Überschatteter Abgang

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Vor einer Woche ging in Südtirol die ein Vierteljahrhundert währende Ära Durnwalder zu Ende. Das Bild des Landeshauptmanns wurde zuletzt durch etliche Kratzer getrübt.

Alois Durnwalder hat der Südtiroler Landespolitik ebenso seinen Stempel aufgedrückt wie Silvius Magnago, der "Vater der Autonomie“. Durnwalder regierte das südliche Tirol seit 1989. Mit der Wahl seines Nachfolgers Arno Kompatscher im Landhaus (Landtag) zu Bozen am 9. Jänner trat Durnwalder eigenem Bekunden zufolge gänzlich von der landespolitischen Bühne ab, auf der er somit gut vier Jahrzehnte gewirkt hat, davon 25 Jahre als Landeshauptmann.

Während das Erringen der Autonomie des Landes, die Sicherung von Selbstverwaltungsstrukturen und des Proporzes - Stellenvergabe im Öffentlichen Dienst und Zuweisung von öffentlich gefördertem Wohnraum nach dem ethnischen Stärkeverhältnis aufgrund der Abgabe einer "Sprachgruppen-Zugehörigkeitserklärung“ -, die Verwirklichung der Gleichstellung von deutscher und italienischer Sprache sowie die gesicherte Erteilung muttersprachlichen Unterrichts, somit die kulturelle Selbstbehauptung der Südtiroler die Ära Magnago völlig ausgefüllt hatten, ging es in dem Vierteljahrhundert, in dem "der Luis“ die Geschicke bestimmte, um die Festigung des Erzielten sowie um dessen Ausgestaltung und Ausweitung. Das, was er und seine Partei "dynamische Autonomie“ nennen, ist Durnwalder weithin gelungen: mit der ihm eigenen "stiernackigen Art“ - so der frühere (Nord-)Tiroler Landtagspräsident Helmuth Mader -, mit allgegenwärtiger Präsenz und einer Durchsetzungsfähigkeit, die für erfolgreiches politisches Gestalten Voraussetzung ist.

Hausverstand, Bodenständigkeit

Nie zuvor kümmerte sich jemand so sehr persönlich um Anliegen von Petenten, die er frühmorgens, vor Öffnung der Ämter, zu empfangen pflegte, um ihre Wünsche entgegenzunehmen. Was ihm zu Spitzenzeiten bei Wahlen mehr als 100.000 Vorzugsstimmen eintrug; was ihm aber auch den Vorwurf einbrachte, sein Gebaren sei "landesfürstlich“. Niemals war die Dominanz eines Südtiroler Politikers so ausgeprägt wie jene Durnwalders, nie zuvor gab es allerdings auch Skandale wie in der Endphase seiner Regierungszeit, die davon getrübt wurde; was unter dem asketischen Magnago unvorstellbar gewesen wäre. Weshalb es sich fügte, dass die vorweihnachtliche Auszeichnung Durnwalders mit dem "Ehrenring“, der höchsten Würdigung, die das österreichische Bundesland Tirol ausschließlich Tirolern diesseits und jenseits des Brenners zuspricht, just von der Anklageerhebung gegen ihn überschattet gewesen ist. Das verfinsterte den Himmel über dem Innsbrucker Landhaus und dem Palais Widmann zu Bozen, dem Sitz des "Presidente della Provincia Autonoma di Bolzano - Alto Adige“.

Wider die zutreffende Laudatio seines (Nord-)Tiroler Amtskollegen Günther Platter, wonach Durnwalder "die Eigenschaften Hausverstand, Bodenständigkeit und Durchsetzungsvermögen“ in sich vereint und "stets Gesamttirol im Blick gehabt“ habe, nimmt sich der Abschluss der Ermittlungen des Leitenden Bozner Staatsanwalts Guido Rispoli wie eine Kontradiktion aus. Konkret wirft ihm Rispoli "Unterschlagung im Amt“ und "illegale Parteienfinanzierung“ vor. Weitere Vorhaltungen Rispolis betreffen "Zuwendungen bzw. Einkäufe, die aus dem Sonderfonds bestritten wurden“.

"System Durnwalder“

Losgetreten worden war der "Fall Sonderfonds“, als der Rechnungshof nach der üppigen Feier des Landeshauptmanns auf Schloss Tirol (24. September 2011) aus Anlass seines 70. Geburtstags Ermittlungen einleitete und sämtliche Unterlagen über die Verwendung des Sonderfonds überprüfte. Beanstandet wurden ursprünglich Ausgaben in Höhe von insgesamt 1,3 Millionen Euro zwischen 1994 und 2012. Zeitraum und Summe reduzierten sich im Laufe der Ermittlungen: Insgesamt habe Durnwalder von 2004 bis 2012 einen finanziellen Schaden von 556.189,65 Euro verursacht.

Rispolis von publizistischem Getöse begleitetes Vorgehen gegen Durnwalder, den über zweieinhalb Jahrzehnte mächtigsten Mann Südtirols, ist indes nicht unpopulär. Zumal die Botschaft lautet: Seht her, wir ermitteln gegen jeden, gleich welchen Ranges, Amtes oder Standes. 25 Jahre Durnwalder haben Spuren hinterlassen, im Land wie in der Partei, die seit 1948 regiert. So volksnah Durnwalder seine Politik auch verkörpern mochte, die SVP verlor in den beiden letzten Legislaturperioden seiner Amtszeit ihre Basisnähe und insgesamt zehn Prozent ihres vorherigen Stimmenpotentials. Die Führung des Landes hatte sich mehr und mehr auf ihn konzentriert, Nepotismus und Günstlingswirtschaft paarten sich mit unübersehbarer Großmannssucht. Spätestens mit dem Skandal um den landeseigenen Energieversorger SEL AG wurde dies offenkundig. Die Betrugsaffäre ist auch Durnwalder zur Last zu legen, ohne den in der Südtiroler Politik seit 1989 nichts lief. Der zuständige Landesrat Michl Laimer musste seinen Hut nehmen, er wurde auch rechtskräftig verurteilt. Doch immer öfter tauchte seitdem in den Medien die Metapher "System Durnwalder“ auf. Nur Naive mochten seinen Worten glauben, wonach er von der Affäre rund um die Vergabe von Kraftwerkskonzessionen nichts gewusst habe. Selbst wenn dies der Wahrheit entspräche, so trägt er doch die politische Verantwortung dafür.

Unbestreitbare Leistungen

SEL-Affäre und Causa Sonderfonds trüben das Bild vom beliebten Tatmenschen Durnwalder indes umso mehr, als es ihm den "honorigen Abgang“ vergällt, der ihm sonst aufgrund seiner nicht zu bestreitenden Leistungen zugestanden wäre. Durchaus auch selbstkritisch hatte sich der scheidende Landeshauptmann in seiner letzten Haushaltsrede im Südtiroler Landtag geäußert. Bezüglich Autonomie befand er, sie sei "nicht gestärkt, sondern geschwächt“: "Wir haben der Autonomie nicht den nötigen Respekt erwiesen, haben sie nach außen hin zwar mit Zähnen und Klauen verteidigt, ihr aber von innen Schaden zugefügt, indem wir an ihren Fundamenten gerüttelt haben.“ Diese seien nämlich "nicht nur der Pariser Vertrag und das Autonomiestatut“, sondern "Ehrlichkeit, Rechtsstaatlichkeit, Moral, Transparenz, Offenheit, Engagement und Hingabe“. Und in Bezug auf die "Strom-Affäre“ äußerte er: "Wenn sich der Bürger nicht mehr darauf verlassen kann, dass alle Gesetze eingehalten und alle Zweifel ausgeschlossen werden, dann hat er allen Grund, die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und - grundsätzlicher - mit seinen Repräsentanten unzufrieden zu sein.“

Nichts anderes taten die Bürger - am 27. Oktober 2013 ließen sie seine Partei, die SVP, mit dem erstmaligen Verlust der absoluten Mehrheit im Bozner Landhaus aus der Landtagswahl hervorgehen. Weshalb Kompatscher einen Koalitionspartner benötigte, um die Nachfolge anzutreten.

* Der Autor ist Historiker und Publizist

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