Vertreter Südtirols - Pietro Mitolo (MSI), Franco Frattini

(Rechtsblock) und Adriana Pasquali (Alleanze Nazionale) - , die alle drei der Autonomie gegenüber feindlich gesinnt sind.

Auf der Gegenseite stehen nur insgesamt fünf Südtiroler (drei in der Kammer und zwei im Senat). Es sind dies Siegfried Rrugger, Karl Zeller, Hans Widmann sowie Helga Thaler-Ausserho-fer und Armin Pinggera, der Roland Riz ersetzen wird.

Gewisse Hoffnungen hatt die SVP hinsichtlich einer Wahlunion mit dem Popolari-Politiker (Ex-Democristiana) Arno Crazzolara gehegt. MH ihm wäre zum erstenmal ein Vertreter der ladini-schen Sprachgruppe nach Rom gekommen. Leider gab es für diese Liste ein Symbol, das für die ladinischen Wähler ein Rätsel darstellte. Im Zweifel gaben daher Zehntausende (ganz genau 57.000) von Südtirolern lieber einen weißen Stimmzettel ab. zwei Bevölkerungsgruppen in Südtirol noch immer vorhanden ist, hat ein Zwischenfall in Erinnerung gerufen, der sich unmittelbar nach den jüngsten Wahlen ereignete. In Bozen haben Abordnungen der Südtiroler Schützen vor dem faschistischen Siegesdenkmal demonstriert. Sie forderten eine Umwandlung dieses veralteten Symbols in ein Mahnmal für die Opfer des Faschismus. Außerdem wurde der Platz um das Denkmal für kurze Zeit in „Franz-Innerhofer-Platz” umgetauft (Innerho-fer war 1921 von Faschisten auf offener Straße ermordet worden). Die Schützen wurden von italienischen Neofa-schisten mit

Schmähungen und Bufen nach dem „Duce” empfangen und sogar attackiert. Am Tag darauf gab es eine von der neofaschistischen Allianz or-Dieses gegenseitige Aufwärmen alter Haßgefühle - nach 50 beziehungsweise 75 Jahren - läßt für die Zukunft eine Radikalisierung beider Lager befürchten. Das kann man auch aus den neuesten Aktivitäten der „Sprayer” schließen, welche nach jahrelanger Ruhe in Brixen zugeschlagen haben. Dort wurden auf das italienische Jugendzentrum Hakenkreuze und gehässige Parolen wie „Wir wollen keine waischen Schweine” auf die Fassade geschmiert. Ähnliche Aufschriften „zieren” auch ein großes Parkhaus. Es häufen sich auch Brandstiftungen -vorderhand werden nur Papiercontainer angezündet, aber man weiß nie, was als nächstes kommt.

Keinen Beitrag zur Beruhigung der Gemüter bringen die separatistischen Flammenreden von Umberto Bossi (siehe Furche 19, Seite 5), dem Chef der Lega Nord. Seine Forderung für Italien, einen „tschechoslowakischen Weg” einzuschlagen, das heißt das Land in einen wohlhabenden Norden und in einen ärmeren Süden zu teilen, würde auch negative Folgen für Südtirol bringen, ist sich Landeshauptmann Luis Durnwalder ziemlich sicher.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung